Wenn Süßigkeiten glücklich machen

Serotonin und Süßigkeiten

Süßigkeiten machen glücklich. Das weiß eigentlich jeder aus eigener Erfahrung. Aber warum ist das so? Wird aus Kakao tatsächlich Serotonin gebildet? Es ist zumeist nicht der Hunger, der uns zu Schokolade, Gummibärchen, Keks und Co greifen lässt. Aber wenn es nicht der Hunger oder einfach der Appetit ist, was steckt dann in Wirklichkeit hinter dem allabendlichen Verlangen?


Und jeden Abend wieder – Die Süßigkeiten

Es ist vermutlich eher der Wunsch nach diesem gewissen Etwas, diesem Wohlfühlgefühl, in dem wir nur zu gern völlig aufgehen. Mir ist dieser Effekt inzwischen ein wenig zum Verhängnis geworden, denn ich habe auf diese Weise über die letzten Jahre 25 Kilogramm zugenommen. Und daran ist nicht meine sonstige Ernährung schuld. Ich esse nicht zu fett und auch nicht zu viel. Ich esse gern auch Obst und Gemüse und ich ernähre mich von Natur aus abwechslungsreich. Dafür sorgt mein Körper von ganz allein. Ich habe überhaupt keinen Appetit, immer dasselbe zu essen. Die Experten sprechen hier von einer „somatischen Intelligenz“, die wir alle in uns tragen. Das also funktioniert. Es ist auch nicht das gelegentliche Bier am Abend, denn es bleibt in der Regel bei diesem einen Bier.

Was mich aber völlig fertig macht, sind in der Tat Süßigkeiten und andere Snacks. Täglich begleiten sie mich durch mein allabendliches Fernsehprogramm und wandern nahezu unbemerkt in meinen Mund hinein, diese Schweinebande! Wie automatisch greife ich ein um das andere Mal in die Tüte, um es wieder und wieder zu erleben – das kleine flüchtige Glücksgefühl. Es geht nicht um Hunger. Aber worum geht es dann?

Der Mangel an Glück

Depressive Menschen haben einen Mangel an Glück. Ohne dies jetzt weiter bewerten zu wollen, ist es einfach so. Aber auch wir Depressiven sehnen uns danach, glücklich zu sein. Auch wir Depressiven wollen lieber glücklich anstatt depressiv sein. Aber irgendwie habe ich den Eindruck, scheint uns der Zugang zum Glück erschwert, irgendwie steht das Negative immer wieder davor und versperrt uns die Sicht auf das Gute. Aber was fühle ich, wenn ich das Glück nicht fühle?

Das ist eine spannende Frage, denn sie führt mich schließlich zu dem, was dahinter steht. Sie führt mich zur Ursache meiner 25 überschüssigen Kilo. Was ist es also wirklich, dass mich antreibt, in die Tüte zu greifen? Meine spontane Antwort auf diese Frage, die ich am liebsten gleich wieder zurück ziehen mag, lautet: Ich fühle Einsamkeit. Ich fühle ein Bedauern, ein tiefes Bedauern. Ich stecke in alten Zeiten fest und bedaure, dass es heute nicht mehr so ist.

Tief in meinem Herzen bedaure ich den Zerfall meiner Familie und gebe mir selbst die Schuld daran. Ich weiß zwar, dass niemals nur ein Partner allein die Schuld trägt, aber mein Gefühl ignoriert hier mein Wissen völlig. Es ist fast so, als wollte ich schuldig sein. Es ist fast so, als täte es mir gut, als würde ich mich wohl fühlen in meiner Schuldnerrolle. Warum tue ich das? Glaube ich, wenn ich alle Schuld auf mich nehme, dann wird man mir eher vergeben? Ist das die Lektion, die ich als Kind gelernt habe? Vielleicht bin ich davon überzeugt, auf diese Art besonders bescheiden und reumütig zu wirken? Einem reuigen Verbrecher spricht man in der Regel ja auch ein milderes Urteil zu. Ist es dies? Ist das der Zusammenhang?

Ich fühle Einsamkeit

Ich fühle Einsamkeit. Einsamkeit ist das vorherrschende Gefühl, wenn ich es mir allabendlich auf meiner Couch gemütlich mache. Der Fernseher läuft und soll mir ein wenig Kurzweil verschaffen. Er läuft wie eh und je und dennoch gibt es einen Unterschied. Früher musste ich nicht allein fernsehen. Früher hatte ich eine Frau, mit der ich meine Abende verbrachte. Es war einfach schön, wenn sie da war und wir aneinander gekuschelt einen Film sehen konnten. Das war Nähe pur. Was dabei im Fernsehen lief, war eigentlich gar nicht so wichtig. Oftmals bin ich sogar eingeschlafen. Auf diese Weise fühlte ich geborgen, doppelt geborgen, in ihr und in mir selbst. Das machte mich glücklich. Da fühlte ich Glück, auch ohne Lakritze. Aber wieso eigentlich Lakritze?

Serotonin und das Belohnungszentrum im Gehirn

Die Rede ist vom Serotonin. Serotonin ist ein Botenstoff im Gehirn, ein sogenannter Neurotransmitter, der dafür verantwortlich ist, das wir uns gut fühlen. Serotonin macht glücklich und zufrieden. Warum das so ist? Serotonin ist eigentlich die Antwort unseres Gehirn darauf, dass wir etwas gut und richtig gemacht haben. Serotonin ist eine Art Bestätigung, die uns dazu veranlasst, erneut wieder das Richtige zu tun. Normalerweise brauchen wir zunächst Dopamin. Dopamin ist der Stoff, der uns antreibt, uns Motivation verleiht. Im Extremfall spüren wir sogar ein Kribbeln im Bauch, das wir beispielsweise von der Vorfreude her kennen.

Die Botenstoffe im Gehirn

Dopamin verschafft uns aber auch die nötige Konzentration Aufmerksamkeit und Zielstrebigkeit, die notwendig sind, um Erfolg zu haben. Das Ergebnis kann eine gelöste Aufgabe, ein gewonnener Wettkampf, ein gutes Gespräch, ein erwiderter freundlicher Blick oder auch nur eine liebevolle Berührung sein. Wenn wir unser „Ziel“ erreicht haben, hat das Dopamin seinen Job gemacht und damit wir uns das auch gut merken können, wird nun Serotonin ausgeschüttet – die Belohnung, das Wohlfühlgefühl, das kleine Glück. Menschen mit Depressionen haben in der Regel einen Mangel an diesen beiden Botenstoffen. Die Produktion oder Regulation ist beeinträchtigt und deshalb wird ihnen auch von jedem „guten“ Psychiater sofort erst einmal ein Antidepressivum verschrieben, das diesen Mangel ausgleichen soll.

Ich frage mich nur, weshalb nicht ein einziges Mal die Konzentration dieser Botenstoffe in meinem Körper gemessen wurde. Ich werde da mit Medikamenten befüllt, ohne dass man weiß, ob die Wirkung überhaupt ausreichend oder gar übermäßig ist. Dabei gibt es durchaus medizinische Labortests, mit deren Hilfe man die Neurotransmitterkonzentration messen. Jeder kann sie im Internet bestellen. Doch unsere Fachärzte tun es nicht. Sie behandeln blind. Ob es die Kosten sind, die sie davon abhalten oder sind sie sich der Richtigkeit ihres Tuns einfach nur sicher? Ich bin von Beruf Messtechniker. Ich würde es nachmessen wollen. Aber das ist vielleicht auch nur meine ganz eigene und etwas zu spezielle Intention.

Serotoninmangel und die Folgen

Während der Mangel an Dopamin zu Antriebslosigkeit und einem allgemeinen Schwächegefühl führen kann, macht uns ein Mangel an Serotonin zu Menschen, die eher ängstlich und unzufrieden sind. Und wie sind wir drauf, wenn wir unzufrieden sind? Nun, wir sind schlecht auszuhalten. Das geht dann unseren Mitmenschen so, aber das geht auch uns selbst mit uns so. Wir sind unleidlig. Gerade in solchen Situation greifen wir gerne danach, nach dem Ersatz. Für die Einen ist es die Zigarette, für den Anderen der Alkohol, für wieder Andere sind es harte Drogen. Für mich sind es Süßigkeiten, Chips, gesalzene Nüsse und was das Lecker-Schlecker-Regal im Supermarkt sonst noch an verführerischen Kleinigkeiten zu bieten hat.

Was alle diese Stoffe gemeinsam haben ist, dass sie uns Glück vorzutäuschen vermögen. Ob Zucker oder Droge, sie alle erhöhen sowohl den Dopamin- als auch den Serotoninspiegel. Sie täuschen uns vor, wir hätten uns für eine Sache eingesetzt und wären erfolgreich gewesen. All das tun sie, ohne dass wir wirklich einen Finger krumm machen mussten, mal abgesehen davon, dass wir uns etwas in den Mund steckten. Und weil sie auf diese Art in den Gehirnstoffwechsel eingreifen, eignen sie sich auch als Suchtmittel. Erfolg macht süchtig und genau den täuschen sie uns vor. Wir sind glücklich ohne wirklich glücklich zu sein. Wir sind unglücklich glücklich.

Ungünstige Erziehung

Nicht selten passiert es, dass Nahrungsmittel dazu missbraucht werden, Menschen zu belohnen. Schon als Kinder „verdienten“ wir uns Bonbons und Schokolade, wenn wir lieb waren. Später belohnen wir uns mit gutem Essen, gutem Wein und natürlich – mit süßen Naschereien. Wir beruhigen uns mit Süßigkeiten, so wie wir als Kind mit einem süßen Schnuller beruhigt wurden. Wenn mein kleiner Bruder nicht aufhören wollte zu schreien, dann wurde sein Schnuller kurzerhand angeleckt und in die Zuckerdose gesteckt. Dann war er ruhig. Sicher haben sie das mit mir auch so gemacht. Aber eigentlich will so ein Bub etwas ganz anderes haben. Das schreiende Kind sucht in Wirklichkeit Nähe, Liebe und Zuwendung. Es wird aber beruhigt und abgelenkt mit Zucker. Das ursprüngliche Bedürfnis ist deswegen nicht gestillt, es währt fort, aber es ist erst einmal überdeckt.

So lernen wir vermutlich schon als Hosenscheißer, wie man seine Bedürfnisse überlistet, übergeht und schließlich missachtet. Und was macht Benno abends, wenn er allein auf der Couch sitzt? Er taucht den Schnuller in die Zuckerdose… Es ist nach wie vor eine Ersatzbefriedigung. Freud nannte es orale Befriedigung und das scheint mir mittlerweile eingängig. Doch wird nicht wirklich ein Bedürfnis befriedigt. Das Glück ist nur vorgetäuscht, weshalb sich am nächsten Abend das Ganze wiederholen muss. Die Droge Süßigkeiten ist geboren.

Alternativen zu Ersatzstoffen

Es gibt tatsächlich gesündere Möglichkeiten, dem Körper ein Glücksgefühl zu verschaffen. Zum Beispiel ist Ausdauersport so eine Möglichkeit. Auch hier kommt es zu einer vermehrten Serotoninausschüttung, nur mit dem Unterschied, dass wir hier etwas dafür tun müssen. Aber auch jede andere Sportart ist hierfür geeignet. Dieses Glück ist echt, denn wir haben es uns wahrlich verdient. Eine andere Möglichkeit für die weniger sportbegeisterten ist der Aufenthalt im Freien, besonders in der Sonne. Wir alle kennen dieses Wohlgefühl. Es geht uns Menschen wie von allein seelisch besser, wenn wir die Sonne genießen können. Je länger wir uns dem Sonnenlicht aussetzen, umso höher steigt auch der Serotoninspiegel. Ersatzweise kann hier bei tagelangem schlechten Wetter auch eine elektrische Lichtdusche gute Dienste leisten. Im Sommer brauche ich sie nicht, aber im Winter schwöre ich drauf.

Mein Fazit zum Thema Serotonin und Ersatzbefriedigung

Der alleinige Verzicht auf Süßigkeiten hilft, so glaube ich, wenig. Auf Dauer wird er nicht durchzuhalten sein, wenn das ursprüngliche Bedürfnis, das Bedürfnis, das hinter dem Appetit steckt, unbefriedigt bleibt. Auf lange Sicht muss ich mich dem stellen. Warum reicht es mir eigentlich nicht, mit mir allein zu sein? Warum glaube ich, nur mit einer Partnerin das Glück finden zu können? Schließlich kann man auch zu zweit einsam sein und das ist dann vermutlich noch weitaus unerträglicher. Bin ich mir selbst meine Gesellschaft nicht wert? Macht mich meine eigene Anwesenheit nicht glücklich? Freue ich mich nicht, bewusst Zeit mit mir verbringen zu können? Weshalb suche ich das Glück außerhalb von mir, wo ich es doch nur in mir finden kann?

Das Stück Schokolade sollte also nicht das Problem sein und Genuss beim Essen zu empfinden auch nicht. Doch denke ich, gehört alles an seinen Platz und eignet sich nicht sonderlich gut als Ersatzmaßnahme, jedenfalls nicht ohne die bekannten unerwünschten Nebenwirkungen. Und wenn sich irgendwann das schlechte Gewissen einschaltet nach dem sündigen Verzehr, ist es mit dem Glücksgefühl schließlich auch nicht mehr weit her bestellt…

Quellen zu Serotonin – Süßigkeiten und Depression

zentrum-der-gesundheit.de  Foto: Benno Blues

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