Die Chancen einer Psychotherapie bei Depressionen – Gastartikel

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Upset woman sitting on the couch and looking at therapist in a private session

Bei Depressionen wie auch bei anderen seelischen Erkrankungen wird immer wieder die Psychotherapie als probates Mittel anempfohlen. Was hat es auf sich mit dieser Behandlungsform, wie wirkt sie und worauf muss ich im Vorfeld achten? Dieser Beitrag erklärt, was ich von einer Psychotherapie erwarten kann und welche Möglichkeiten der Steuerung und Einflussnahme auf die Behandlung dann auch beim Patienten liegen. Es wird beschrieben, wo Psychotherapie bei Depressionen ansetzt und welches die Behandlungsziele sind.


Welcher Therapeut ist der Richtige?

Psychotherapie ist bei allen Arten von psychischen Problemen angezeigt, also auch bei Depressionen. Als therapeutischer Goldstandard bei Depressionen gilt derzeit die Kombination aus Therapie und Medikation. Wobei stets individuell zu schauen ist, ob und wie kombiniert wird. Schwieriger ist es, die zum Einzelnen passende Therapieform zu finden. In der Regel sind das Dinge, die ein Laie nicht weiß, aber Psychotherapie lebt noch von anderen bedeutenden Faktoren.  Das sind Faktoren, die ein Betroffener sehr gut beurteilen kann. Es geht  darum, was er für ein Gefühl hat bei dem Therapeuten oder der Therapeutin der Wahl.

Man muss sich vorstellen können, mit diesem Menschen über eine, unter Umständen längere, Zeit eine therapeutische Beziehung einzugehen. Der Therapeut muss einem dabei gar nicht besonders sympathisch sein, es reicht das Gefühl zu haben, dass es irgendwie passt. Das ist nahezu der wichtigste Punkt, denn das beste Verfahren taugt nichts, wenn Klient und Therapeut keinen Draht zueinander finden. Um dies zu testen, hat man die Möglichkeit und das Recht mehrere Probesitzungen mit verschiedenen TherapeutInnen durchzuführen.

Dann taucht natürlich doch die Frage auf, welche Therapieform es denn sein soll. Bei Depressionen hat sich bewährt, oftmals nicht in der Vergangenheit zu forschen. Besser kann es sein, in lösungsorientierten Ansätzen den Blick nach vorne zu richten. Wo soll es hingehen, was will ich erreichen? Der Blick zurück führt manchmal zu noch mehr Grübeleien und Schuldzuschreibungen und die sind ja gerade ein Problem bei Depressionen.

Ich darf glücklich sein

Auch an sich simple Verfahren haben ihren Stellenwert. Sich daran zu erinnern – mit farbigen Markierungen in der Wohnung zum Beispiel – dass man glücklich sein darf, hat einen spürbar positiven Effekt.

Der andere Punkt: Statt auf den großen Durchbruch zu warten, sich lieber viele kleine und kleinste Glücksmomente verschaffen. Man hat sie sich immer verdient, nirgendwo steht geschrieben, dass man sein Leben unglücklich verbringen muss. Aber das muss man nicht nur verstandesmäßig erfassen, es muss wirklich sitzen, muss zur emotionalen Gewissheit werden.

Dem eigenen Glücksempfinden stehen manchmal falsche „Skripte“ oder Überzeugungen im Weg. Durch ständige Wiederholungen schleifen sich diese Sätze in die Psyche ein und werden zu falschen Gewissheiten, obwohl eine einfache kritische Nachfrage – Stimmt das denn eigentlich? – den Spuk entlarven könnte. „Wenn es nicht sofort gelingt, wird das nie was.“ „Aus dir wird sowieso nichts.“ „Nichts kannst du richtig.“ Die kognitive Verhaltenstherapie kann helfen, solche Skripte zu finden und zu hinterfragen.

Auch aufdeckende Verfahren, wie Psychoanalyse und tiefenpsychologisch fundierte Therapie, haben ihre Berechtigung, vor allem wenn die Depression tiefsitzend ist oder im Verbund mit anderen Erkrankungen auftritt und die Depressionen nur die symptomatische Oberfläche darstellen. Hier ist es mitunter sogar wichtig, die Depression, die oft zusammen mit Angststörungen auftritt, nicht isoliert zu behandeln. Hieran sollte man vor allem denken, wenn Therapien, die sonst Erfolg haben, nicht greifen. Eine bei Depressionen oft wirksame Therapie ist der Schlafentzug, der allerdings unter therapeutischer Aufsicht stattfinden sollte.

Nicht entmutigen lassen!

Eines erscheint mir wichtig, weil es zu selten gesagt wird. Therapien können, wie Beziehungen oder Arbeitsverhältnisse, aus irgendwelchen Gründen misslingen. Das ist ärgerlich und frustrierend, besonders, wenn es die erste Therapie ist, es kommt jedoch vor. Aber wenn Psychotherapie misslingt, so bedeutet das längst nicht, dass Psychotherapie nicht hilft, sondern nur, dass es aktuell nicht gepasst hat. Diesen Unterschied sollte man nicht vergessen.

Die seltenen systemischen Therapien betrachten das Umfeld des Patienten und beziehen es in die Therapie mit ein. Hier gibt es offenbar große Erfolge auch auf dem Gebiet bipolarer Erkrankungen, bei denen man davon ausgeht, dass sie therapeutisch nicht so gut zu erreichen sind. Der Nachteil ist, dass sich das Umfeld nicht immer in die Therapie mit einbeziehen lässt, da man meint, es sei ja nur einer krank.

Das Steuer selbst in die Hand nehmen

Gerade bei Depressionen, ist es in mehrfacher Hinsicht wichtig, selbst aktiv zu werden, eben weil dies Depressiven so schwer fällt. Die Gefangenheit, die Fremdbestimmtheit und die erlernte Hilflosigkeit, das Gefühl, das eigene Leben selbst nicht ändern zu können, kennen gerade depressive Menschen. Zum einen sind Depressive oft von der eigenen Unfähigkeit beim Lösen ihrer Probleme überzeugt. Hier gibt es nicht besseres, als sich selbst aktiv das Gegenteil zu beweisen, das kann mit oder ohne therapeutische Unterstützung geschehen. Oft entwertet man die kleinen Erfolge, statt sich an ihnen zu erfreuen. Hier ist es gut, sich unter Anleitung realistische Ziele zu setzen und diese zu erreichen, denn das macht stolz.

Zudem ist eigene Aktivität auf der körperlichen Ebene ein wichtiger Faktor für die Behandlung von Depressionen. Schon durch körperliche Bewegung wird mehr Dopamin produziert. Das ist einer der Stoffe, deren Mangel biochemisch in einem Zusammenhang mit der Depression steht. Durch das Erreichen von Zielen verstärkt sich der Effekt.

Dann gibt es bei Depressionen, mehr als bei anderen Erkrankungen, in aller Regel nicht „die eine Ursache“. Man kann auf mehreren Ebenen ansetzen und kann und sollte auch dabei schon darauf achten, was einem selbst wirklich Spaß macht. Ein Leben in Eigenregie ist anzustreben, nicht zurückgezogen und kontaktarm (in welchem Ausmaß ist natürlich eine Frage des Naturells). Es sollte ein Leben im lebendigen Austausch sein, aber mit dem Willen, der Fähigkeit und der Lust, selbst Verantwortung zu übernehmen. Verantwortung ist einfach die andere Seite der Freiheit.

Kohärenztraining

Gerade bei Depression kann man breit ansetzen und auch dann selbst aktiv werden, wenn man sich medikamentös und/oder therapeutisch helfen lässt. Bewegung und Entspannung, Kontakt und selbst gewählter Rückzug, Ernährung und selbst geschaffene Inseln des Glücks, die im Alltag immer wieder auftauchen, können gut kombiniert werden. Äußert effektiv sind auch geführte Bilderreisen oder das Kohärenztraining. Beim Kohärenztraining erinnert man sich an eine Situation des Glücks – wann immer die gewesen ist – und lässt so ein natürliches Lächeln aufsteigen, das zuerst die Augen, dann langsam das Gesicht erfasst. Dieses Lächeln, verbunden mit einem Gefühl der Weite und Unbeschwertheit, sendet man in der Vorstellung in den Körper, besonders in die Brust und den Herzbereich. So einfach diese Übung ist, so effektiv ist sie auch, Übung macht den Meister.

Wer Übung mit Meditationen hat, kann seine Probleme einfach aussitzen, da Meditation eine Ebene innerer Distanz aufbaut. Auch Psychotherapie hat, wo sie gut ist, das Ziel den Klienten zu sich zu führen. Er muss erkennen, was er im Leben will, sich trauen das ungehemmt zu formulieren und sich seinen Teil vom Kuchen zu nehmen. Es ist gut, wenn es realistische Ziele sind, doch sie sollten obendrein auch Spaß machen. Dass das Leben nicht nur irgendwie bewältigt werden muss, sondern auch Spaß machen darf, sollte einem in Fleisch und Blut übergehen. Und die Chancen dafür, dass das gelingt, sind in sehr vielen Fällen sehr gut.

Informationen zum Autor

Dieser Artikel stammt aus der Feder von Herrn Carsten Börger. Herr Börger beschäftigt sich schon über zwei Jahrzehnten mit psychologischen Fragestellungen. Er arbeitet als Berater und Autor und schreibt unter anderem regelmäßig für das Internetportal psyheu.de. Sein Lebensmotto lautet: Das kleine Glück mitnehmen.

Quellen zu Psychotherapie bei Depression

Foto: clipdealer.de

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