Erröten – Was kann man dagegen tun?

Erröten werden ist peinlich

Erröten ist ein Zeichen von Unsicherheit

„Der lügt doch, ohne rot zu werden!“, wurde früher schmähend geurteilt, wenn jemand weder Scham noch Skrupel zeigte und einem anderen mühelos etwas vorflunkern konnte. Heutzutage gilt es fast schon wieder als schick, ist man imstande, einem Anderen des eigenen Vorteils willen etwas zu verkaufen, an das man selbst nicht einmal glaubt. Frechheit siegt schließlich und wer erfolgreich ist, dem gebührt der Respekt und die Anerkennung der Gesellschaft. Und dennoch begegnen sie uns hin und wieder, Menschen, die noch rot werden. Was hat es auf sich mit dem Erröten?


Wie erröten wir?

Das Erröten kann verschiedene Ursachen haben, funktioniert aber immer nach demselben Prinzip. Nach einem auslösenden Impuls kommt es vermehrt zur Ausschüttung von Adrenalin. Blutdruck und Puls steigen. Die Kapillargefäße, also die letzten Enden, die Verästelungen des Blutkreislaufes erweitern sich und es strömt mehr rotes Blut durch das betroffene Gewebe. Besonders im Bereich der Wangen kann man dies gut beobachten. Die rote Blutfarbe scheint dann durch die dünnen Gefäßwände und Hautschichten hindurch. Dies geschieht keinesfalls willentlich. Ob sich die Kapillaren eng oder weit stellen, wird vom vegetativen Nervensystem gesteuert, das durchweg autonom funktioniert.

Sympathikus und Parasympathikus

Man unterscheidet hier zwei Instanzen, den Sympathikus, der für Anspannung sorgt und den Parasympathikus, der für die nachfolgende Entspannung verantwortlich ist. Gesteuert wird das Ganze, soviel weiß man heute, vom sogenannten orbitofrontalen Cortex trägt, einem Bereich oberhalb der Augen, der Teil des Belohnungssystems im Gehirn und zuständig für die Zuordnung von Gefühlen ist.

Wer selbst davon betroffen ist, weiß genau, dass er das nicht unterdrücken kann. Sobald die Reaktion bemerkt, verstärkt dass in der Regel noch die Scham, so dass man am liebsten im Boden versinken mag. Man hat das Gefühl, der Kopf würde immer größer und heißer und letzteres ist auch tatsächlich gegeben. Die Temperatur der betroffenen Körperstellen steigt kurzfristig um etwa ein Grad an, was auch messbar ist, fällt dann aber auch rasch wieder auf ihren Ursprungswert zurück – ein wohltuender Moment für den Betroffenen, der zumeist hofft, dass dies alles niemand bemerkt habe.

Weshalb erröten wir?

Menschen erröten aus vielerlei Gründen. So führt extreme körperliche Anstrengung ebenso zu einem roten Kopf, wie beispielsweise scharfes Essen. Aber auch aus Wut werden wir rot, steigt uns gleichermaßen die sogenannte Zornesröte ins Gesicht. Allerdings ist es so, dass die hier genannten Arten des Errötens in der Regel nicht als störend empfunden werden. Einzig das Erröten aus Scham wird zum Problem für den Betroffenen. Und weil sich durch das Rotwerden die Scham zumeist noch verstärkt, entsteht oftmals ein regelrechter Teufelskreis. In extremen Fällen kann dies zu einer handfesten psychischen Störung auswachen, der sogenannten Erythrophobie. Betroffene haben dann derart starke Angst vor Situationen, die ihnen peinlich sein könnten, dass sie es zunehmend vermeiden, in die Öffentlichkeit zu gehen. Sie leben mehr und mehr zurückgezogen, mit der Folge, dass sie irgendwann gar nicht mehr imstande sind, am Leben der Gesellschaft teilzunehmen.

Das Erröten aus Scham

Hinter dem chronischen Leichterröten steckt zumeist eine unsichere Persönlichkeit. Es gibt bei den betroffenen Menschen womöglich vielerlei Ängste, von denen natürlich niemand wissen darf. Nach außen hin gibt man sich selbstsicher, nicht selten auch auffallend selbstsicher. Im Grunde mangelt es den Betroffenen aber an ausreichendem Selbstwert. Sie sind angewiesen auf die Bestätigung von außen und glauben, einem Bild von sich folgen zu müssen, einem Bild, das ihnen möglichst viel Anerkennung einbringt. Sie versuchen nach außen so zu erscheinen, wie sie glauben, dass sie gern wahrgenommen werden. Ihr Scheinselbst entstand dabei im Laufe ihres gesamten Lebens und ist hauptsächlich von Erfahrungen der Ablehnung, wie auch der Anerkennung geprägt.

Genau genommen wissen sie aber, dass sie diesem Selbstbild nicht wirklich entsprechen können. Aus Angst, die auf diese Weise so mühsam erworbene Anerkennung wieder zu verlieren, halten sie das erworbene Selbstbild oftmals ein Leben lang aufrecht, stets begleitet von einer weiteren Angst, der Angst, enttarnt zu werden. Immer in solchen Augenblicken, in den Momenten, in denen sie glauben, eine Abweichung vom künstlich vorgehaltenen Selbstbild könnte entdeckt werden, kommt es kurzzeitig zu einer Schamüberflutung, die dann das unwillkürliche und unerwünschte Erröten mit sich bringt.

Wozu Erröten gut ist

Nun fragt man sich vielleicht, wozu das Erröten eigentlich gut sein soll. Welchem Zweck mag es dienen und hat es überhaupt einen Sinn? Warum haben Menschen diese Eigenschaft entwickelt im Laufe der Evolution? Wissenschaftler gehen inzwischen davon aus, dass das Erröten dem einzelnen durchaus einen Vorteil einbringen kann. Sie argumentieren damit, dass wir Menschen als soziale Wesen nur in der Gruppe überleben können.

Wir sind darauf angewiesen, Teil einer Menschengruppe zu sein und benötigen deshalb beständig die Anerkennung der anderen Gruppenmitglieder. Das Zusammenleben in Gruppen erfolgt hierbei nach bestimmten Regeln, die sich im Laufe der Zeit als vorteilhaft erwiesen haben. Wir haben dafür so Bezeichnungen wie Sitte und Moral, gesellschaftliche Gepflogenheit, usw. Das Einhalten dieser Regeln fördert unter anderem den Zusammenhalt und sichert den Fortbestand der Gruppe auf der einen und gewährleistet die eigene Teilhabe auf der anderen Seite.

Die Schamgefühle dienen nach Ansicht der Wissenschaftler dazu, zu warnen. Ein Verstoß allgemein akzeptierter Gruppenregeln könnte im schlimmsten Fall zum Ausschluss aus der Gruppe führen, was zumindest in früheren Zeiten recht schnell zu einer Gefahr für die eigene Existenz werden konnte. So signalisiere der hochrote Kopf gleichsam wie ein rotes Warnsignal, weithin gut erkennbar: Ich habe mich falsch verhalten und weiß es auch. Ich bedaure dies und leiste Abbitte auf diese Weise.

Für die Umstehenden bleibt dies nicht folgenlos. Sie bemerken die Scham, was den Betreffenden durchaus sympathischer und die Urteilenden milder macht. Sie erkennen, dass ihre Regeln im Grunde doch anerkannt werden und sind eher bereit, den einen oder anderen Ausrutscher zu akzeptieren. So jedenfalls formuliert es nachvollziehbar der amerikanische Psychologe Mark Leary in einem Beitrag in „Bild der Wissenschaft“.

Tipps gegen das Rotwerden

Willentlich ist das Rotwerden leider nicht kontrollierbar. Dennoch kann man, wenn man die Mechanismen des Errötens erst einmal verstanden hat, den Leidensdruck mildern. Zunächst einmal gilt es, den Hang zum leichten Erröten als eine durchaus sympathische Eigenschaft anzunehmen. Es sind doch beileibe nicht die schlechtesten Menschen, denen dies immer wieder passiert. Zumeist sind sie besonders feinfühlig, empathisch und rücksichtsvoll. Sie achten gesellschaftliche Normen und Regeln und erkennen sie als gegeben an. In der Regel sind sie verlässlich, und tragen gern zum Wohl der Gruppe bei.

Wer das Rotwerden bei sich selbst als einen Teil der eigenen Persönlichkeit annehmen kann, läuft weniger Gefahr, eine Angst vor dem Rotwerden zu entwickeln und somit in einen Symptom verstärkenden Kreislauf einzutreten. Selbstannahme scheint grundlegend der Schlüssel zu mehr Selbstsicherheit zu sein, sich selbst liebevoll und anerkennend zu begegnen, anstatt ständig an sich herum zu nörgeln, kann zu innerem Frieden, zu Gelassenheit führen und vermag die Scham, zumindest an den Stellen zu mindern, wo sie unberechtigt ist.

Hier bei kommt den eigenen Glaubenssätzen eine übergroße Bedeutung zu. Was ich über mich denke, was ich glaube, bestimmt mein Verhalten und bestimmt weitestgehend auch, wie ich mich fühle. Gut über mich zu denken, lässt auch gute Gefühle in mir entstehen. Gute Gefühle wiederum finden in meinem Verhalten, in meinen Worten und Gesten Ausdruck. Sie wirken hinaus in die Gruppe und von von dort aus wieder auf mich zurück, ein anderer verstärkender Kreislauf, der ebenfalls dem Verbleib in der Gruppe und somit auch der eigenen Existenz dienlich ist.

Erröten Behandlung

Es gibt verschiedene Therapieansätze. So kann man dem übermäßigen Erröten mittels kognitiver Verhaltenstherapie, medikamentöser Therapie und sogar operativ begegnen, wobei die Psychotherapie wohl die geeignetste zu sein scheint.

Psyhotherapie

Mittels der kognitiven Verhaltenstherapie wird gezielt auf die seelischen Ursachen des Erröten eingegangen. Ungünstige Denk- und Fühlmuster werden benannt. In einem zweiten Schritt versucht man dann, zu alternativen Strikturen zu gelangen. Ein stetes Konfrontieren und Üben mit potentiell peinlichen Situationen führt dann irgendwann zu einem selbstbewussteren Umgang mit derlei Situationen.

Medikamente

Sogenannte Anxiolytika, angstlösende, beruhigende Medikamente scheinen zumindest eine vorübergehende Lösung zu bieten. Natürlich packen sie das Übel nicht bei der Wurzel, können aber auf dem Weg aus der Zurückgezogenheit durchaus hilfreich sein und sind manchmal unablässig, um den Betroffenen überhaupt erst einmal in die Lage zu versetzen, eine Psychotherapie in Angriff zu nehmen. Folgende Wirkstoffe haben eine angstlösende Wirkung:

Opipramol

Lorazepam
Diazepam
Alprazolam
Clonazepam
Oxazepam
Midazolam
Auch Präparate auf pflanzlicher Basis kommen zur Anwendung, wie etwa:
Baldrian
Lavendel
Passionsblume
Kamille
Johanniskraut

Entspannungsübungen

Entspannungsübungen können ebenfalls eine positive Wirkung auf das Selbsterleben ausüben und in verschiedener Form Anwendung finden:

Autogenes Training
Yoga
Meditation

Operation

In besonders schweren Fällen wird unter Umständen auch ein operativer Eingriff erwogen. Hierbei durchtrennt man dann den Nerv, der die Blutzufuhr zum Gesicht steuert, bzw. klemmt ihn ab.

Ich persönlich halte nichts von derlei Eingriffen und erwähne diese Methode hier ausdrücklich nur der Vollständigkeit halber. Aus meiner Sicht ist eine Psychotherapie das Mittel der Wahl.

Quellen zu „Erröten – Was kann man dagegen tun“

Wikipedia   Stern   Foto: clipdealer.com   Stand: 02.03.2017

depression und erröten

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