Ich bin nicht gut genug

nicht gut genugHast du auch manchmal das Gefühl: „Ich bin nicht gut genug!“? Kennst du das Gefühl, nicht ausreichend getan zu haben, dich nicht genug bemüht zu haben und doch hast du alles gegeben? Weißt du wie es sich anfühlt, wenn das Ziel vor deinen Augen wegzulaufen scheint und du strengst dich an und strengst dich an, aber irgendwo tief in dir spürst du schon, dass du es doch nie erreichst? Kennst du das?


Sich selbst der größte Kritiker

„Ich bin nicht gut genug!“ – Was ist das für ein Gefühl? Ist es ein Gefühl, bestehend aus Minderwertigkeit und Hoffnungslosigkeit? Ist es ein Gefühl aus Ohnmacht und Sinnlosigkeit? Ja, dann willkommen im Land der Depressionen! Zu jeder guten Depression gehören wohl solche Wahrnehmungen. Depressiver haben einen mächtigen inneren Kritiker. Wenn alles glatt läuft in meinem Leben, habe ich derlei Gefühle ganz sicher nicht. Aber gibt es Hemmnisse, Widerstände, läuft etwas schief, dann tut sich gleichsam die Erde unter mir auf und dieser schwarze Teufel mit seinem weiten dunklen Mantel steigt empor und überdeckt alles, was soeben noch hell und freundlich war.

Er legt sich über meine Wirklichkeit und letztlich auch über mich, denn ich bin meine Wirklichkeit, und macht mich unverzüglich glauben, die Welt und meine Möglichkeiten seien an dieser Stelle zu Ende. Und wieder einmal scheint sich zu bewahrheiten, was ich vermutlich schon seit Kindertagen weiß: Ich bin nicht gut genug.

Ein Gefühl aus Kindertagen

Wenn Kinder auf diese Welt kommen, können sie atmen, schreien, an der Brust trinken und sich die Hosen voll machen. Fast alles andere müssen sie mühsam erlernen, wie etwa sprechen, laufen, sich anzuziehen, sich zu waschen, Menschen zu verstehen und ihre Erwartungen und schließlich auch, wer sie selbst sind. Manchmal ist es so, dass sie zu viel Energie darauf verwenden, sich um die Bedürfnisse anderer zu bemühen und darüber vergessen, sich um ihre eigenen Belange ausreichend zu kümmern. Zum Beispiel tun Kinder alles dafür, die Liebe ihrer Eltern zu bekommen. Das ist zwar ihr Bedürfnis, um das sie sich hier gerade bemühen, eine Aussicht auf Erfüllung haben sie aber oftmals nur dann, wenn sie die Bedürfnisse ihrer Eltern erfüllen.

Sie strengen sich an

Normalerweise sollte diese Liebe ja unverdient sein, die Realität ist für viele Kinder in der Vergangenheit, der Gegenwart und der Zukunft aber leider eine andere. Sie strengen sich an, Mama und Papa zu gefallen und wenn das von Natur aus nicht klappt, beginnen sie, sich von sich selbst zu trennen. Sie beginnen, die erste Rolle in ihrem Leben zu spielen, die Rolle „Ich bin ein liebes Kind! Ich bin gehorsam und fleißig, bescheiden, leise, ordentlich und sauber!“ Später kommen andere Rollen dazu: „Ich bin ein beliebter Schüler“, „Ich bin ein beliebter Kollege“, „Ich bin ein beliebter Nachbar“, Ich bin ein gute Mutter/ein guter Vater“, „Ich bin ein guter Lebenspartner“. Die Rolle „Ich bin ein liebenswerter Mensch“ wird immer mehr zur Hauptrolle, nett zu sein, zahlt sich aus. Erste Erfolge stellen sich ein. Ja, wenn ich beliebt bin, dann habe ich ein gutes Leben…

Gefallen wollen – Eine Lebenslüge

„Ja, wenn ich den Menschen gefalle, dann bin ich auch ein guter Mensch.“ Welch eine Täuschung! Nicht wenn ich beliebt bin, habe ich ein gutes Leben, sondern wenn ich selbst mich und mein Leben liebe kann. Dazu bin ich aber gar nicht mehr in der Lage, wenn mein Blick ständig nach außen gerichtet ist. Dazu bin ich nicht in der Lage, wenn ich mein Leben damit verbringe, irgendwelche Rollen zu spielen, die irgendwem möglichst gefallen sollten. Dann nämlich habe ich längst vergessen, wer ich bin oder habe es vielleicht sogar nie heraus finden können.

Wer bin ich?

Immer beliebt zu sein, heißt irgendwo auch beliebig zu sein. Was ist das für eine Sache, wenn ich nur so oder so tun muss und dann bekomme, was ich will? Zunächst mag das verlockend aussehen. Aber am Ende geht es nur noch darum, dass ich bekomme, was ich will. Aber was will ich eigentlich? Wer bin ich überhaupt? Ich habe es vergessen… Es geht nur noch um Aufmerksamkeit und Bestätigung einer Persönlichkeit, die mir im Grunde genommen fremd ist.

Die Frage neu stellen

Die eigentliche Frage heißt also nicht: „Bin ich gut genug, genüge ich den Anforderungen des Lebens?“, sondern: „Bin ich mir selbst gut genug?“. Nicht die Erwartungen anderer zu erfüllen, macht mich wirklich glücklich, sondern dies mit meinen eigenen zu tun. Und wer könnte denn besser herausfinden, was mir fehlt, als ich selbst? Wer könnte am Ende besser für mich sorgen, als ich selbst? Wer könnte besser jene Sehnsucht stillen, von der ich vielleicht noch nicht einmal weiß, dass sie in mir wohnt, die mich aber schon heute umtreibt? Immer wenn die Überzeugung auftaucht: „Ich bin nicht gut genug?“, und das passiert womöglich gar nicht so selten, solltest du versuchen die Frage ein wenig umzuformulieren in ein: „Bin ich mir gut genug?“. Solch ein Vorgehen hätte gleich mehrerlei Vorteile.

Vorteile der Umformulierung

  1. Du musst dir darüber im Klaren werden, welche Bedürfnisse du selbst hast.
  2. Dir wird deutlich werden, wie du selbst mit dir umgehst.
  3. Du wirst erkennen, wie gut du bist und wirst dich schätzen lernen.
  4. Dadurch, dass du dich selbst besser kennen lernst, kannst du authentischer sein.
  5. Du wirst unabhängiger von Menschen, die deinen Hunger nach Anerkennung ausnutzen.
  6. So wirst du nicht länger fremdbestimmt leben müssen.
  7. Du lernst, dir selbst zu geben, wofür andere etwas haben wollen.
  8. Auch das, wonach du bislang vergeblich gesucht hast, lernst dir selbst auch das zu geben,
  9. Du findest deinen eigenen Weg und damit den Weg zu einem Leben in Freiheit.

Wer legt Maß an?

Die Liste ließe sich gewiss noch erweitern, aber die wesentlichen Vorteile einer Umformulierung meine ich, genannt zu haben. Ob jemand gut genug ist, hängt immer davon ab, wer das Maß hält. Bin ich gut genug für einen Weltrekord im Sprint? Nein, denn ich wiege 100 kg. Bin ich gut genug für einen Posten als Botschafter der Bundesrepublik Deutschland? Nein – Ich habe weder eine akademische Ausbildung, noch bin ich irgendeiner Fremdsprache mächtig. Bin ich gut genug als Nachbar, als Kollege, als Freund, als Partner? Wer hält da jedesmal das Maßband in der Hand? Ich finde es wird Zeit für mich, einmal eigene Maßstäbe anzulegen. Sich zu messen ist ja in Ordnung, sich zu vergleichen auch, doch aber erst, wenn man sich seines eigenen Wertes absolut bewusst ist. Sich messen zu lassen sollte nicht dem dienen, das eigene Selbstwertgefühl zu entwickeln, denn das wäre kein Selbstwert – es wäre ein Fremdwert.

Bin ich nun gut genug?

Auf jeden Fall bin ich das! Und du bist es auch! Das heißt ja nicht, dass das Leben nun schon zu Ende ist. Das heißt auch nicht, dass ich nicht noch dazu lernen darf, neue Erfahrungen machen werde und mich entwickeln kann. Ich bin gut genug. Das heißt nur, dass ich respektvoll und wertschätzend mit mir selbst umgehe, so wie ich mir wünsche, dass andere Menschen es auch mit mir tun. Doch wie sollten sie, wenn ich es selbst doch anders vorlebe? Niemand wird die Straßenschuhe auf meinem Teppich ausziehen, solange ich selbst in Arbeitsschuhen darauf herumlaufe. Niemand wird mich zum Freund haben wollen, wenn ich mir selbst nicht einmal Freund sein kann. Und niemand wird mir vertrauen, wenn ich selbst mir doch am wenigsten Vertrauen entgegen bringe.

Plötzlich zählen andere Dinge

Ob ich gut genug bin für andere hängt also eigentlich nur davon ab, ob ich auch gut genug bin für mich. Wenn das der Fall ist, interessiert es mich nämlich nicht, ob man mich als Botschafter für geeignet hält oder nicht. Es zählen nicht mehr länger die Menschen, von denen ich etwas haben will, sondern nur noch die, denen ich etwas geben möchte…

Quellen zu „Ich bin nicht gut genug“
Foto: clipdealer.de

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