Suizid – Am Ende der Alternativen

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Suizid und Depression gehören zusammen. Und so vermitteln depressive Menschen auch ohne Selbsttötungsabsicht das Gefühl, dass das Leben aus ihnen schon so gut wie gewichen sei. „Ich will sterben“ steht ihne nicht selten quasi auf der Stirn geschrieben. Umgangssprachlich reden wir sogar davon, dass jemand „am Ende“ ist. Aber dieser Zustand steht meiner Auffassung nach gar nicht für das Ende des Lebens, auch wenn das oft so gedeutet wird. Vielmehr markiert er einen, im wahrsten Sinne des Wortes,  not-wendigen Neuanfang. 


Jede Stunde ein Selbstmord

Es ist eine erschütternde Bilanz und nur allzu gerne schieben wir derlei Zahlen weit von uns weg. Aber jede Stunde stirbt ein Mensch allein in Deutschland aus purer Verzweiflung. Zehn- bis einhundertmal mehr Menschen versuchen es, scheitern aber oder werden gerettet. Suizidalität ist ein Thema, auch wenn wir das nicht wahrhaben wollen.

Man hätte helfen können

Menschen nahmen sich schon immer das Leben. Ich erinnere mich dessen bis in meine frühe Kindheit hinein. Zumeist hängten sie sich früher auf. Es hieß dann, dass sie nicht mehr weiter wussten. Von Depression war nicht die Rede. Kaum jemand hatte eine Ahnung davon, dass diese Menschen vermutlich sehr krank waren und man ihnen hätte helfen können. Auch heute noch bleiben viele Depressionen unerkannt, aus Scham, aufgrund des Nichtwahrhabenwollens, aus Unwissenheit, aus Gleichgültigkeit oder Angst. Es wird nicht über diese Menschen berichtet, wenn sie nicht gerade zu den Stars der Glamourgesellschaft zählten. Viele Tausend sind es jedes Jahr. Es ist eine bedrückende Wahrheit, eine zum Himmel schreiende Wahrheit, so dicht vor unseren Augen und doch sehen und hören wir kaum etwas…

Depressionen und Suizid – Statistik

Weltweit sind es etwa 3000 Menschen pro Tag, die im Verlaufe einer Depression den Suizid als letzte Möglichkeit sehen, ihren seelischen Qualen zu entkommen. Die Deutsche Depressionstatistik weist etwa zehntausend Suizide pro Jahr aus. Etwa 10-15 Prozent aller Depressiven wählen im Zuge ihrer psychischen Erkrankung den Freitod als Ausweg für ihr qualvolles Leben, auch heute noch. Es ist meiner Meinung nach nicht so, dass depressive Menschen grundsätzlich zum Selbstmord neigen. Es ist eher so, dass viele von ihnen sich einfach zu sehr erschöpft fühlen und nicht in der Lage sehen, ihre seelische Misere, ihre Depression, auf andere Weise zu beenden. Sie wollen eigentlich leben, sie wollen nicht sterben, aber sie können nicht mehr. Ihnen fehlt schlicht und ergreifend die Kraft, weiter zu gehen. Sie brechen zusammen unter der tonnenschweren Last ihrer unverarbeiteten Gefühle.

Mehr Selbsttötungen als Verkehrsunfälle

Auch heute noch kommen etwa dreimal soviel Menschen durch Selbsttötung ums Leben wie durch Verkehrsunfälle. In Deutschland haben sich nach Angaben des deutschen Ärzteblattes im Jahr 2010 knapp 7.500 Männer und etwas mehr als 2.500 Frauen das Leben genommen. Zum ersten Mal seit Jahren sei damit die Zahl der Suizide in Deutschland wieder angestiegen, sagte der Vorsitzende des Nationalen Suizidpräventionsprogramms, Armin Schmidtke, anlässlich des Weltsuizid­präventionstages.

Prävention geht alle an

Suizidprävention sei nicht nur Sache von Experten, nicht nur Sache des medizinischen Systems. Suizidprävention sei eine gesellschaftliche Aufgabe, betonte Schmidtke. Man müsse in Deutschland lernen, über die Prävention von Selbsttötungen zu sprechen, so wie es in anderen Ländern bereits geschehe. „In den USA reden die Lehrer mit ihren Schülern über dieses Thema. In Großbritannien werden in Clubs Flyer an Jugendlichen verteilt, die Informationen und Ratschläge enthalten“, so Schmidtke. Oft seien Suizid­gefährdete nämlich sogar froh, wenn sie auf ihre Selbstmordgedanken hin angesprochen würden.

Soweit eine Zusammenfassung des Beitrages. Den kompletten Originalartikel findest du hier: Deutsches Ärzteblatt

Suizidrate bei Männern – Männer müssen stark sein

Männer nehmen sich also deutlich öfter das Leben als Frauen. Das war wohl schon immer so. Es liegt vermutlich daran, dass Frauen sich eher Hilfe holen. Frauen sind eher in der Lage, sich eine „Schwäche“ einzugestehen, als Männer das können. Und die Depression wird Land auf Land ab leider noch immer viel zu oft als Schwäche gewertet. Zudem sind Männer von Grund auf aggressiver als Frauen und richten diese Aggressionen dann auch leichter gegen sich selbst. Ohne die Zahl der Selbstmorde bei Frauen verharmlosen zu wollen, sehe ich doch großes Potential bei der Suizidprävention von Männern. Es wird Zeit, dass die Gesellschaft ihr Männerbild überdenkt. Es wird Zeit, dass jeder Einzelne von uns das tut. Denn wir alle prägen dieses Bild, wie ein Mann zu sein hat.

Nutzlose Sprüche

Wir alle sind Eltern, Großeltern, Geschwister, Freunde, Nachbarn, Kollegen…. „Ein Mann muss stark sein! Ein Mann weint nicht! Ein richtiger Mann fürchtet sich nicht!“ Wir alle kennen diese Sprüche nur zu Genüge. Doch was tut man(n), wenn er sich doch einmal schwach und hilflos fühlt? Auf keinen Fall darf man das zeigen. Und so versteckt man es, so gut man kann. Und Männer können das gut. Sie sind, selbst wenn sie dabei dem Tod näher sind als dem Leben, sogar zu Höchstleistungen in der Lage (siehe Robert Enke).

Wir alle können etwas gegen Suizid tun

Wir alle können dazu beitragen, die Hürde sich Hilfe zu holen, etwas tiefer zu stellen. Indem wir selbst zu unseren Schwächen stehen, machen wir es auch anderen Menschen leichter, es ebenso zu tun. Indem wir es für uns selbst zulassen, auch seelischen Beistand in Anspruch zu nehmen, helfen wir mit, die Psychiatrie aus der Schamecke heraus zu holen. 10.000 Tote jedes Jahr! Das sind 10.000 Einzelschicksale, 10.000 menschliche Tragödien. Und es sind 10.000 zuviel. Machen wir uns deutlich, dass diese Zahl nur die „geglückten“ Suizide widerspiegelt.

Zahl der Suizidversuche deutlich höher

Die Zahl der Suizidversuche insgesamt dürfte nach Angaben der Uni Dresden weit über 100.000 liegen. Man geht davon aus, dass statistisch auf jeden erfolgreichen Suizid 10-100 Suizidversuche entfallen. Und machen wir uns klar, dass jeder Selbsttötungsversuch auch ein Hilferuf ist. Hinschauen statt wegsehen, schwierige Themen ansprechen, statt zu vermeiden – bei uns selbst und auch bei unseren Mitmenschen. Das alles kann helfen, es nicht so weit kommen zu lassen, dass Menschen keinen anderen Ausweg mehr wissen, als den Weg aus dem Leben nehmen.

Vorbeugen ist besser als heulen

Es gibt keinen Selbsttötungtrieb! Wenn ein Mensch soweit kommt, sich das Leben zu nehmen, dann muss vorher eine ganze Menge passiert sein. Und genau hier besteht die Chance, einzugreifen und zu helfen. Lassen wir nicht zu, dass Menschen Unrecht geschieht! Erlauben wir nicht, dass Kinder geschlagen werden! Mischen wir uns ein, wenn Menschen missbraucht werden! Die Welt da draußen kann nur besser werden, wenn die Welt in uns selbst besser wird. Helfen wir mit! Jeden Tag ist dazu Gelegenheit!

Die innere Haltung prüfen

Wir müssen keinen Menschen dazu ansprechen. Auch müssen wir keinen Menschen dazu anzeigen. Wir müssen niemanden belehren. Und wir müssen mit einer einzigen Ausnahme auch keinen Menschen verbessern. Denn wenn wir uns ändern, dann ändert sich auch die Welt um uns herum. Wenn wir unsere inneren Einstellungen und Glaubenssätze auf den Prüfstand stellen und fortan bewusster leben, dann wird es auch weniger Unrecht geben. Helfe jeder an seinem Ort, jeder für sich, so wird die gemeinsame Leistung immens sein und nehmen wir nicht länger stillschweigend hin, dass ein Suizid für einen Menschen die einzig bleibende Option ist…

Die Not wenden

Es gilt, die Not zu wenden. Der Suizid bei Menschen, die unter einer Depression leiden, ist nach Angaben der Bundesärztekammer tatsächlich dreißigmal höher als der Suizid in der durchschnittlichen Bevölkerung. In Deutschland nehmen sich jährlich etwa 10.000 Menschen das Leben. Das heißt, von den 10.000 Suiziden in unserem Land wird nur etwa 320 Mal Selbstmord von Menschen ausgeübt, die keinerlei depressiven Merkmale zeigen. Da liegt die Vermutung schon sehr nahe, dass auch diese 320 Suizide von Menschen begangen wurden, die unter einer Depression litten – wissentlich oder unwissentlich – vermutlich haben sie es gut verbergen können.

Suizid muss nicht sein

Die Depression sorgt durch ihre Dunkelheit und Hoffnungslosigkeit für eine gewisse Endzeitstimmung. Darum glaubt man allgemeinhin, sie stünde tatsächlich für das bevorstehende Ende des Lebens. Deshalb bringt man sie vermutlich auch noch leichter mit dem Suizid in Verbindung. Aber eigentlich ist dem nicht so. Die Depression steht zwar für ein Ende des Lebens, aber sie steht auch für einen Anfang. Die Depression ist eine Botschaft an den Betroffenen und seine Umwelt. SIe lautet: Ich will und kann so nicht weiter leben!“ Und dabei ist „so“ das alles entscheidende Wort. Die Seele schreit auf und setzt ein Stoppsignal. Sie zwingt den Menschen, die gewohnten Pfade zu verlassen und in Zukunft etwas anders zu machen.

Ein Neuanfang

Wenn wir dazu bereit sind, etwas zu ändern, haben wir eine gute Chance. Wir sollten einen Neuanfang wagen, dann nämlich ist die Depression eine einzigartige Chance auf ein zweites, erfülltes und glückliches Leben. Eine Depression läuft nicht zwangsläufig auf einen Suizid hinaus. Allerdings gibt es das nicht zum Nulltarif. Es kostet etwas. Mut und Durchhaltevermögen sind gefordert, aber vor allem kostet es als ersten Schritt eine Entscheidung gegen den Suizid. Als zweiten Schritt musst du dich bereit machen, dein bisheriges Leben aufzugeben. Das dürfte die schwierigste Aufgabe in diesem Prozess sein. Denn zunächst hast du nur das Gefühl, alles zu verlieren.

Dem Suizid etwas entgegen setzen

Wenn ein Mensch sein Leben lang etwas immer auf dieselbe Weise getan hat, dann fällt es ihm ungeheuer schwer, dies auf einmal nicht mehr so zu tun. Denk- und Verhaltensmuster sind in unserem Gehirn fest eingebrannt. Es sind quasi Schnellstraßen in unserem Kopf. Neue Denk- und Handlungsansätze hingegen kommen einem mit der Machete durch den Dschungel getriebenen Stolperweg gleich. Im Zuge der Therapie einer Depression müssen wir diesen neuen Weg mühsam erkämpfen und ihn dann auch immer wieder gehen, damit er sich austritt und nicht wieder zu wächst. Aber diese Art Suizidprävention lohnt sich allemal. Mit der Zeit wird der neue Weg dann leichter begehbar und irgendwann sind wir froh, dass wir jetzt eine Alternative zur Autobahn gewonnen haben.

Die Depression als Beginn oder der Suizid als Ende

Sind wir zu der Entscheidung bereit, aus der Depression etwas zu lernen, zeigen wir dem Suizid die rote Karte. Damit haben wir den ersten und wichtigsten Schritt in ein neues Leben bereits getan. Wenn wir dazu nicht in der Lage sind, wenn wir lieber an unserem alten Leben festhalten wollen, dann müssen wir auch ertragen, dass das alte Leben uns mit all seiner Last nieder drückt (lat.= deprimere). Dieser Druck der Depression kann tatsächlich so groß werden, dass wir keinen anderen Ausweg mehr sehen, uns nichts sehnlicher wünschen als den Tod. Es soll dann einfach nur vorbei sein. Was bleibt dann noch außer dem Wunsch nach einem Ende?

Investition in die Zukunft

In welche Richtung es weiter gehen soll, Suizid oder Neubeginn, können und müssen wir allein entscheiden. Alle, die in solch einer Lebensphase stecken, möchte ich jedoch dazu ermutigen, diese Entscheidung gegen den Suizid zu treffen. Auch wenn du das jetzt nicht fühlen kannst: Es lohnt sich! Wenn dir momentan nichts einfällt, wofür es sich noch zu leben lohnt, dann solltest du einmal einen Blick auf folgenden Beitrag werfen: Warum weiterleben? Betrachte deine Entscheidung für das Leben und gegen den Suizid als eine gute Investition in die Zukunft. Schließe ab, mit dem was du verloren hast und richte deinen Blick auf das, was du noch alles dazu gewinnen kannst. Ich für meinen Teil habe mich für das Leben entschieden – Suizid adé – und ich habe es nicht bereut.

Quellen zu Suizid bei Depression
Deutsches Ärzteblatt     Foto: clipdealer.de

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