Depression Liebeskummer und Beziehung
Liebeskummer. Wer kennt das nicht? Es ist dieses unbeschreiblich starke Gefühl, das dich zu zerreißen droht. Nichts scheint mehr zu gehen. Alles dreht sich nur noch um den drohenden oder entstandenen Verlust. Die Betroffenen scheinen deprimiert. Aber handelt es sich beim Liebeskummer auch tatsächlich um eine Art der Depression? Diesem Thema widmet sich heute Ole Anderson als Verfasser des nachfolgenden Gastbeitrages im Blog „Was ist Depression“. Herzlichen Dank an den Autor!
Wenn eine Beziehung auseinander geht
Wenn eine Beziehung auseinander geht, ist es nachvollziehbar und völlig normal, dass sich insbesondere die oder der Verlassene deprimiert und verunsichert fühlt. Aber wo ist die Grenze zwischen normaler Trauer über das Verlassen-werden und klinischer Depression?
Nicht jeder, der die Erfahrung einer Trennung macht, bekommt tatsächliche Depressionen und „Liebeskummerbedingte Depressionen” zählen im Augenblick noch nicht zu den klinisch erfassbaren Formen von Depression. Tatsache ist jedoch, dass die Gefühle nach einer Trennung denen einer echten Depression verblüffend ähnlich sind: Sie reichen von Trauer – oftmals verstärkt durch eine verringerte Selbstachtung – bis hin zu Suizidgedanken.
Dabei sind Trauer über den Verlust und Ärger über den Ex-Partner/die Ex-Partnerin als Reaktionen auf den Zusammenbruch einer Beziehung normale und im Sinne einer Überwindung des Liebeskummers auch gute Reaktionen, doch wenn es um eine Beziehung geht, kommen noch andere Faktoren ins Spiel: Beschämung, geringe Selbstachtung, unkontrollierbare Stimmungsschwankungen und selbstquälende Gedanken: Man überlegt sich, ob alles anders gekommen wäre, wenn man sich die Haare gefärbt oder Stiefel statt hoher Absätze getragen hätte. Das Maß, wie sehr man mit sich selbst in Konflikt geraten kann, ist groß. Um diesen Schmerz schnell zu verringern, wollen nicht wenige einfach den oder die Ex zurückgewinnen.
Interessante Ergebnisse aus dem Gehirnscanner
Eine echte Depression hat jedoch eine ganz andere Qualität: Sie bezeichnet eine emotionale Erschöpfung, bei der der Patient zu geschwächt ist, um etwas dagegen zu unternehmen.
Gehirnscanner-Tests mit Leuten, die in der Liebe Ablehnung erfahren hatten, lieferten Erklärungen dafür, dass es liebeskummerbedingte Depressionen sehr wohl geben kann, auch wenn diese der Psychologie noch nicht zugänglich sind.
So findet sich im Gehirn von Personen mit gebrochenem Herzen eine sehr ungünstige Kombination von Hinweisen auf intensive, unerwiderte Liebesgefühle, heftiges Verlangen und stark empfundenen psychischen Leidensdruck.
Ist es Traurigkeit oder Depression?
Auch wenn in der psychologischen Fachliteratur ein gebrochenes Herz nicht ausdrücklich als Auslöser für Depressionen genannt wird, zählen dort „einschneidende Änderungen und bedeutende Stressfaktoren wie der Tod oder Verlust eines geliebten Menschen oder der Verlust der Arbeitsstelle“ sehr wohl zu den Lebensereignissen, die Depressionen verursachen können. Ebenso wie andere, weniger offensichtliche Faktoren, die zu Identitäts- oder Selbstachtungsverlust führen können. All das trifft auch auf den Trennungsschmerz ebenfalls zu.
Denn selbstverständlich kann der Zusammenbruch einer Beziehung zu Identitäts- oder Selbstachtungsverlust führen – insbesondere bei jungen Leuten und insbesondere wenn es sich um die erste große Liebe gehandelt hatte. Die erste Liebe und das erste Mal hat eine ganz besondere Bedeutung: Man ist weniger erfahren, dafür aber unsicherer und verletzlicher. Und ganz sicher bedeutet die erste Liebe größere Intensität und auch einen größeren Verlust. Das heißt jedoch nicht, dass jeder Liebeskummer in jungen Jahren zu Depressionen führen muss.
Wann liegt also eine behandlungswürdige Depression vor und wann ‚nur‘ ein ganz normaler Liebeskummer, der mit der Zeit vergeht. Genau daran – an der Zeit – machen viele Therapeuten die Unterscheidung fest: Wenn Gefühle von extremer Traurigkeit oder Verzweiflung länger als zwei – vier Wochen anhalten und mit den Aktivitäten des täglichen Lebens, wie z.B. Arbeiten oder sogar Essen und Schlafen, in Konflikt geraten, wenn die Betroffenen sich zunehmend hilf- und hoffnungslos fühlen und im Extremfall sogar mit Todes- oder Selbstmordgedanken spielen, sprechen sie von ‚echter Depression‘.
Behandlung
Wenn es sich nach dieser Definition bzw. laut Diagnose um eine echte Depression handelt, stellt sich die Frage, wie diese behandelt werden soll. Immerhin handelt es sich um eine Krankheit, die es in der psychologischen Fachliteratur technisch gesehen gar nicht gibt?
In der Regel begleiten Therapeuten solche Patienten durch ihren Kummer, indem sie ihnen einfach zuhören und sie zu Aktivitäten, wie Schreiben, Reden oder der Schaffung eines Rituals anhalten. Dadurch helfen sie ihnen, die eigenen emotionalen Reaktionen auf die Trennung zu bewältigen. Es geht dabei darum herauszufinden, worüber Verlassene eigentlich böse oder traurig sind und ihnen so zu helfen, die Beziehung und den Grund für ihr Scheitern realistisch zu sehen.
Wenn dabei das Anfangsstadium überwunden ist, kann man anfangen darüber zu reden, was schief gegangen ist und was der Patient/die Patientin daraus lernen kann, um es in zukünftigen Beziehungen besser zu machen. Erst wenn diese Maßnahmen auch nach Wochen nicht zu einer Besserung führen, sollten Patienten tatsächlich im Bezug auf eine Depression auch medikamentös behandelt werden.
Über den Autor
Ole Andersen ist Dipl. Sozialpädagoge mit den Schwerpunkten Psychologie und Beratung. Seit 2008 beschäftigt er sich im Rahmen des Beraterteams insbesondere mit der Frage, wann es sinnvoll ist, die oder den Ex zurückgewinnen zu wollen und wann man nach einer Trennung besser neue Wege gehen sollte.
Quellen zu „Depression Liebeskummer und Beziehung“
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