Gefühllosigkeit und seelische Leiden

gefühllosigkeit

Gefühle und Gefühllosigkeit – ein schwieriges Thema. Schon Gesunde haben so ihre Probleme damit, offen mit Gefühlen umzugehen, ihre Gefühle zuzulassen und zu ihnen zu stehen als etwas, das zu ihnen gehört. Depressive Menschen haben es hier aber besonders schwer, denn es sind ihre Affekte = Gefühle, an denen sie erkrankten. Zuviel Gefühl, zu wenig Gefühl, gar kein Gefühl, selten ist es richtig, selten ist es angenehm. Es ist ein langwieriger und mühsamer Prozess, sich seinen Gefühlen zu stellen, die Verdrängungen aufzuheben, die „verbotenen“ Gefühle wieder zu erlauben und Ja zu sagen zu den eigenen Gefühlen. Es hat jedoch seinen Sinn, dass depressive Menschen oft gar nichts mehr fühlen können, es gibt aber auch einen Weg da hinaus.


Gefühle – ein schwieriges Thema für Depressive

Ich habe Schwierigkeiten, mich meinen Gefühlen zu stellen, geschweige denn, sie anderen Menschen mitzuteilen. Das geht nicht nur mir so. Von depressiv Erkrankten ist allgemeinhin bekannt, dass sie besonders unter einem Gefühl der Leere, dem Gefühl der Gefühllosigkeit leiden. Wir sind dann nicht mehr in der Lage, unsere Gefühle wahrzunehmen. Freude oder Trauer werden zur Teilnahmslosigkeit, Angst zur Gleichgültigkeit. Liebe zu empfinden ist uns ebenso verwehrt, wie Liebe zu verschenken. Diese Gefühllosigkeit ist nicht immer gleich stark ausgeprägt und zeigt zu verschieden Zeiten verschiedene Muster. In tiefen Krisen kann es jedoch sein, dass ich tatsächlich von all meinen Gefühlen abgeschnitten bin. Dann herrscht neben Teilnahmslosigkeit, Gleichgültigkeit und Lieblosigkeit vor allem Hoffnungslosigkeit und Sinnlosigkeit vor.

Stumpf und leblos

Ich kann dann keine Gefühle mehr empfinden und beschreibe meinen Zustand, als stumpf und leblos, wie abgetötet zu sein. Ich fühle mich nicht nur abgetrennt von meinen eigenen Gefühlen, sondern abgetrennt von der ganzen Welt. Es ist, wie in einer Kugel aus Panzerglas zu sitzen, die den Gesetzen der Schwerkraft nicht mehr gehorcht. Sie dreht sich nicht mehr mit der Erde mit – sie steht fest – die Erde aber dreht sich weiter. Alles zieht an mir vorbei, doch ich bin nicht mehr Teil der Welt. Ich nehme noch wahr, aber es berührt mich nicht, es ist nicht meine Sache.

Gefühllosigkeit als Ruheraum

Der Zustand der inneren Leere ist dabei Ausdruck einer totalen Überforderung. Die vorhandenen Kräfte reichen schlicht und einfach nicht mehr aus. Man könnte auch von einer Art „Notbremse“ sprechen, die der Körper gezogen hat. Jetzt sollen keine Eindrücke von außen die ohnehin gebeutelte Seele belasten. Alles ist abgeschirmt. Zur Ruhe kommen ist nun angesagt. So dramatisch sich das alles anhört und für Betroffene und Angehörige auch wirklich ist – es ist irgendwie auch ein genialer Selbstheilungsversuch des Körpers. Wenn wir durch unser Bewusstsein nicht mehr in der Lage sind, unsere Bedürfnisse wahrzunehmen und zu erfüllen, wenn wir permanent unsere eigenen Grenzen übertreten und vor allem zulassen, dass andere dies tun, dann können wir unser Leben nicht mehr ausreichend schützen – dann sind wir dem Tod geweiht.

Letzter Halt

Die Depression ist sozusagen die letzte Haltestelle vor dem Ende des Lebens. Die letzte Möglichkeit, aus dem in den Abgrund rasenden Zug auszusteigen und den Berg nach einer Phase der Erholung langsam wieder hinauf zu kraxeln.

Depression und Gefühle wieder erlernen

Schwierig wird es allerdings, wenn sich nach Verlassen des Zuges die Verbindung zu den eigenen Gefühlen nicht so recht wieder einstellen will. Bei mir ist es die Angst, die zuletzt geht und zuerst wieder kommt. Leider verhindert die Angst während des Genesungsprozesses vielfach die Zulassung der anderen Gefühle. Es ist vor allem die Angst vor neuen seelischen Verletzungen, die diesen isolierten Gemütszustand aufrecht erhält. Aber vielleicht bin ich auch einfach nur zu ungeduldig und es ist gut, dass die Angst mich noch schützt? Ich erlebe in letzter Zeit zunehmend, dass ich mich wieder verletzlich zeigen kann.

Vertrauen kann wachsen

Ich erlebe, dass es Menschen gibt, die eben nicht meine Grenzen überschreiten. Ich entblöße ihnen mein Herz, so dass es ihnen ein Leichtes wäre , hineinstoßen zu können, aber sie tun es nicht. Sie tun es nicht, obschon sie mitunter allen Grund dazu hätten. Sie tun es vermutlich nicht, weil ich mich entschließ, mich ihnen zu öffnen, mich verletzlich zu zeigen. Und was jetzt passiert, ist etwas Wunderbares – es entsteht Vertrauen. Ein kleines Pflänzchen noch, aber wunderschön anzusehen. Durch dieses neu entstandene Vertrauen zu einzelnen Menschen wächst auch gleichzeitig mein Vertrauen in Welt und mein Vertrauen in mich, mein Selbstvertrauen.

Depression und das Ende der Leere

Ich habe gelernt: Mein Selbstvertrauen hat auch etwas mit „Trau dich“ zu tun. Aber such dir die Menschen gut aus, such sie dir sehr gut aus! Beginne mit denen, die dich lieben, die zu dir gehalten haben, auf welche Weise auch immer und wenn es nur war, dass sie dich weiter in ihrem Herzen trugen. Fühlen kann wieder erlernt werden. Dich wieder zu öffnen, ist eine Entscheidung, die du selbst treffen musst, wenn die Zeit dafür reif ist.

Diese Entscheidung ist der Schlüssel für die Tür, auf dessen Namensschild  „Leben“ zu lesen sein wird.

Quellen zu Gefühle und Gefühllosigkeit bei Depression
Foto: Lisa Spreckelmeyer / pixelio.de

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