Gefühle unterdrücken
Fast jeder von uns kennt das. Etwas tritt in dein Bewusstsein und plötzlich bricht es aus dir heraus. Du scheinst nicht mehr Herr deiner Gefühle zu sein. Es übermannt dich. Es ist überstark. Du fühlst dich völlig überrumpelt und ringst nach Luft. Gefühle können so heftig sein, dass sie uns gleichsam in die Knie zwingen. Sie nehmen dann für den Augenblick unsere gesamte Wahrnehmungsfähigkeit in Beschlag. Es scheint dann nur noch dieses eine starke Gefühl zu existieren. Und womöglich ist das Thema „Gefühle unterdrücken“ dann auch dein Thema…
Starke positive und negative Gefühle
Handelt es sich bei dem starken Gefühl um Freude, beispielsweise um Wiedersehensfreude, um Liebe oder Dankbarkeit, erleben wir zwar auch stark, haben aber kein Problem damit, so zu fühlen. Ganz anders sieht es aber aus, wenn es sich um negative Gefühle handelt, Gefühle die für uns schmerzhaft oder zumindest unangenehm sind. Hiermit haben wir zumeist ein richtiges Problem. Wir glauben, diese Gefühle nicht aushalten zu können und wollen sie am liebsten gleich wieder abschalten, hinunterschlucken, abwürgen. Gefühle unterdrücken kann jeder. Das haben wir schon als Kind gelernt.
Trigger für starke Gefühlsregung
Manchmal werden solche Gefühle durch konkrete Situationen in uns hervorgerufen. Zum Beispiel, wenn uns jemand, der uns nahe steht, verletzt. Oder es passiert, wenn wir einen Menschen verloren haben, der uns viel bedeutete. Manchmal reicht es aber auch aus, dass wir mit unserer Erinnerung zurück gehen zu solchen oder ähnlichen Ereignissen. Es ist dann, als erlebten wir das längst Geschehene erneut in diesem Moment. Oftmals ist dies so bei Erfahrungen, die wir bislang nicht gut in unser Leben integrieren konnten, Erfahrungen mit denen wir uns einfach nicht abfinden können. Mitunter reicht sogar eine ähnliche Situation, ein ähnliches Gesicht, eine ähnliche Bewegung, ein ähnliches Geräusch, ein ähnlicher Geruch oder dasselbe Datum aus, uns gefühlsmäßig in die damalige Situation zurück zu versetzen. Die Psychologen nennen das Triggern. Ein kleiner Impuls von außen, der Trigger, der eigentlich gar nichts mit dem Erlebten zu tun hat, setzt etwas schier Mächtiges in uns in Gang.
Heftige Gefühle unterdrücken
Heftige Gefühle lassen gern auch einmal die Tränen fließen. Was jedoch viele nicht wissen: Tränen sind nicht unbedingt nur ein Ausdruck von Traurigkeit. Oftmals sind es auch Gefühle wie Wut, Scham, Sehnsucht oder Freude, die uns das Wasser in die Augen schießen lassen. Wenn die Seele überläuft, rollen die Tränen. Wir sind außer uns. Wir möchten uns am liebsten die Seele aus dem Leib schreien. Der Schmerz durchfährt unseren gesamten Körper und scheint uns erstarren lassen zu wollen. Wir sehen uns dann außerstande, irgendeinen klaren Gedanken zu fassen, noch sehen wir uns imstande, etwas gegen die Übermacht dieses Gefühls zu tun. Dennoch versuchen wir es zumeist. Wir schlucken hinunter, versuchen unsere Tränen zu unterdrücken. Schreie lassen wir schon gar nicht zu. Wir kämpfen, denn wir müssen jetzt stark sein, glauben wir. So haben wir das gelernt. Gerade heftige Gefühlsregungen werden auch besonders heftig unterdrückt.
Kampf gegen starke Gemütsregung
„Ein Indianer kennt keinen Schmerz! Sei ein Mann! Stell dich nicht so an! Sei nicht so ein Weichei! Du Heulsuse! Da braucht man doch nicht zu weinen!“ usw. Vermutlich kennst du all diese Sprüche nur zu Genüge. Wir kämpfen also. Um jeden Preis wollen wir stark sein. Wir kämpfen gegen unser eigenes Gefühl und damit, ohne es zu bemerken, gegen uns selbst. Auf diese Weise sorgen wir dafür, dass es irgendwann wiederkommen wird – in einer ähnlichen Situation, zu einem ähnlichen Zeitpunkt. Es wird irgendwann wiederkommen, vermutlich genau dann, wenn wir es am wenigsten gebrauchen können.
Gefühle lassen sich nicht wegmachen
Wir sind nicht stark, wenn wir uns selbst abwürgen. Stark sind wir auch nicht, wenn wir unserem Gefühl aus dem Weg zu gehen versuchen. Wir können nicht wirklich vor unseren eigenen Gefühlen weglaufen. Wenn wir Gefühle unterdrücken, machen wir sie ja nicht wirklich weg. Wir unterdrücken sie lediglich. Wohin wir auch gehen – alles was uns belastet, nehmen wir jeweils auch mit. Ebenso nehmen wir unsere Stärken mit, unsere Schwächen, unsere Fähigkeiten, unsere Erfahrungen, aber eben auch unsere Ängste und Sorgen, unsere Wut und Trauer, unsere Scham und unsere Enttäuschung.
Die Angst vor dem Schmerz
Meist ist es nicht der Schmerz, durch ein Gefühl vermittelt, der uns gerade unaushaltbar scheint. Meistens ist es die Angst vor diesem Schmerz. Die Angst vor etwas lässt das eigentliche Ereignis oftmals viel dramatischer und extremer daher kommen, als es in Wirklichkeit ist. Das eigentliche Gefühl wäre vielleicht gar nicht so heftig, wird aber eben verstärkt durch die Angst, die wir davor haben. Im allgemeinen halten wir nicht viel von unseren „negativen“ Gefühlen, deshalb bezeichnen wir sie ja auch so. Obschon wir da einem nicht unwesentlichen Denkfehler aufgesessen sind. Alle Gefühle, die wir kennen, sind uns nämlich von Nutzen. Ausnahmslos alle Gefühle sind unsere Diener. Sie zeigen uns an, was wir gerade brauchen.
Gefühlsleere ist schlimmer als Schmerz
So schrecklich es sein mag, Schmerzen fühlen zu müssen, ist es doch um ein vielfaches schrecklicher, gar nichts fühlen zu können. Nichts fühlen zu können bedeutet, keine Bedürfnisse zu haben. Nichts fühlen zu können bedeutet auch, der Sehnsucht nach dem Leben enthoben zu sein. Das Fühlen macht uns menschlich. Jedem Gefühl liegt ein Bedürfnis zu Grunde. Anstatt sich auf den Schrecken eines schmerzhaften Gefühls zu fixieren, könnte es hilfreich sein, sich einfach einmal auf dieses Gefühl einzulassen, gleichsam hinein zu fühlen. Kein echtes Gefühl bleibt auf Dauer, sobald du dich ihm stellst. Wenn wir Gefühle unterdrücken, können wir soweit gar nicht erst kommen.
Starke Gefühlsregung liebevoll anschauen
Wenn du dir einmal Zeit nimmst für dich und dieses Gefühl und versuchst, möglichst tief darin zu versinken, dir sagst: Hier bin ich, jetzt habe ich Zeit für dich! – dann wird es nicht lange dauern und dein Gefühl wird beginnen, wieder abzuebben. Schließlich hat es erreicht, was es wollte. Es hat nun deine Aufmerksamkeit bekommen. Da wäre es doch sinnlos, noch weiter wie wild umher zu toben. Du hast es bemerkt und du hast es zugelassen. Und ganz nebenbei sparst du dir auch noch die Kraft, die du brauchst, unangenehme Gefühle zu unterdrücken.
Gefühle sind deine Diener
Du hast dein Gefühl angenommen und damit hast du dich selbst angenommen. Nichts weiter will deine Seele. Du sollst Gefühle nicht unterdrücken. du sollst lernen, mit ihnen umzugehen. Gefühle wollen, dass du gut für dich sorgst. Heftige Gefühle zeigen an, dass das dahinter liegende Bedürfnis groß oder dringend ist. Du hast jetzt die Möglichkeit, Entscheidungen zu treffen und zu handeln. Du hast jetzt die Möglichkeit, für das zu sorgen, was dir fehlt. Danke deinem Gefühl, dass es dich darauf aufmerksam gemacht hat! Und behandle deine Gefühle fortan mit Respekt und mit Liebe, denn sie sind zu deinem Besten da. Schicke sie nicht weg und wimmle sie niemals ab, wenn sie dich aufsuchen. Nimm dir Zeit für sie und heiße sie willkommen. Stark bist du nicht, wenn du deine Tränen zu unterdrücken vermagst. Wirklich stark bist du, wenn du zu dir und deinen Gefühlen stehen kannst.
Quelle zu „Starke Gefühle unterdrücken“
Foto: Jules Jordison / pixelio.de