Brauchen Depressive Glück?

Glück
Menschen wollen glücklich sein.

In unserer modernen Wohlstandsgesellschaft sind wir daran gewöhnt, alles was wir brauchen, auch kaufen zu können. Dabei fallen die Angebote meist reichlicher aus als die Bedürfnisse. Aus diesem Grund versucht die Werbung auch, immer wieder neue Bedürfnisse in uns zu wecken, Nachfrage nach Produkten und Dienstleistungen zu generieren, die wir nicht wirklich brauchen, aber dann doch glauben, haben zu müssen. Kaufen macht glücklich – jedenfalls für den Moment.

Was wir aber eigentlich kaufen, ist ein Gefühl. Wäre es nur die 13. Handtasche oder die siebte Armbanduhr und hätten wir nicht dieses unglaubliche Glücksgefühl beim Erwerb, würde unser Interesse an diesen Gegenständen wohl eher gering ausfallen. So gesehen können wir Glück auch kaufen. Es gibt aber noch andere Arten, an Glück zu kommen. Glück kann einem passieren, für Glück kann man aber auch etwas tun. Warum aber haben depressive Menschen scheinbar so wenig Glück? Warum straft sie das Leben so dermaßen ab, dass ihnen nicht selten die Lust daran vergeht?


Glück Definition

Die Gedanken um das Glück führen mich zu der fast schon philosophischen Frage: Was ist Glück überhaupt? Gibt es eine allgemein gültige Definition des Glücks? 

Das Wort „Glück“ taucht im deutschen Sprachraum als Begriff erstmals im 12. Jahrhundert auf und stammt aus dem Niederdeutschen. Es wird dort als „Gelucke“ beschrieben, was soviel bedeutet, als das etwas ein gutes Ende nimmt. Diese Bedeutung des Wortes kennen wir noch heute, wenn wir davon sprechen, das beispielsweise Verhandlungen oder bestimmte Vorhaben geglückt sind.

Der Begriff des Glücks in seiner aktuellen Bedeutung geht aber noch weit über diese Beschreibung hinaus. Glück ist zum einen ein momentanes Gefühl, also eher etwas Flüchtiges, Glück kann aber auch ein Grundgefühl, ein Lebensgefühl sein.

Momentane Glückgefühle

Momentane Glücksgefühle kennen wir alle. Sie resultieren zum Beispiel aus der Wiedersehensfreude, einem erreichten Sieg, einem leckeren Essen, gutem Sex, einem Lächeln, einem Geschenk, einer Selbstbelohnung, einer gelungenen Arbeit und anderem. Momentane Glücksgefühle sind die Schmankerl des Tages, die Augenblicke, die wir gern festhalten würden, aber nicht können und deshalb immer wieder auf’s Neue danach streben (müssen).

Glückliches Grundgefühl

Von einem glücklichen Grundgefühl sprechen wir, wenn die positiven Gefühle in uns in der Überzahl sind. Ist dies der Fall, sind wir im Großen und Ganzen mit unserem Leben zufrieden und schätzen uns glücklich. Im Gegenzug fühlen wir uns unglücklich, wenn die negativen Gefühle in uns überwiegen.

Platon, ein griechischer Philosoph (428 v. Chr. bis etwa 348 v. Chr.) beschreibt das grundlegende Glücksgefühl folgendermaßen: Die menschliche Seele hat drei Teile: Die Vernunft, den Willen und das Begehren. Nach Platons Meinung kann ein Mensch nur dann glücklich sein, wenn alle drei Teile sich in einem Gleichgewicht befinden, gleichsam miteinander befreundet sind und sich nicht gegenseitig widersprechen.

Glück muss man haben

Das Glück kann einem aber auch einfach nur passieren. „Glück gehabt!“, sagen wir nach solchen Ereignissen. So etwa, wenn wir im Lotto gewinnen, den Zug nur deshalb noch erreichen, weil er Verspätung hat, einen alten Freund wieder treffen, der Angler einen Fisch fängt, wir trotz drohenden Gewitters trocken nach Hause kommen, wir auf ein Sonderangebot zulaufen und das letzte Exemplar erwischen, sich ein Kinderwunsch erfüllt, jemand stürzt, sich aber nicht verletzt… 

All dies nennen wir Glück und wenn wir es auch als solches wahrnehmen können, dann beschert es uns kurzfristig auch tatsächlich Glücksgefühle.

Glück – Alles nur Chemie?

Biochemisch bedeutet Glück das Vorhandensein bestimmter Botenstoffe im Gehirn, genauer gesagt im limbischen System. Das limbische System wird auch das emotionale Gehirn genannt, also der Teil, der für die Verarbeitung von Gefühlen zuständig ist.

Neurobiologisch betrachtet sind Glücksgefühle eigentlich nichts anderes als elektrische Impulse. Es sind Informationen, die im Gehirn übertragen werden, übertragen werden müssen, damit wir Glück überhaupt empfinden können. Was die Glücksimpulse dann auslösen, ist wiederum von Person zu Person verschieden. Während dem einen vor Glück die Tränen kommen, bricht ein anderer vielleicht in Jubel aus. Wie im einzelnen Glück empfunden wird, hängt im wesentlichen von den Botenstoffen Dopamin, Serotonin, Noradrenalin, den Endorphinen und deren Zusammensetzung bzw. Verteilung ab. Auch das Bindungshormon Oxytocin spielt beim Thema Glück eine bedeutende Rolle, denn Bindungen an Menschen die wir lieben, machen uns glücklich.

Was Menschen glücklich macht

Jetzt wird es kompliziert, denn es mag Übereinstimmungen geben in der Auflistung von Beispielen, die Menschen glücklich machen, es ist aber ebenso möglich, dass ein und derselbe Umstand den einen Menschen glücklich, einen anderen wiederum unglücklich macht. Glück ist etwas sehr Persönliches, wie etwa Gerechtigkeit oder Freude.

Nehmen wir zum Beispiel die Geburt eines Kindes. Es kann sich hierbei um ein Wunschkind handeln oder um eine ungewollte Schwangerschaft. Entsprechend verschieden dürften sich hier auch die Gefühle einstellen. Oder nehmen wir die Glücksgefühle eines Anglers, die ein Nichtangler ganz und gar nicht nachvollziehen kann. Ebenso verhält es sich mit Fußballfans und Fußballmuffeln, Gartenfreunden und solchen Menschen, die es schon nervt, wenn sie den Rasen mähen müssen. Während sich der eine Rasenbesitzer freut, wenn sich gelbe Butterblumen in das Grün seines Rasens mischen, treibt es dem anderen den Ärger unter die Mütze und sofort rückt er dem „Unkraut“ mir schwerem Gerät zu Leibe.

Glück ist individuell

Es gibt Menschen, die macht ihre Arbeit glücklich und andere wiederum macht genau dieselbe Arbeit krank. Die Vorstellung vom Glück scheint also höchst individuell zu sein, ebenso wie die Situationen, in denen wir Glück empfinden können.

Befragt nach dem, was sie zu ihrem Glück brauchen, antworten die meisten Menschen wohl mit „Gesundheit“. Ich glaube jedoch, dass dies eine erlernte Antwort ist. Es ist eine Antwort, die der Kopf gibt, nicht das Herz. Ich glaube, man kann auch als kranker Mensch glücklich sein, ebenso wie viele Gesunde dennoch unglücklich sind. Für mich ist Gesundheit etwas Selbstverständliches. Gesundheit macht mich nicht glücklich, maximal dankbar, wenn ich es mir bewusst mache. Sonst müsste es mich auch glücklich machen, dass ich zwei Arme habe, dass ich nicht blind bin oder taub. Das ist aber nicht der Fall. Das ist für mich normal.

Dennoch antworten so viele Menschen mit dem Begriff Gesundheit. Warum ist das so? Vermutlich weil es dem Antwortenden so etwas wie Bescheidenheit, Dankbarkeit und Bewusstheit verleiht. Es lässt ihn zufrieden und weise erscheinen. Aber ist er das auch? In Wirklichkeit will er doch nur nicht preisgeben, was ihn glücklich machte. Vielleicht schämt er sich dafür, vielleicht hat er aber auch schon lange nicht mehr darüber nachgedacht? 

Ist Glück erlernbar?

Die einen Menschen sind glücklich, die anderen nicht. Was aber unterscheidet sie? Aus meiner Sicht gehören zum Glück Bedürfnisse auf der einen Seite und deren Erfüllung auf der anderen. Menschen fühlen sich glücklich, wenn sie sich ihre Bedürfnisse erfüllen können. Es kommt hierbei nach meiner Auffassung auf den Vorgang des Erfüllens an, nicht auf die Erfülltheit. Menschen die alles haben, aber keine Wünsche mehr, können sogar eine tiefe innere Leere empfinden. Menschen, die keine Wünsche und Sehnsüchte mehr haben, haben aufgehört zu leben, sagen wir.

Wir Menschen brauchen immer den Kontrast. Schwerlich nur können wir schätzen, was immer da ist. Wir nehmen es nach einer Zeit einfach nicht mehr wahr. Unser Gehirn ist darauf programmiert, Abweichungen zu detektieren. Darin sind wir gut. Bedürfnisse zeigen auch Abweichungen an. Bedürfnisse sind nicht zu unterschätzende Glücksvorboten. Deshalb ist es so wichtig, die eigenen Bedürfnisse auch wahrzunehmen. Ein Bedürfnis äußert sich immer in einem Gefühl, aber Gefühle sind flüchtig. Wenn immer etwas anderes gerade wichtiger ist, als das eigene Verlangen, dann missachte ich mich und meine Bedürfnisse.

Was brauche ich zum Glücklichsein

Eigentlich muss man das Glücklichsein nicht lernen. Eigentlich sind wir mit allem ausgestattet, ein glückliches Leben führen zu können. Wohl aber können wir das Glücklichsein verlernen. Gerade psychisch Kranke haben es im Laufe ihres Lebens verlernt, auf sich selbst zu achten, die eigenen Bedürfnisse wahrzunehmen und an die erste Stelle in ihrem Leben zu setzen. Sie fühlen sich verantwortlich für ihren Partner, ihre Kinder, ihre Eltern, ihre Kollegen, Nachbarn und Freunde, die Ozonschicht und die Folgen der Globalisierung. Überall dort übernehmen sie Verantwortung, wo alle anderen es nicht sofort tun. Sie bringen sich vorbildhaft ein in unsere Gesellschaft, aber sie vergessen sich selbst viel zu oft.

Dabei nehmen kaum mehr wahr, was sie selbst zu einem glücklichen Leben bräuchten. Sie fühlen sich überlastet, überfordert und ausgelaugt. Die Antwort auf so ein Leben heißt bestenfalls Burnout, Depression oder Angststörung oder aber auch, Krebs, Herzinfarkt, Schlaganfall oder oder oder… In dieser Phase des Lebens sehen die Menschen nicht mehr, was sie tun. Sie können es nicht sehen. Sie glauben, so wäre eben ihr Leben. „Irgendeiner muss das ja tun!“, sagen sie, womit sie zunächst auch recht haben. Doch haben sie etwas sehr Wichtiges vergessen: An erster Stelle stehen sie selbst und ihr Wohlbefinden! Und aus dieser Position heraus könnten sie noch viel besser all die wunderbaren Dinge für die Gesellschaft tun, die sie tun. Verlassen sie aber diese wichtige Position, sind sie bald selbst verloren. Diese Menschen müssen tatsächlich das Glücklichsein wieder lernen. Eine Psychotherapie bietet hier auf verschiedene Weise Hilfe an.

Glück Erfolg Reichtum

„Glück ist Bedürfnislosigkeit.“ Dass Glück tatsächlich Bedürfnislosigkeit bedeute, kann ich allerdings noch nicht uneingeschränkt vertreten. Wohl aber kenne ich diesen glücklichen Zustand auch als einen Zustand, in dem es mir gerade an nichts fehlt. Deshalb finde ich mich in diesem Satz tatsächlich auch wieder. Immer wieder einmal sind mir solche oder ähnliche Sätze bei meinen Recherchen begegnet. Tatsächlich ist diese Sichtweise schon recht alt. Die Aussage wurzelt in der kynischen Lehre und entstammt somit der antiken Philosophie.

Der als „Diogenes in der Tonne“ bekannte Diogenes von Sinope war einer der ersten Vertreter der kynischen Lehre. Da für Kyniker weder verschiedene Traditionen noch wechselnde Bedürfnisse wahrhaft ethische Normen formen können, formulierten sie Bedürfnislosigkeit und Natürlichkeit zu einem ihrer Hauptziele. Sie wandten sich unter anderem auch gegen eine kulturell begründete Scham wie sie etwa bei Nacktheit auftritt. Ebenso vertraten sie die Ansicht, dass Besitz und Reichtum dem Glück eher im Wege stünde, als es zu fördern.

Bedürfnisse gehören zum Leben

Allerdings habe ich mich auch schon unter ganz anderen Bedingungen bedürfnislos gefühlt. Als ich in diversen depressiven Episoden mich immer mehr in mich selbst zurück zog, hatte ich auch keine Bedürfnisse. Ich erinnere mich, dass es mir gleichgültig war, dass man mich auf Station einschloss. Da gab es kein Verlangen nach Freiheit, ein Verlangen, das normalerweise eine große Bedeutung in meinem Leben hat. Ich hatte nicht einmal mehr Verlangen nach dem Leben – keine Freude, keine Hoffnung, keine Wünsche, wollte nur noch, dass es möglichst geräuschlos zu Ende geht mit mir.

Deshalb glaube ich nicht, dass Bedürfnislosigkeit zwangsläufig zum Glücklichsein führt, aber es kann ein Weg sein. Buddistische Mönche beispielsweise gehen diesen Weg oder auch christliche Ordensschwestern und -brüder. Für mich gehören Bedürfnisse zum Leben dazu und ich finde es schön, dass ich welche habe. Nur in starker Ausprägung, in Form von Gier oder leidenschaftlichem Habenwollen etwa, stehen sie meinem Glück eher im Wege, denke ich.

Glück ist eine Entscheidung

Glück ist der Sinn des Lebens. Das sieht selbst der Dalai Lama so. Alle Menschen streben danach. Glück beflügelt uns und macht das Leben lebenswert. Wo mein Fokus liegt, dort nehme ich wahr. Richte ich meine Aufmerksamkeit auf die Dinge, die nicht so gut laufen in meinem Leben, werde ich hauptsächlich die Dinge wahrnehmen, die nicht so gut laufen in meinem Leben. Die Folge davon ist, dass ich mich unglücklich fühle. Richte ich hingegen meine Aufmerksamkeit, auf die Dinge, die mich glücklich machen, werde ich hauptsächlich diese Dinge wahrnehmen.

Allein Glück zu haben im Leben, reicht jedoch noch nicht aus, sich auch glücklich zu fühlen. Man muss auch willens und in der Lage sein, sein Glück wahrzunehmen. Glück hat also sehr viel mit der eigenen Wahrnehmung zu tun, der Wahrnehmung von Bedürfnissen auf der einen Seite und der Wahrnehmung der Erfüllung dieser Bedürfnisse auf der anderen Seite. Glück ist insofern auch eine Lebensentscheidung! Menschen die glücklich sein wollen und dies auch aus tiefstem Herzen, die werden auch glücklich.

Menschen die sich nur mit ihrem Unglück beschäftigen, ob sie ihr Unglück akzeptieren oder nicht, werden auch nur ihr Unglück wahrnehmen, denn dafür haben sie sich entschieden. Das Gute daran ist: Man kann Entscheidungen jeden Tag neu treffen. Wenn auch du findest, dass du jetzt lange genug unglücklich warst, dann entscheide dich ab sofort für das Glück, für dein Glück! Denn da wo du mit deiner Aufmerksamkeit hingehst, wirst du auch fündig werden! 

Viel Glück!

Quellen zu Glück
Wikipedia   Focus 
Foto: Petra Hegewald / pixelio.de 

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