Aggression und was dahinter steckt

aggression aggressiv bei depressionMan mag es nicht glauben, gelten depressive Menschen doch gemeinhin als schwach und in sich zurückgezogen, auf jeden Fall nicht als aggressiv. Das wäre ja eine Form von Lebendigkeit. Wieso also will man jetzt offenbar Depression und Aggression in Zusammenhang bringen? Aber gerade bei Männern, hat man herausgefunden, kann sich die Depression auf diese eher unvermutete Art und Weise äußern. Andauernde Gereiztheit, leichte Verletzbarkeit, Angst – all das sind Attribute, die zur Depression gehören und Aggressionen fördern können. Hinter jeder Aggressivität steckt im Grunde genommen auch nur eine Angst. Richtig kompliziert wird es aber oft erst dadurch, dass die Betroffenen selbst sich ihre Aggressionen verbieten, sie unterdrücken, verdrängen, wie auch immer. Auf diese Weise verstärken sie ihre Depression und sie verstärken auch ihre latente Aggressionen.


Depression und Feindseligkeit – Ich bin doch nicht aggressiv!!!!!

Eigentlich hatte ich mir vorgenommen, hier und jetzt über Depression, Aggression und Wut zu schreiben, aber ehe ich überhaupt einen Satz darüber zu Papier oder besser an den Monitor brachte, war ich schon unzählige Male aufgestanden und wieder weg gegangen. Ich hatte etwas gegessen, war auf der Toilette, habe die Katzen gefüttert und habe mich wieder an den Schreibtisch gesetzt, um schnell nochmal etwas zu googeln, habe einen Termin im Kalender überprüft, der mir gerade einfiel, und kehrte jedes Mal zurück an meine Tastatur, zu meinem Thema: Depression und Aggression sowie Wut. Nur geschrieben habe ich nichts. Also habe ich mich noch einmal zurückgelehnt, um mir die eine Frage zu stellen: Was hat das, was hier gerade passiert, mit mir zu tun? Warum drücke ich mich offenbar vor diesem wichtigen Thema? Was macht es mir so schwer, einen Anfang beim Thema Wut und Aggressivität zu finden?

Und wahrlich, obwohl ich oder gerade weil ich voller Wut und aggressiver Gefühle bin, habe ich ein sehr gespaltenes Verhältnis zu diesen Gefühlen. Man darf doch nicht aggressiv sein! Wer aggressiv ist, ist gefährlich! Wer aggressiv ist, hat seine Gefühle nicht im Griff! Obwohl ich voller Wut und Aggressivität bin, wirke ich nach außen im Allgemeinen ruhig und gefasst. Niemand soll offenbar merken, dass ich aggressiv bin, vor allem ich selbst möchte nichts davon spüren und im Allgemeinen klappt das auch recht gut. Ein Selbstbetrug par excellence – Realitätsverlust vom Feinsten. Wenn wie hier Selbst- und Fremdwahrnehmung so eklatant auseinander klaffen, sind a) die Probleme in Beziehung zu anderen Menschen vorprogrammiert und b) eine Heilung der Depression fast ausgeschlossen.

Depression und Aggression – Evolution

Habe ich also meine Gefühle gut im Griff? Ich denke: Nein! Denn könnte ich meine Aggressionen regulieren, bräuchte ich ja nicht so viel davon in mir aufstauen, gleichsam wie in einem Kessel, in dem man Dampf erzeugt. Aggressionen heben den Adrenalinspiegel an und machen für den Augenblick Höchstleistungen möglich. Was aber, wenn diese bereitstehende Leistung nicht abgerufen wird? Wozu ist sie dann gut? Adrenalin lässt sich nur durch Bewegung abbauen. Warum also still halten? Ich glaube, wir Menschen haben gelernt, dass Aggressionen zwar ehrlich sind, aber oft nicht so schnell zum Erfolg führen, wie Angepasstheit.

In der Evolutionsgeschichte haben sich jeweils die Individuen durchgesetzt, die am besten angepasst waren. Eine Tatsache, die sich die Menschen schon seit langer Zeit zu Nutze machen. Ausgelebte Aggressivität endet hingegen für einen der Kontrahenten oft tödlich. Also, wie sollen wir nun sein? Aggressiv und ehrlich oder kontrolliert und taktierend? Ich denke, Aggressionen zu haben ist gut – sie zu kontrollieren auch. Sie aber ganz weg zu machen, schadet uns selbst, sie unkontrolliert auszuleben auch und womöglich noch anderen Menschen.

Was ist Aggression?

Unter Aggression versteht man unter anderem ein in zumindest allen Säugetieren verankertes Verhaltensmuster zur Bewältigung gefährlicher Situationen. Aggression, könnte man mit Feindseligkeit übersetzen, mit Angriffslust, mit dem Willen zur Vorangehen. Sie wird vor allem benötigt, um Konkurrenzsituationen zu klären. Dabei geht es meist um Nahrung und Vermehrung bzw. um ein Territorium, was man aber wiederum auf Nahrung und Vermehrung ableiten kann. Bei uns Menschen wird Aggression meist durch Gefühle wie Macht, Neid, Gier, Angst, Ärger oder Schmerz hervorgerufen. Wie Aggressionen dann jedoch ihren Ausdruck finden, ist in hohem Maße von den jeweiligen gesellschaftlichen Umständen und sozialen Normen abhängig. Im Kontext einer depressiven Episode sind Depressionen nach innen gerichtete Aggressionen. Es gibt keine Depression ohne Aggression.

Depression und Aggression – Wo ist die Verbindung?

In der öffentlichen Diskussion wird die Aggression durchaus nicht ausschließlich negativ bewertet. So bedeutet das Wort Aggression (lat. aggressio) so viel wie sich nähern, angreifen oder heran schreiten. Die Aggression steht damit im Gegensatz zur Passivität, einem Symptom der Depression. Man hat nachgewiesen, dass aggressive Menschen einen deutlich verringerten Serotoninspiegel haben. Was für ein Zufall? Ist das nicht auch bei uns Depressiven ein Symptom? Im Grunde genommen halte ich Wut und Aggressionen für eine gute Sache. Wenn einen nämlich etwas nieder drückt, man also deprimiert ist, dann hat man, genau wie in Gefahrensituationen, drei Möglichkeiten: Flucht, Angriff oder sich tot zu stellen. Beim depressiven Verhaltensmuster wird meist die Flucht nach innen, bzw. das Totstellen beobachtet.

Damit liefert man sich aber der jeweiligen Situation völlig aus und ist nicht mehr in der Lage, etwas zu verändern. Wut und Aggression bedeuten hier: sich zu wehren, Grenzen zu setzen, das Problem anzugehen. Aktiv zu werden, sich selbst wahrzunehmen, stellt meines Erachtens eine gute Alternative zum Mir-ist-alles-egal-Modus dar. Kontrollierte Aggression stärkt das Ego und wirkt so der Depression entgegen, behaupte ich. Wut und Aggressionen, die darauf abzielen sich einen Vorteil auf Kosten anderer zu verschaffen oder Aggressionen, deren einziges Ziel es ist, dem Anderen Schaden zuzufügen, lehne ich allerdings ab.

Wut und Aggression zur Gefahrenabwehr und zur Selbstbehauptung, richtig eingesetzt und ehrlich damit umgegangen, halte ich hingegen für ein adäquates Mittel zur Lebensbewältigung.

Quellen zu Depression und Aggression
Foto:  Kunstzirkus  / pixelio.de
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