Wiederkehrende Depressionen – Lidia und die verlorene Illusion

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Wiederkehrende Depressionen – Eine mystische Welt

Lidia ist Fünfunddreißig und hat wiederkehrende Depressionen. Die Fachwelt spricht hier von rezidivierender Depression. Es ist nicht das erste Mal, dass sie von ihren Dämonen heimgesucht wird, doch diesmal ist alles anders. Es ist ihr, als sei sie durch eine geheimnisvolle Tür gegangen. Die Tür fiel hinter ihr ins Schloss und an der ihr nun zugewandten Seite gibt es nun keine Klinke mehr. Lidia erzählt aus ihrem Leben und was die Depression mit ihr machte…


Es ist nicht alles Sonnenschein

Ich bin 35 und seit meinem 24. Lebensjahr habe ich immer wiederkehrende Depressionen. Seit meinem 27. Lebensjahr mache ich Therapien, erst eine Verhaltenstherapie, nun eine tiefenpsychologische Gesprächstherapie. Es ist auch keineswegs so, dass ich nur unglücklich bin oder keine Erfolge zu verzeichnen habe. Viel eher bin ich, wenn ich nicht im tiefen Tal der Depression stecke, ein Sonnenschein, ein sich selbst, seiner Wirkung und seiner Macht bewusster Mensch und ich habe auch einen Freundeskreis und einen Arbeitsplatz, der mir relativ gut gefällt (also beides).

Aber anscheinend ist nicht alles Sonnenschein, sonst hätte ich ja diese Einbrüche nicht, die meist ein halbes Jahr dauern… grad aktuell ist es seit Ende Dezember wieder soweit. Und diesmal hat es eine andere Qualität. Während ich mich früher eher gedankenkreisend um ein und dasselbe Thema aufgehalten habe und mich immer wieder versucht habe abzulenken, und selbstverständlich ständig Rückschläge einstecken musste, ist es nun so, dass ich in einer Art Dauer-Depression stecke.

Ein anderer Blick

Ich merke dass ich mir vorgemacht habe, ich wäre stark und selbstbewusst. Zum ersten Mal erkenne ich meine Schwächen, z.B. dass ich gerne träume und idealisiere und gleichzeitig ist es aber so, dass das Idealisieren meine Welt ausgemacht hat und nun gibt es ohne meine Idealisierung nichts mehr. Ich sehe die Welt so wie sie ist – ohne Schein und was ich sehe, macht keine Freude. Ich wünsche mir nichts sehnlicher als wieder in den Zustand der Idealisierung zurückkehren zu können, ich gäbe grade alles dafür. Aber der Weg ist nun weg – es gibt ihn nicht mehr. Es ist so als ob mir jemand etwas genommen hätte.

Vom Kopf her weiß ich, dass das bestimmt gut ist. Alle sagen ja auch dass Träumerei und Idealisierung kindliche Mechanismen sind, um die Seele vor Verletzungen zu schützen. Meinetwegen ist das so. Aber während ich diese Worte schreibe, muss ich weinen, weil ich mir denke wie sehr ich mir trotzdem wünsche, die Welt und die Menschen wieder wie bis vor 3 Monaten idealisieren zu können.

Keine Medikamente

Mein Therapeut sagt, dass das eine Zwischenphase ist, die aber seit Anfang des Jahres von Schlafstörungen und Fressattacken begleitet ist. Ich habe das Gefühl, dass sich das alles in mir festbeisst und ich keine Wahl habe als ein verbitterter Mensch zu werden, der die Welt nun so sieht wie sie ist und sich damit abgefunden hat, dass es keinen Zauber und keine Träumerei gibt.

Mein Therapeut hat schon angeboten, ob wir nicht mit Antidepressiva arbeiten sollen, aber das lehne ich kategorisch ab. Ich habe so was einmal für 4 Monate genommen, ich weiß dass es hilft, aber ich weiß, dass ich die ganze Zeit das Gefühl hatte, dass mir etwas vorgemacht wird, von dem ich genau weiß dass das nicht stimmt. Rückblickend war das Einnehmen der Antidepressiva psychisch die anstrengendste Zeit meines Lebens, weil ich mir immer bewusst war, dass mein relatives Entspanntsein durch Tabletten herbeigeführt wurde und ich war unendlich dankbar, als ich wieder frei davon war.

Nur ein Zwischenschritt

Ich bin ein Mensch, der sich immer selbst hinterfragt, der nicht die Verantwortung den Umständen oder den Menschen abgibt, sondern alles bei sich selbst verortet. Ich suche nach Erfahrungen, die mich meiner Selbst näher führen und ich gerate dabei immer wieder in Situationen, die mich so stark überfordern, dass ich in Depressionen abgleite und mich komplett aus allem rausziehe und keine Freude am Leben mehr habe. So wie derzeit.

Was ich jetzt wieder daraus lernen soll, erschließt sich mir nicht und ich versuche zu akzeptieren, dass das Leben einfach nur einsam, traurig und vor allem realistisch zu sein hat und nicht idealisiert werden darf… Allein dieser Gedanke lässt mich schaudern. Aber ich scheine derzeit keine Wahl zu haben als das zu akzeptieren. Dass mich das in meinem gesamten Sein verändert, muss nicht näher beschrieben werden. Das muss ich dann wohl auch akzeptieren, denn zurück kann ich nicht. Ich finde den Weg nicht. Aber laut meinem Therapeuten ist das ein Zwischenschritt.

Also – an alle da draußen: Wenn ihr euch grad da befindet, ihr seid nicht allein.

Wir schaffen das schon.

Lidia

Quellen zu „Wiederkehrende Depressionen – Lidia und die verloren gegangene Illusion“
Foto: pixabay.com

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