Trennung wegen Depression

Trennung Depression

Sie ist oft zu beobachten, die Trennung wegen Depression. Ist sie auch die Lösung?

Was die Überschrift hier so plakativ andeutet, scheint sich im Leben depressiver Menschen tatsächlich zu bewahrheiten. Aber wieso ist das so? Weshalb kann ich mit Depressionen scheinbar keine erfüllte Beziehung führen? Wieso habe ich ständig den Eindruck, dass mir mein Leben wie Sand durch die Finger rinnt? Trennung wegen Depression – Es passiert offenbar einfach, ich kann es nicht aufhalten. Was muss ich ändern, damit sich hier etwas ändern kann? Depression – Trennung – Ein Teufelskreis?


Im Schmerz der Trennung begegnest du auch deiner inneren Trennung, begegnest deinem Von-dir-selbst-Verlassensein.  (Benno Blues)

Trennungsgedanken

Die Depression ist für mich ein Zeichen von Veränderung, dringend nötiger Veränderung. Das Leben, das ich bislang lebte, war nicht immer gut für mich. Das wollte ich natürlich nicht hören und so habe ich nicht mehr hin gehört. Ich habe sie überhört, die vielen Anzeichen, die mir meine Seele sendete, anfangs über Gedanken und Gefühle später über meinen Körper. Ich wollte das nicht hören! Irgendwann habe ich es dann nicht mehr gehört. Irgendwann bin ich erfolgreich taub geworden auf diesem Ohr. Nun hatte ich es geschafft! Nun konnte ich endlich so leben, wie ich glaubte, dass es gut wäre zu leben. Endlich konnte ich so leben, wie meine Erziehung durch Elternhaus, Schule, Kirche, Staat und Gesellschaft es mir eingetrichtert hatten. Die mussten es ja auch wissen. Die hatten ja schließlich mehr Erfahrung als ich.

Ich wollte mich trennen

Heute sollte ich es wissen. Heute bin ich Anfang Fünfzig und habe die Erfahrung, meine Erfahrung. Ich habe viel gelernt in meinem Leben. Was ich aber nicht lernte, war auf mich selbst zu achten, wahrzunehmen, was mein Herz mir zu sagen hat. Ich habe von außen nach innen gelebt. Ich habe mich stets an äußeren Vorgaben oder anderen Menschen orientiert, immer in dem Glauben, das Leben funktioniere so. Doch das war ein Irrtum, eine Sackgasse, an deren Ende ich im Januar 2007 stand, keinen Ausweg mehr sah und Trennungsgedanken hegte. Ich wollte mich trennen, von meiner Frau, von meinen Kindern, von meinem Leben…. von mir selbst hatte ich mich schon längst getrennt.

Trennung vom Partner

In guter Tradition versuchte ich mein neues Problem – die Diagnose Depression – von außen zu lösen. Ich nahm Tabletten, machte diverse Psychotherapien, trennte mich von meiner damaligen Frau und auch mehrmals von der danach, immer in dem Glauben, wenn sich die äußeren Bedingungen verbessern, würde auch meine Depression verschwinden. Nun ist es sicher richtig gewesen, in Situationen der Überforderung für Entlastung zu sorgen, doch eine Depression lässt so nicht heilen. Eine Depression ist eine innere Krankheit, eine Krankheit der Seele. Vielleicht ist es ja auch gar keine Krankheit, sondern ein gesunder Mechanismus?

Die Gesellschaft will überleben

Vielleicht haben wir Menschen die Depression nur deshalb zur Krankheit erklärt, weil wir unser merkwürdiges Gesellschaftssystem, in dem Leistung und Wohlstand mehr zählen als Liebe, Vergebung und Menschlichkeit nicht in Frage stellen wollen? Was soll man denn freilich auch  machen mit Abweichlern? Was soll geschehen mit den Menschen, die nicht täglich zehn und mehr Stunden auf irgendeiner Arbeitsstelle irgendetwas tun wollen, was ihr Chef ihnen aufdrückt? Wenn Menschen, die lieber mehr Zeit mit ihrer Familie oder ihren Freunden verbringen würden oder mit sich selbst, wohin kämen wir denn dann? Eine Gesellschaft wie unsere muss, wenn sie nicht zerfallen will, solche Exemplare des Homo sapiens aussortieren und mit dem Label „krank“ oder „asozial“ versehen und genau dies tut sie erfolgreich.

Die Norm

Es gibt kein dazwischen. Entweder du funktionierst zu einhundert Prozent oder besser noch zu einhundertfünfzig oder du fällst heraus aus der Norm. Und wer aus der gesellschaftlichen Norm fällt, der ist nun einmal nicht normal. Vielleicht ist ja auch die gesellschaftliche Norm einmal in Frage zu stellen? Tief in uns wissen wir doch alle, dass es nicht gut ist, wie wir leben und mit unseren Ressourcen umgehen. Wir beuten die Erde aus und wir beuten uns Menschen aus, einer den anderen und jeder auch sich selbst. Eigentlich müssten viel mehr Menschen eine Depression bekommen, oder? Aber die Zahlen steigen ja schon jährlich, trotz besserer Medikamente, trotz intensiver Forschung, trotz immer besser werdender psychotherapeutischer Angebote. Die Zahlen steigen – und das weltweit.

Heilung nicht in Sicht

All die gut gemeinten Hilfsangebote, die ein Sozialwesen eines dritten Jahrtausends bieten kann, können eine Depression lindern und das tun sie in meinem Fall auch. Sie tun dies mittlerweile schon viele Jahre lang, aber sie vermögen die Depression nicht zu heilen. Und obwohl alle Welt mir zu suggerieren versucht, dass auf diese Weise eine Heilung möglich sei, bin ich davon immer noch nicht überzeugt.

Die Depression steht für Veränderung

Meine Depression kam durch eine von mir befürchtete Trennung ans Tageslicht. Ein Umstand, der mich seinerzeit völlig überforderte. Dabei hat sich meine Frau gar nicht trennen wollen. Sie wollte eine Veränderung. Aber das wollte ich nicht. Alles sollte so bleiben wie es war. Bloß nichts ändern! Ich war schon lange depressiv, ohne es zu wissen, und zog meine Kreise zu jener Zeit schon immer kleiner, gab dies und das auf und erhoffte mir von jeder auch noch so kleinen Entlastung ein besseres Leben, das aber nie eintrat. In meinem Fall führte die Depression zur Trennung. Eine Trennung, die sicher schon früher angesagt gewesen wäre. Aber ein treusorgender katholischer Ehemann, der trennt sich nicht, niemals! Am Ende hat er sich doch getrennt und der alterwürdigen Kirche auch gleich noch den Rücken gekehrt.

Trennung wegen Depression – Depression wegen Trennung

Auch diese Aktion sollte mich entlasten, tat es aber nicht. Die Trennungsphase bis hin zur Scheidung brachte neue, bis dahin für mich ungekannte Belastungen mit sich. Das Loch, in das ich fiel, war deutlich tiefer als das, dem ich gerade entstiegen schien. Es änderte sich alles. Mein ganzes Leben geriet aus den Fugen. Bei mir führte die Depression zur Trennung. In anderen Fällen führt die Depression zur Trennung. Nicht dass es den Paaren an gegenseitiger Liebe fehle, es ist meist einfach nicht mehr genügend Kraft da. Beide Seiten sind schlicht und ergreifend überfordert mit der Depression, dem Partner und sich selbst, am meisten vermutlich mit sich selbst, aber auf diesem Ohr sind wir ja taub. Also ist es der andere. Das ist doch viel einfacher.

Ist Trennung eine Lösung für die Depression?

Jeder versteht es. Jeder hat Verständnis, also muss es wohl so richtig sein? Auch ich verstehe es, wenn Paare sich trennen. Das Leben ist doch dazu da, es schön zu machen und nicht, sich selbst und gegenseitig zu zerfleischen. Aber ist es die Lösung für die Depression? Es ist eine Veränderung im Außen. An der Depression ändert sich nichts.

Es ändert sich nichts

Und so können wir viel verändern in unserem Leben. Wir können die Arbeitsstelle wechseln oder aufgeben. Wir können den Partner wechseln oder uns entschließen als Single weiter zu leben. Auch können wir uns eine neue Wohnung suchen oder einen neuen Wohnort. Wir können sogar auswandern. Doch egal was wir auch tun und wohin wir gehen, unsere Probleme nehmen wir stets mit. So sehr wir auch die äußeren Bedingungen verändern, ändert sich doch nichts in uns. Bis auf das Auswandern habe ich alles exerziert, mit eher magerem Erfolg. Ich nehme noch immer jeden Tag meine Dröhnung Cymbalta und den Verstärker Lithium. Ich komme noch immer nicht ohne Antidepressiva aus. Es gibt Phasen, da geht es mir gut. Aber es gibt auch immer noch Phasen, da denke ich über mein Leben nach, also eigentlich eher über die Sinnlosigkeit meines Lebens.

Mein Leben hat sich total verändert seit jener Nacht im Januar 2007, aber in mir selbst halten sich die Veränderungen noch immer eher in Grenzen.

Bin ich mir selbst ein guter Partner?

Die Depression will Veränderung, aber sie will keine Veränderung im Außen. Die Depression will, dass ich mich ändere. Ich glaube, wenn ich die folgenden Fragen eines Tages alle mit Ja beantworten kann, dann brauche ich die Depression nicht mehr. Dann habe ich mich geändert. Dann bin ich wirklich geheilt und unabhängig von Antidepressiva.

14-Punkte Plan Depression – Fragenkatalog

    1. Mag ich mich?
    1. Finde ich mich gut?
    1. Glaube ich an mich?
    1. Finde ich mich schön?
    1. Finde ich mich liebenswert?
    2. Bin ich bereit, zu vergeben?
    1. Bin ich bereit, die Schuld nicht mehr länger bei anderen zu suchen?
    1. Weiß ich, was ich mir vom Leben wünsche und bin ich bereit, etwas dafür zu tun?
    2. Bin ich bereit, die Verantwortung für mein Leben zu übernehmen?
    1. Bin ich bereit, mir zu geben, was ich bislang draußen suchte, wie Anerkennung, Bestätigung und Liebe?
    1. Ist es mir möglich, wieder mehr nach innen zu hören, auf das was mein Herz mir sagt und danach zu handeln?
    1. Bin ich bereit, gut für mich zu sorgen, meinen Körper und meine Seele zu verwöhnen und darauf zu achten, dass alles im Gleichgewicht ist?
    1. Bin ich bereit, anderen Menschen grundsätzlich mit Liebe zu begegnen?
  1. Kann ich auch mit Liebe auf die Welt zu sehen?

Wenn ich so hinein fühle in diese Aufzählung gut gemeinter Vorsätze und jeden Punkt für sich auf mich wirken lasse, dann entfaltet sich jetzt schon eine gewisse Kraft in mir. Es fühlt sich gut an, gibt mir Hoffnung und Selbstvertrauen, was dort geschrieben steht. Wenn ich eines Tages alle Fragen mit Ja beantworten kann, dann sage ich endlich Ja zu mir und Ja zum Leben, wie auch immer es sein mag. Und bis dahin ist jedes einzelne Ja ein Erfolg und Grund genug zum Feiern.

Quellen zu „Trennung wegen Depression“
Foto: birgitH / pixelio.de

Trennung und Depression

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