Seelenschmerz – Der Schmerz der ganzen Welt

Seelenschmerz und Depression

Seelenschmerz ist nicht banal – Er kostete schon Millionen Menschen das Leben

Kannst du ihn fühlen, den Schmerz anderer Menschen? Reibt es dich auf, Ungerechtigkeit, Unaufrichtigkeit, Gemeinheit, Gewalt, Hass oder Missgunst in der Welt wahrzunehmen? Wie sehr beeinflusst diese Wahrnehmung dein Lebensgefühl? Der Schmerz der Welt kann sehr erdrückend sein, lähmend, Ohnmacht auslösend. Der Schmerz der Welt kann mein Schmerz sein, zu meinem Lebensgefühl werden. Wieso ist das so? Weshalb kann ich nicht frei meinen Weg gehen? Warum werde ich immer wieder gefangen genommen im Leid anderer Menschen? Leiden unter Seelenschmerz und was das mitunter mit der Depression zu tun hat, damit beschäftigt sich der nachfolgende Beitrag.


Gedanken über den Seelenschmerz

Allen Schmerz der Welt möchte ich in eine Schale legen, alles Leid, alle Ungerechtigkeit, alle Beschämung, alle Lieblosigkeit, allen Hass und allen Missbrauch. Alle Schuld möchte ich dort hinein tun, alle Verletzung, alles Wegsehen, alle Lieblosigkeit. Alles was ich davon in mir trage, möchte in diese Schale tun. Möge sich jeder dann nehmen, was seins ist, wofür er Verantwortung trägt. Und möge ich mir nehmen, wofür ich Verantwortung trage und auf diese Weise heilen, was anders nicht heil werden kann.

Alles Gute der Welt möchte ich ebenso behandeln. Mag jeder hinzu tun, wozu er in der Lage und was er gern zu geben bereit ist.

Ich weiß, ich kann die Welt nicht verändern, kann nicht stoppen den Schmerz. Aber vielleicht ist das auch gut so. Denn vermochte ich dies, vermochte ich auch, dass das Gute aufhören könnte, das Hoffnungsvolle, von Liebe getragene, all das, wo sich Menschen in Würde begegnen. Könnte ich dies, könnte es jeder andere auch. Und darum ist es wohl gut so, wie es ist, gut so, dass die Verantwortung verteilt ist auf alle Menschen und jeder seinen Teil allein nur wahrnehmen kann. Und für meinen Seelenschmerz muss ich jetzt die Verantwortung übernehmen.

Mitgefühl und der Schmerz der Welt

Ich kenne Menschen, die haben soviel Mitgefühl, dass sie regelrecht leiden unter den Zuständen dieser Welt. Es tut mir weh, zu sehen wie sehr sie sich verantwortlich fühlen für die erste Schale, wie sehr diese hinein wirkt in ihr Leben und es immer wieder schwer macht. Dies war auch mit ein Grund, weshalb ich mir Gedanken über den Weltschmerz machte. Aber einfach alles so hinnehmen? Sollte das die Lösung sein? Akzeptanz ist sicher gut, denn Akzeptanz hat zunächst etwas mit Wahrnehmung zu tun, mit Hinsehen. Aber was dann? Es muss doch weitergehen! Wir können doch nicht tatenlos zusehen, wenn Böses geschieht, oder? Aber wo überall sollen wir eingreifen, wo überall uns einbringen, einmischen und vor allem, wo zuerst?

Vielleicht sollten wir das Böse der Welt bekämpfen, indem wir es zuerst in uns selbst bekämpfen? Ist es nicht besser, zuerst vor der eigenen Tür kehren? Da ist sicher etwas dran. Ich glaube aber nicht, das dies gelingt, denn das Böse ist, auch wenn wir das nicht gern hören mögen, ein Teil von uns. Wir würden gegen uns selbst arbeiten und neuen Seelenschmerz hervor bringen, den Schmerz der inneren Trennung. Wir würden vielleicht sogar blind werden für das eigene Böse und so völlig die Kontrolle darüber verlieren. Folgende kleine Geschichte kommt mir hierzu in den Sinn:

Die zwei Wölfe in mir

Ein alter Indianer sprach eines  Tages mit seinem Enkelsohn über das Leben.

„In mir wütet ein Streit“, sagte der Mann zu dem Jungen. „Ein heftiger Streit ist es, der da in mir tobt, ein Kampf zwischen zwei Wölfen. Der eine Wolf ist schlecht. Er besteht aus Wut, Gier, Neid, Größenwahn, Verachtung, Eifersucht, Lüge, Selbstgefälligkeit, Zorn, Missgunst, Überheblichkeit und übertriebenem Egoismus. Er ist ein mächtiger Wolf. Der andere Wolf hat ein gutes Wesen. Er besteht aus Freude, Frieden, Liebe, Hoffnung, Wohlwollen, Geduld, Hilfsbereitschaft, Gelassenheit, Demut, Freundlichkeit, Humor, Vergebung, Freigiebigkeit und Mitgefühl.

Auch in dir, mein Junge, wütet dieser Streit, ja, dieser Streit findet in jedem Menschen statt.“

Da dachte der kleine Junge einen Augenblick nach. Dann fragte er seinen Großvater: „Sag, welcher Wolf wird den Kampf gewinnen?“

Da sah der alte Mann seinen Enkelsohn freundlich an und sagte: „Der Wolf, den du nährst.“ (Verfasser unbekannt)

Den Blick lenken

Da wo meine Aufmerksamkeit hingeht, geht auch meine Lebensenergie hin. Ich kann mich um das Böse in der Welt kümmern und es bekämpfen. Das ist sicher ein lobenswertes Motiv. Ich kann aber das Böse auch zurückdrängen, indem ich das Gute fördere. Das jedoch scheint mir vielversprechender – den Blick auf das Gute gerichtet, ändert sich auch mein Blick auf die Welt. Die Welt ist nicht schlecht. Sie ist auch nicht gut, ich weiß. Alles ist da. Wo aber ist mein Platz? Wer legt den fest? Wo will ich meine Aufmerksamkeit hinlenken?

Der Schmerz vieler Generationen

Wir alle tragen so manchen Schmerz in uns und im Laufe unseres Lebens füllen sich die Reservoire. Wir ertragen den Schmerz. Buchstäblich. Der Schmerz in uns wird zum Schmerz der Welt. Wer einmal etwas fühlen mag von diesem Schmerz, der möge des Sonntags einen katholischen Gottesdienst besuchen. Hier ist der Seelenschmerz von vielen Tausend Jahren Menschheit aufgestapelt in Texten und Melodien, in Ritualen und Gebräuchen. Hierhin kommen die Menschen mit ihrem Seelenschmerz und wenn sie gehen, nehmen sie ihn wieder mit. Viele von ihnen gehen gebückt inzwischen. Sieh in ihre Gesichter! Schau dir das Gesicht des Priesters an, seine Körperhaltung…

Was eigentlich ein Ort der Hoffnung und der Liebe sein sollte, ist vielfach ein Ort der Klage, der Trauer und des Schmerzes geworden. Viele Jahre lebte ich in dieser Aura, fast stumpf vor Anteilnahme. Ich spendete, wenn es etwas zu spenden gab und betete für eine bessere Welt, dass doch die zur Einsicht kommen mögen, die Verantwortung trügen für all das Leid. Und so brauchte ich keine Augen haben für das Leid und den Seelenschmerz in mir…

In Gottes Auftrag

Die Beichte, ein gut gemeinter Versuch, die Menschen von ihrer Schuld zu befreien, tat eine solche Wirkung nie und so ließ ich es irgendwann auch sein. Vergebung kann ich letztlich nur fühlen, wenn ich selbst mir vergeben kann. Manchmal kann ich das. Manchmal braucht es die Vergebung dessen, dem ich Schmerz zufügte. Ein unbeteiligter Mensch kann das meiner Meinung nach nicht leisten, auch nicht, wenn er glaubt, in Gottes Auftrag zu handeln. Das glaubten schon viele Menschen…

Vergebung – ein Akt der Liebe

Vergebung scheint mir allerdings ein mächtiges Werkzeug zu sein und hilft mir dabei, abzulegen was meinen Weg schwer macht. Ich kann mir meine Schuld vergeben und ich kann denen vergeben, die an mir schuldig wurden. Immer wenn ich vergebe, kann ich etwas in die erste Schale legen. Und an den frei gewordenen Platz in mir kann etwas treten, dass die zweite Schale einmal füllen wird.

„Bitte teilen!“ Täglich werde ich hierzu aufgefordert auf Facebook und Co. Aber eigentlich müsste es dort heißen. „Finde toll, was ich hier poste!“. Trotzdem ist es manchmal ein heilbringender Aufruf. Es ist gut, wenn wir wieder mehr teilen, uns mitteilen, etwas von uns preisgeben. Es ist gut für uns und für die Welt, wenn wir unseren Seelenschmerz zu teilen bereit sind, ebenso wie unsere Freude. Indem wir teilen, geben wir ab und werden leichter, ändern uns und machen so die Welt zu einem annehmbareren Ort.

Der Schmerz der Welt – Ein Spiegel meiner Seele

So hoffnungslos sich die Situation in der Welt auch manchmal für den einen oder anderen von uns darzustellen mag – was da gerade passiert ist auch immer ein Produkt unserer Wahrnehmung und Bewertung. Ich möchte nichts schön reden an dieser Stelle, nur möchte ich solchen Situationen das Gefühl der Ohnmacht nehmen, denn die Ohnmacht ist ein Gefühl der Depression. Alles, was ich wahrnehme, hat auch immer etwas mit mir selbst zu tun, oftmals mehr als mir lieb ist. Ich darf mich also fragen, weshalb mir das Leid der Welt so wichtig ist. Warum nehme ich es so intensiv wahr? Warum stört es andere Menschen weniger?
Mein Erleben folgt gewissen Gesetzmäßigkeiten. Ich nehme insbesondere das wahr, was gerade sowieso schon in mir ist, bewusst oder unbewusst. Habe ich zum Beispiel den Wunsch, Familienzuwachs zu bekommen, sehe ich überall Kinderwagen. Möchte ich ein bestimmtes Auto fahren, werde ich ihm auf einmal viel häufiger begegnen als sonst. Meine Wahrnehmung ist ein Spiegel meiner selbst. Sehe ich den Schmerz der Welt, ist Schmerz mein Thema – nicht der Schmerz der Welt ist dies – es ist mein ureigener Seelenschmerz. Wenn mir der Schmerz der Welt mein Leben schwer macht, weil ich Ohnmacht fühle, dann ist das eigentlich eine Botschaft für mich.

Einladung nach Innen

Es ist eine Einladung, einmal nach innen zu gehen und nach meinem eigenen Seelenschmerz zu sehen, den Ursachen meiner Depression auf den Grund zu gehen. Dabei geht es darum, die eigenen Verletzungen anzuschauen und zu versorgen, zu betrauern, zu pflegen, zu heilen. Es geht darum, den eigenen Seelenschmerz zu fühlen, hinein zu spüren in das, was mich einst verletzte und beschämte. Es geht um Annahme, um liebevolles Fühlen, ja um Mitgefühl mit mir selbst. Vielleicht ist es an der Zeit, diesen Schmerz einmal zu teilen, jemandem davon zu erzählen, dem ich vertraue? Vielleicht ist es an der Zeit, diesen Schmerz nun gehen zu lassen, denn viel zu lange schon hat er mein Leben bestimmt und meine Wahrnehmung verengt.

Vergebung

Und letztlich geht es auch hier um Vergebung. Ich weiß zum Beispiel, dass ich keinen Frieden finden werde, gelingt es mir nicht, denen zu vergeben, die mich einst verrieten in der Zeit meiner Stasihaft. Ich spüre die Wut noch immer in mir aufsteigen und die Liste der Namen wird lang… So viele Menschen hatten Anteil an diesem Unrechtsstaat, halfen aktiv oder passiv mit. Wo immer heute Ungerechtigkeit geschieht und Verrat, da wühlt es mich auf. Da schaue ich hin. Dazu habe ich eine Meinung – womöglich, um ja nicht an meinen eigenen Schmerz gehen zu müssen, den ich nun schon so viele Jahre in mir trage. Ein großer Mann hat es einmal mit den bewegenden Worten zum Ausdruck gebracht:

 „Als ich durch die Tür ging, auf das Tor zu, das mich in die Freiheit führen würde, wusste ich, dass ich immer noch im Gefängnis wäre, wenn ich meinen Unmut und Hass nicht hinter mir ließe.“ Nelson Mandela

Ich denke inzwischen, das Leben meint es gut mit mir, wenn es mir im Außen spiegelt, was ich im Inneren in Ordnung zu bringen habe. Wenn ich in den Spiegel schaue und Schmutz in meinem Gesicht bemerke, fange ich ja auch nicht an, den Spiegel zu putzen, oder doch…?

Quellen zu: „Die Depression und der Seelenschmerz“
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