Psychotherapie Risiken und Nebenwirkungen

psychotherapie nebenwirkungenDie Psychotherapie ist ein probates Mittel gegen die Depression. Als besonders wirksam hat sie sich in Verbindung mit Antidepressiva herausgestellt. Viele Menschen bauen auf die heilende Kraft einer Psychotherapie, auch bei Angst- und Traumabewältigung. Dass eine Psychotherapie den Gesundheitszustand der Patienten signifikant verbessern kann, beweisen einschlägige Studien seit vielen Jahren. Doch wie sieht es mit den Nachteilen, den Risiken und Nebenwirkungen einer Psychotherapie aus und wie erfolgt die Aufklärung? Hier dünnt sich das Feld schnell aus. Deshalb soll an dieser Stelle einmal ein Blick auf das Thema Psychotherapie – mögliche Nachteile, Nebenwirkungen und Aufklärung geworfen werden. Was kann passieren? Was können unerwünschte Nebenwirkungen sein? Hilft eine Psychotherapie oder macht sie mehr kaputt als sie heil? Zerstört eine Psychotherapie vielleicht sogar eine Ehe oder Beziehung? Näheres zu Nachteilen einer Psychotherapie…


Psychotherapie – Bringt das überhaupt etwas?

Sigmund Freud (1856-1936), der Begründer der Psychoanalyse, legte großen Wert auf Ehrgeiz. Ein Psychoanalytiker arbeite mit explosiven Kräften, warnte er. Deshalb müsse man während der Behandlung unbedingt Gewissenhaftigkeit im Umgang mit seinen Patienten an den Tag legen. Dass es in der Behandlung mittels Psychotherapie im übertragenen Sinne zu Explosionen kommen oder deren heilende Wirkung gar ganz ausbleiben könne, wurde über Jahrzehnte aber nicht sonderlich beachtet. Während es Millionen von Beipackzetteln über Risiken und Nebenwirkungen von Medikamenten gibt, geht der Patient in seine erste Psychotherapie unaufgeklärt wie ein kleines Kind zum Weihnachtsmann, was mögliche Nachteile angeht. Geschenk oder Rute? Wer weiß das schon? Einzig die Hoffnung auf Besserung treibt ihn an, das Wagnis Psychotherapie einzugehen.

Depression – Behandlung stationär ist fragwürdig

Dieses Ungleichgewicht bei der Aufklärung versuchen Wissenschaftler jetzt zu verändern. So zeigte unlängst eine Untersuchung der Schön Klinik Roseneck am Chiemsee, dass es etwa 25% der Patienten mit Depressionen nach einer Behandlung in der Klinik ähnlich schlecht ging wie zuvor. Bei drei Prozent sei sogar von einem Anstieg der Beschwerden durch die Behandlung die Rede. In der ambulanten Psychotherapie scheint die Quote sogar noch schlechter aus zu fallen. Etwa die Hälfte aller Patienten zeige nach einer Behandlung keine oder kaum eine Verbesserung und bei bis zu elf Prozent der Patienten überwogen sogar die Nachteile einer Psychotherapie und die Symptomatik verschlechterete sich sogar noch.

Zum Wohle der Patienten

Diese Untersuchungen sollten nach Angabe ihrer Urheber keinesfalls dazu dienen, die möglichen Nachteile einer Psychotherapie zu überhöhen. Es solle auf diesem Wege aber möglich sein, psychologische Methoden der Behandlung zu entlarven, die eher kontraproduktiv wirken. So hat man zum Beispiel heraus gefunden, dass das sogenannte Debriefing, also direkt nach schweren Unfällen oder Naturkatastrophen mit Betroffenen, das traumatische Erlebnis sofort aufzuarbeiten, nicht geeignet ist, die Ausbildung einer Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) zu verhindern. Tatsächlich erlebten die behandelten Menschen nach drei Jahren deutlich häufiger noch belastende Erinnerungen an die Katastrophe als etwa Beteiligte ohne eine solche Behandlung.

Psychotherapie als Gruppentherapie

Auch die Psychotherapie als Gruppentherapie berge ein erhöhtes Risiko für Nebeneffekte. So können sich Patienten unter anderem gegenseitig herunter ziehen. Die Hoffnungslosigkeit könne sich von einem Depressiven auf andere Anwesende übertragen. Bei manchen würden durch die Aussagen anderer Gruppenmitglieder auch ungewollt bedrückende Erinnerungen wieder wach gerufen, die sich in einer Gruppe nicht sofort auffangen ließen. Schief laufen kann also so manches in der Psychotherapie.

Der Therapeut ist nicht immer schuld

Michael Linden, Vorsitzender des Deutschen Fachverbandes für Verhaltenstherapie, kennt die Schwachstellen. Nach seiner Meinung ist nicht immer nur der Therapeut schuld, wenn eine Behandlung schief läuft. Auch bei einer korrekt durchgeführten Therapie könne es zu Begleiterscheinungen kommen. Neben klassischen Behandlungsfehlern oder falschen Diagnosen, könne sich der Patient durch die Psychotherapie auch verändern – woran Beziehungen zerbrechen könnten. Manche Patienten brächen die Therapie selbst ab, oder erlitten nach Kurzem wieder einen Krankheitsrückfall. Ebenso sei es nicht ungewöhnlich, dass ein Patient zwischenzeitlich depressiver würde, weil ihn die Gespräche während der Psychotherapie zu sehr aufwühlten.

Psychotherapie Nebenwirkungen Aufklärung

Mit einem neuen Patientenrechtegesetz in Deutschland sollen nun mehr Informationen für die Patienten zur Verfügung gestellt werden. Ärzte wie Psychotherapeuten müssen jetzt vorher, ausführlich und verständlich, über Nachteile oder unerwünschte Auswirkungen der Behandlung mittels Psychotherapie aufklären, sagt der Präsident der Bundespsychotherapeutenkammer, Rainer Richter. Aufklärung soll also vor so manchen Nebenwirkungen einer Psychotherapie schützen. Dabei müsse der Therapeut vor allem auf die individuelle Situation des Patienten eingehen. Könnte dessen Partnerschaft in Gefahr sein, müsste darauf hingewiesen werden. Nur dann könne der Patient selbst gezielt auf Veränderungen in der Beziehung reagieren. Eine Aufklärung über mögliche Nebenwirkungen bei einer Psychotherapie sollte selbstverständlich sein.

Beipackzettel Psychotherapie

In Österreich wurde zum Zwecke der Aufklärung vor einer Psychotherapie beispielsweise schon vor einigen Jahren eine Art Beipackzettel entwickelt, der nun in den Arztpraxen des Landes ausliegt. Darin steht, wie Psychotherapie genau wirkt und welche Risiken und Nebenwirkungen auftreten können. Trotz aller Risiken gilt: Die Depression braucht Behandlung durch Psychotherapie! Nebenwirkungen kann es auch geben. So muss eben individuell herausgefunden werden, welche Psychotherapie für den Betroffenen die geeignetste Behandlungsmethode ist. Das bedarf manchmal durchaus einiger Versuche.

Sich besser kennenlernen

Ganz ähnlich verhält es sich mit der Psychotherapie. Nebenwirkungen sind auch hier an der Tagesordnung. Der Unterschied ist nur, dass für die Kosten jeder Patient direkt selbst aufzukommen hat und nicht erst der Umweg über die Krankenkasse genommen wird. Der Mensch ist ein sehr komplexes Wesen und deshalb gibt es auch kaum eine Wirkung ohne eine Nebenwirkung. Bislang wurden solche Zusammenhänge im Bereich der Psychotherapie allerdings nur wenig erforscht. Der Deutsche Kongress für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie in Heidelberg hat sich nun einmal ausgiebig mit diesem Thema beschäftigt. In der Psychotherapie seien Nebenwirkungen meistens unerwünschte Auswirkungen auf die eigene Person oder das Umfeld des Patienten. Menschen verändern sich zwar nicht grundsätzlich unter einer Psychotherapie, aber sie lernen sich besser kennen. Sie entdecken Ressourcen in sich, die sie noch gar nicht kannten oder längst schon vergessen hatten. Sie erlernen neues Denken und Verhalten und wenden es im besten Fall auch an.

Nur das Verhalten ändert sich

So scheint die Veränderung nach außen hin mitunter gewaltig zu sein. In Wirklichkeit, ändert sich aber der Mensch nicht, er ändert nur sein Verhalten. Ein Außenstehender kann das aber nicht differenzieren und so passiert es nicht selten, dass man sich fremd wird, Freundschaften zerbrechen und noch viel schlimmer: Ehen kaputt gehen und ganze Familien auseinander fallen.

Psychotherapie Risiko für Partnerschaft

Gerade Ehen und Partnerschaften sind bei laufender Psychotherapie besonders gefährdet. Da leben Menschen sehr eng miteinander, haben sich aufeinander eingelassen, sich aneinander angepasst und nun plötzlich ist alles anders! Das Gleichgewicht in der Beziehung wird massiv gestört, wenn sich ein Teil so stark ändert, dass der andere Teil nicht mehr hinterher kommt. Was für den Patienten in einer Psychotherapie erwünscht ist, dass er seine Verhaltens- Denk- und Gefühlsmuster in Frage stellt, anpasst oder auch extrem verändert, dass ist für den Partner in einer Beziehung oftmals nicht mehr nachzuvollziehen. Er wird sauer. Sauer auf den kranken Menschen, sauer auf den Psychotherapeuten, die Psychiatrische Klinik, den Psychiater, sauer auf den gesamten Psychomedizinischen Apparat.

Leider keine Garantie

Selbst wenn der Therapeut seine Diagnose korrekt stellt und den Patienten adäquat behandelt, eine Garantie für eine Psychotherapie ohne Nebenwirkungen, die gibt es leider nicht. Häufig liegen die gewollte Wirkung und unbeabsichtigte Nebenwirkungen sogar sehr dicht beieinander. Erste Studien zeigen, dass bei etwa einem Viertel bis der Hälfte der Patienten solche unerwarteten Effekte auftreten. Nicht immer muss das gleich negativ sein. Wenn sich zum Beispiel der Freundeskreis ändert, kann sich dies mitunter sehr positiv auf die Therapie auswirken. Oftmals wird eine psychische Erkrankung nämlich auch durch das soziale Umfeld begünstigt oder sogar hervor gerufen. In so einem Fall ist ein Bruch äußerst wünschenswert. Der Patient muss erst aus dem krank machenden Milieu heraus kommen, bevor er genesen kann. Aber auch eine bis dahin gute Ehe kann durch eine Psychotherapie zerstört werden, weil der Partner möglicherweise nicht mit einer Veränderung des Patienten durch die Therapie einverstanden ist.

Psychotherapie zerstört Ehe

In meinem Fall war es ganz ähnlich. Eigentlich „schickte“ meine damalige Frau mich in die Psychotherapie, weil ich Hilfe brauchte, wie sie es formulierte. Sie käme nicht mehr an mich heran, sagte sie immer wieder. Die Depression hatte gleichsam eine meterdicke Wand aus Panzerglas zwischen uns geschoben. Sie erreichte mich nicht, aber auch ich konnte sie nicht erreichen. Irgendwann wandte sie sich dann einem anderen Mann zu, was mich damals sehr verletzte. Ich hätte niemals gesund werden können unter diesen Bedingungen. Zumal sie nicht ehrlich damit umging. Einmal kokettierte sie damit, ein anderes Mal stritt sie wieder alles ab oder verharmloste es. Ich stand ihr ohnmächtig gegenüber. Ich brauchte sie – sie aber mich nicht. Oder vielleicht doch? Oder doch nicht? Ich war mir nicht mehr sicher. Durch die Therapie gewann ich zwar mein Selbstbewusstsein zurück, nicht aber meine Frau. Die Therapie hatte ich verändert. Irgendwann hatten wir unsere gemeinsame Basis verloren, vor allem das Vertrauen. Ich würde vielleicht nicht soweit gehen, dass die Psychotherapie unsere Ehe zerstört hat, aber wenn man so will, hatte sie Anteil daran.

Alles sprach gegen eine Trennung

Als ich die Psychotherapie begann, ahnte ich noch nicht, welche dramatischen Auswirkungen sich ergeben würden. Ich wusste nichts von den Nebenwirkungen einer Psychotherapie. Heute bin ich froh und dankbar, dass alles so gekommen ist. Ich hätte den Absprung ohne die Psychotherapie nie geschafft und würde vermutlich noch heute nach ihrer Pfeife tanzen. Fast fünfundzwanzig Jahre Ehe, vier Kinder, meine christliche Verantwortung, meine Erziehung, mein Wertbild, all das sprachen gegen eine Trennung und dennoch war es das einzig Richtige für mich. Am Ende war meine Ehe zwar nicht allein durch die Psychotherapie zerstört, aber zerstört war sie. Es brauchte lange, bis ich dies einsehen konnte.

Psychotherapie – Angehörige einbeziehen

Wovon ich heute überzeugt bin: Man kann in einer Partnerschaft nicht nur einen Menschen therapieren. Eine Partnerschaft ist eine Einheit, ein Ganzes. Wenn das Gleichgewicht gestört wird, kommt sie unter Druck, bricht vielleicht sogar auseinander. Ich halte es deshalb für wichtig, enge Angehörige in eine Psychotherapie mit einzubeziehen, sie mitzunehmen. Nur wenn der Partner Anteil hat an der Entwicklung und verstehen kann, was gerade passiert, hat die Beziehung auf Dauer eine Chance. Eine psychische Erkrankung ist ohnehin schon eine große Bürde für eine Beziehung. Einen großen Teil dieser Last tragen die Partner. Wenn dann die Psychotherapie ihren Angehörigen so verändert, dass sie ihn mitunter kaum wieder erkennen, dann fühlen auch sie sich überfordert. Überforderung – das Grundgefühl jeder Depression! Und so kann ungewollt tatsächlich eine Beziehung oder Ehe durch Psychotherapie zerstört werden.

Es geht nicht ohne das Umfeld

Auch Angehörige haben Unterstützung verdient und nötig, durch gelegentliche Gespräche mit dem Therapeuten und/oder durch eine Selbsthilfegruppe für Angehörige. Hier stehen wir noch ziemlich am Anfang. Viele Psychotherapeutische Ansätze versickern deshalb im Sand, weil einfach vergessen wird, das soziale Umfeld, also die nächsten Angehörigen ausreichend mit ein zu beziehen. Schade eigentlich!

Behandlung auf Augenhöhe

Eine gute Sache, wie ich finde, denn die viel beschworene Behandlung auf Augenhöhe kann nur stattfinden, wenn der Patient auch eine umfassende Aufklärung über die Risiken einer Psychotherapie erfuhr.  Und dass eine ehe oder Beziehung aufgrund einer Psychotherapie zerstört wird, das kommt nun mal vor. Selbst wenn sich der Patient aufgrund dieser Informationen gegen eine Therapie entscheidet, wird er gute Gründe dafür haben. Und vielleicht ist es ja kein Nein auf Dauer, sondern nur für diesen Moment eine gute Entscheidung, um die Belastung nicht noch weiter zu erhöhen. Denn eines muss jedem klar sein: Eine Psychotherapie ist kein Spaziergang, sondern harte Arbeit, die einiges an Kraft und Ausdauer voraus setzt. Dennoch kann so eine Behandlung helfen, das Leben psychisch Kranker zu verbessern. Doch diese Entscheidung muss jeder Depressive für sich treffen. Es macht keinen Sinn, auf Druck von außen an einer Psychotherapie teilzunehmen, solange man innerlich nicht zu Veränderungen bereit ist.

Quellen zu Psychotherapie zerstört Ehe oder Beziehung, Aufklärung über Risiken, Nebenwirkungen und Nachteile
Spiegel.de  Foto: clipdealer.de

zuletzt bearbeitet: 25.10.2024

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