Partner bricht Beziehung ab – Tabea kann nicht verstehen
Das Gefühl von Hilflosigkeit und Überforderung gehört in jeder Beziehung auch zur Depression. Betroffene wissen jetzt vermutlich genau, wovon hier die Rede ist. Aber auch Angehörige kennen dieses Gefühl. Wenn der Partner sich hilflos und überfordert fühlt, bringt er dich, ob er es will oder nicht, oft schon nach kurzer Zeit in eben dasselbe Gefühl. Es sei denn, es gelingt dir, dich abzugrenzen wie ein Profi. Aber wem gelingt das schon in Beziehung? Es kommt wie aus dem nichts und erwischt dich kalt und dann stehst du da und verstehst die Welt nicht mehr. So erging es auch Tabea mit ihrem Freund, den sie noch immer über alles liebt. Tabea schreibt über ihre Beziehung mit einem depressiven Partner…
Tabeas Bericht
Hallo Benno,
vorletzte Woche Donnerstag hat sich mein Freund von mir getrennt. Um ehrlich zu sein, kam dieser Schritt für mich sehr überraschend. Wir waren 2 Jahre zusammen, und haben uns vorher ungefähr 5-6 Monate kennen gelernt. Zunächst haben wir nahe beieinander gewohnt, doch ich musste Zwecks Studium in eine andere Stadt ziehen (2-3h Fahrt). Wir haben eine Fernbeziehung geführt und versucht, uns alle 2 Wochen zu sehen. Das hat meistens funktioniert.
Wir haben uns immer gesagt, es ist schwer, aber es ist nur auf Zeit und wir schaffen das. Ich habe ihm geglaubt, er gab mir die Hoffnung und nahm mir meine Sorgen. Ich habe ihn geliebt, aufrichtig, und tue es noch immer. Von tiefstem Herzen. Wenn wir zusammen waren, egal was wir gemacht haben, war es für mich immer eine schöne Zeit. Jede Sekunde mit ihm war wertvoll. Natürlich gab es mal Unstimmigkeiten oder Streit, aber das war für mich ok. Das gehört dazu.
Wenn ich schätzen müsste, dann hat seine schwere depressive Phase vor ungefähr einem Jahr angefangen. Es ist schwer, einen Zeitraum zu nennen. Zwischendurch war es gut, zumindest war es mein subjektives Empfinden, zwischendurch war es dann schwerer. Ich habe ihn mit der Depression kennen gelernt, ich habe ihn damit geliebt.
In den letzten Wochen oder Monaten habe ich häufig versucht, ihm zu helfen, mehr als eine Partnerin das kann. Ich habe ihm viel abgenommen und versucht, ihn vor Dingen zu schützen, die ihm zu viel Druck machten oder einfach ihm allgemein zu viel waren. Dabei habe ich mich selbst etwas aus dem Fokus verloren, denn er war für mich der Mittelpunkt. Das, glaube ich, war nicht gut – für uns beide. Ich habe seinen Rhythmus angenommen, der für mich nicht immer okay war. Eigentlich versuche ich, früh aufzustehen, damit ich viel vom Tag habe – egal was kommt. Er konnte das nicht immer, er brauchte viel Zeit zum wach werden und „in Schwung kommen“. Ich konnte das teilweise gut puffern, manchmal hat es mich genervt.
Wenn Freunde von mir da waren, war ich zwischen ihm und ihnen hin und hergerissen und wusste nicht, wohin mit mir. Das hat mich geärgert, und ich glaube ich habe das mehr ausgelassen als versucht es ihm sofort zu erklären. Mir fällt es manchmal selber schwer, meine Gefühle zu verbalisieren, dann puste ich alles raus, und dann normalisiert sich bei mir alles wieder. Das war ihm gegenüber nicht fair, und er hat selten persönlich genommen und immer Verständnis gehabt. Wenn ich mich dann quasi abreagiert habe, dann haben wir darüber gesprochen. Und es war wieder in Ordnung. Es gab einige solche Situationen, häufiger in den letzten Wochen unserer Beziehung (so empfinde ich das zumindest).
Lieber Benno, ich schütte mein Herz aus. Ich liebe ihn, mit allem was ich ihm geben kann. Und ich liebe ihn, so wie er ist. Es ist einfach so, ich kann es nicht ändern. Ich bin nicht sauer und ich hasse ihn auch nicht. Das geht überhaupt nicht. Ich habe persönlich mit ihm gesprochen, vor 2 Tagen. Es tat mir so weh, ihn zu sehen. Es ging ihm nicht gut, er wusste selber gar nicht, wohin er gehört und was er fühlen soll, ob er denn was fühlen soll. Er war so verzweifelt. Und ich konnte nichts tun, außer da sitzen und mitweinen.
Ich konnte ihm den Schmerz und die Ohnmacht nicht nehmen, ihm meine Hand nicht reichen. Ich weiß, er muss selber aus der Depression kommen. Oder sie annehmen. Er ist in Therapie, jeweils medikamentös und Gesprächstherapie. Allerdings habe ich da meine Zweifel, ich finde seinen Arzt nicht ok, der (meiner Meinung nach) wild mit Medikamenten experimentiert.
Ich bin selber Krankenschwester, und einige Medis muss man ausschleichen, müssen einen Spiegel aufbauen, setzen erst nach Wochen ihre Wirkung ein. Ich erzählte meinem Exfreund von meinen Bedenken – aber ich hatte nicht das Gefühl, dass er von meiner Meinung überzeugt ist. Er vertraut dem Arzt „Der Doc weiß schließlich, was er tut“. Für mich war es schwer, das zu schlucken. Ich wollte mich nicht streiten. Ich finde auch, dass er zu wenig Gesprächstherapie hat. Aber wer bin ich, dass ich ihm sage, was er tun soll? Ich bin kein diplomatischer Mensch, was ich denke sage ich. Ungeschönt, aber ehrlich. Das kommt nicht immer gut an, mein Exfreund hat das immer an mir geschätzt. Aber ich weiß auch, dass es manchmal verletzend, arrogant oder besserwisserisch von mir aus rüberkommt.
Ach Benno. Es fällt mir alles so schwer. Vor 2 Wochen waren wir noch ein Paar. Wir hatten mit fortschreiten seiner schweren Phase weniger Sex, und er konnte mir weniger Zärtlichkeiten zeigen. Jedoch war es für mich okay. Natürlich hat es mir gefehlt. Aber es war in Ordnung. Er konnte nicht, nicht weil er nicht wollte oder mich nicht mehr begehrte. Und das habe ich ihm geglaubt. Ich habe mich trotzdem sehr geliebt und geschätzt gefühlt. Und so sagte ich ihm, dass es für mich okay ist, wenn er mir nicht mehr so viel Zuneigung zeigte, wir er meint dass ich sie verdient hatte. Ich bin ein Mensch, der Liebe nicht auf eine Goldwaage legt. Ich liebe bedingungslos. Seit der Trennung habe ich das Gefühl, dass ich an all der Liebe für ihn ersticke.
Er sagte, er könnte so die Beziehung nicht mehr führen, wenn er sich seiner Gefühle nicht sicher ist. Auch weiß er nicht, ob er mich weniger liebt, oder ob die Depression ihm sagt, dass er mich weniger liebt. Er sagt, dass er so keine Beziehung führen kann. Verständlich. Er sagt, er brauche Abstand Zeit für sich. Ich habe ihn schwer wieder erkannt. Er ist kein Mensch der schnell Entscheidungen trifft. Alles wird gründlich überlegt. Nur unsere Trennung, die kam (für mich) unerwartet. Ich frage mich immer noch „warum?“, doch ich glaube, dass ich das nicht verstehen kann. Ich stecke nicht in seiner Haut, ich weiß nicht, ob ich es jemals verstehen werde. Aber…. Muss ich auch nicht. Ich weiß nur, dass er in großer Not gewesen sein muss (oder noch ist), als er diese Entscheidung traf.
Es tut so weh, aber ich glaube, dass es für ihn eine gute Entscheidung war. Jedenfalls hoffe ich, dass er wieder zu sich selbst findet. Jemand auf deinem Blog schrieb mal „in Liebe los lassen“. Ein sehr schöner Satz. Ich weiß noch nicht, ob ich in loslassen kann. Aber ich werde ihn immer im Herzen halten, in Liebe. Ich möchte für ihn da sein, ohne Druck. Ich hoffe er weiß, dass ich immer für ihn da sein werde. Natürlich wünsche ich mir, dass es wieder ein „wir“ gibt, aber in erster Linie möchte ich einfach nur, dass es ihm wieder gut geht und er sich selber wieder lieben und akzeptieren kann. Ob das mit mir ist oder ohne mich, das ist gleich.
Ich hoffe ich verliere ihn nicht. Er ist mir wichtig, als Mensch. Ich hoffe, ich mache es halbwegs richtig.
Lieber Benno, dein Blog und auch die Kommentare von Betroffenen und Angehörigen haben mir geholfen, ihn ansatzweise zu verstehen und auch mich zu reflektieren. Bitte mach so weiter, finde deinen Weg. Ich hoffe, das alle, die das lesen, tun. Gebt (euch) nicht auf! Ihr werdet geliebt!
Tabea
Quellen zu „Depressiver Partner bricht Beziehung ab“
Foto: pixabay.com