Depression Selbsthilfegruppe – Hilfreich oder vergebens?

selbsthilfegruppe

Im Zuge der Behandlung von Depressionen ist zumeist die Rede von Psychopharmaka und von Psychotherapie. Aber auch eine Selbsthilfegruppe kann eine wichtige stützende Funktion darstellen, sowohl bei Betroffenen als auch bei Angehörigen. Sie werden, wie ich finde, noch viel zu wenig thematisiert, weshalb dieser Beitrag einmal seinen Scheinwerfer auf das Thema „Depression Selbsthilfegruppe“ richten soll. Wie funktionieren sie? Bringen sie wirklich etwas? Die einen sind davon ganz angetan und die anderen wollen eher nichts davon wissen. Wem kann man glauben? Warum fällt es Depressiven besonders schwer, in eine Selbsthilfegruppe zu gehen? 


Depression Hilfe oder Eigentherapie

Fachleute vertreten die Meinung, dass man zur Behandlung der Depression auch auf Fachleute setzen müsse. Zur Anwendung kommen sollten Tabletten zur Stabilisierung des seelischen Gleichgewichts und Psychotherapie zur Bewusstseins- und Verhaltensänderung. Hierbei erklärt jede Fraktion mehr oder minder ihre eigenen Hilfsangebote für allein wirksam. Mir geht es da oft so, als ob ich einer Debatte im Bundestag lausche. Während ich dem Redner der Regierungspartei voll und ganz zustimmen kann und finde, dass er mir aus dem Herzen spricht, passiert genau dasselbe wenn anschließend der Redner der Opposition ans Mikrofon tritt. Irgendwie haben alle Recht. Aber was fange ich damit an? Verunsicherung bleibt.

Hilfe zur Selbsthilfe

In gewisser Weise ist ja eine Psychotherapie auch Hilfe zur Selbsthilfe. Jedenfalls ist sie als Selbsthilfe gedacht. Das steht und fällt natürlich mit dem Therapeuten. Manche Psychologen bauen ihre Therapie so auf, dass eine Art Abhängigkeit der Patienten entsteht. Die Patienten müssen dann alles immer erst mit ihrem „Übervater“ besprechen. Sie sind selbst so verunsichert, dass sie nur noch dem Rat des Experten trauen. Das ist keine gute Therapie und schon gar nicht eine Hilfe zur Selbsthilfe. So ein Therapeut ist wie einer, der einem Alkoholkranken im Notfall immer wieder Bier und Wein reicht. Ein guter Therapeut hilft seinem Patienten bei dessen Weiterentwicklung. Ein guter Therapeut will seinen Patienten nie wieder sehen und wird in wohlwollender Weise alles daran setzen, dass dies eines Tages guten Gewissens möglich sein wird.

Selbsthilfegruppe bei Depression

Aber es gibt neben Hilfe und Selbsthilfe noch eine dritte, wenn vielleicht auch nur ergänzende Möglichkeit – die Selbsthilfegruppe bei Depression. Hier erfahren sich Depressive untereinander. Wer schon länger unter depressiven Phasen leidet, hat meist kaum noch Kontakt zu anderen Menschen. Die Depression nährt die Depression. Es ist aber ungeheuer wichtig, anderen Menschen zu begegnen. Wir sind soziale Wesen. Das Wort „sozial“ kommt aus dem Lateinischen und bedeutet so viel wie „zur Gruppe gerichtet“.

Isolierung gleicht einer Folter

Menschen völlig zu isolieren, kommt einer Folter gleich, weil ihnen ein Grundbedürfnis verweigert wird. Depressive tun das freiwillig. Nicht, weil sie Menschen nicht mögen, sondern, weil sie aufgrund schlechter Erfahrungen Angst vor ihnen bekommen haben. Hier kann die Selbsthilfegruppe ein erster Schritt zurück ins Leben sein. In der Selbsthilfegruppe können Menschen mit seelischer Beeinträchtigung erfahren, dass sie vertrauen können. In der Selbsthilfegruppe können sie lernen, dass nicht alle Welt schlecht ist, sondern dass andere Menschen ähnliche oder noch ganz andere Ängste haben und bekommen auf diese Weise Hilfe zur Selbsthilfe.

Selbsthilfegruppe in Deutschland

Die Teilnahme an Selbsthilfegruppen wird staatlich gefördert und ist deshalb in Deutschland kostenlos. In meiner Gruppe fällt lediglich jedesmal ein kleiner Obolus für Kaffee an, aber dafür ist die Atmosphäre dann auch entspannter.

Ich habe nun versucht, auf dieser Seite einmal alle Selbsthilfegruppen für Depression in Deutschland zusammen zu tragen. Es ist jedoch erbärmlich, wie wenig ich trotz modernster Recherchemöglichkeiten heraus finden konnte. Leider gibt es keine zentrale Stelle, an der alle Selbsthilfegruppen erfasst sind. Das macht es Hilfesuchenden oft schwer, schnell ein passendes Angebot zu finden. Hier kann ich deshalb leider nicht einmal ansatzweise zufriedenstellend informieren! Ich habe lange recherchiert, fand aber nicht zu ausreichenden Ergebnissen.

Ein erster Schritt

Also betrachte diese Seite bitte als einen ersten Schritt, einen kleinen Anfang. Ich werden hier alle Gruppen nach Bundesländern geordnet listen, von denen ich weiß – leider sind es bislang nicht sehr viele. Deshalb bitte ich dich an dieser Stelle auch um deine Mithilfe. Falls du mir Namen und Ansprechpartner einer Selbsthilfegruppe für Depressionen nennen kannst, würde ich mich über eine entsprechende Information wirklich sehr freuen. Du kannst dafür die Kommentarfunktion nutzen oder mir auch eine Email schreiben. Die Adresse hierzu findest du im Impressum, ganz unten. Ich stelle mir vor, dass diese Seite einmal denen, die Anschluss an eine Selbsthilfegruppe suchen, auch tatsächlich weiterhelfen kann.

Ängste und Vorbehalte

Ich geh doch in keine Selbsthilfegruppe!

Als eingefleischter Selfmade-Man halte ich natürlich nicht besonders viel davon, in eine Selbsthilfegruppe für Depressionen einzutreten. Schon der Name macht mir Schwierigkeiten. Müsste es nicht eine Selbsthilfegruppe gegen Depressionen geben? Geraten wird einem ja allerorts hierzu, doch war meine Sofortreaktion hierauf stets ablehnend. „Eine Selbsthilfegruppe für Depressive – das ist nichts für mich!„, höre ich mich innerlich werten. In meinem Kopf befinden sich Bilder von Kaffee trinkenden, viel redenden aber wenig sagenden Menschen, die das wöchentliche Kränzchen dazu verwenden, der Tristesse ihres Lebens noch einen weiteren Baustein hinzu zu fügen. Wozu soll das eine Selbsthilfe sein? Ich hasse Small Talk. Ja, ja,  ich weiß, auch Small Talk ist wichtig und die Ouvertüre einer jeden guten Konversation. Aber viel zu oft erlebe ich, dass es eben beim unverbindlichen Austausch von Belanglosigkeiten bleibt und das ist mir schlichtweg langweilig. Also habe ich bislang Kaffeekränzchen aller Art erfolgreich vermieden.

Geheuchelte Geselligkeit ist keine Geselligkeit

Ich erinnere mich in diesem Zusammenhang an eine teilstationäre Psychotherapie in der Tagesklinik des Hildesheimer Ameosklinikums. Auf besagter Station war es Brauch und Sitte abgehende Patienten mit einer „fröhlichen Kafferrunde“ zu verabschieden. Da nun auf solchen Stationen ein ständiges Kommen und Gehen herrscht, hatte ich das Vergnügen, jeden Freitag (das war der Entlassungstag) an solch einer Zeremonie teilnehmen zu dürfen. Die Teilnahme war selbstverständlich Pflicht und Bestandteil der Therapie. Der zu entlassende Patient war für die Ausrichtung der Feier verantwortlich und hatte für Kaffee, Kuchen und Dekoration zu sorgen. Die Gruppe ihrerseits sammelte für ein Abschiedsgeschenk, das dann jeweils zu dieser Gelegenheit überreicht wurde.

Zwangsgesellig

Und so saßen wir alle jeden Freitag in einträglicher Runde beisammen, Patienten, Pfleger, Psychologen und Therapeuten aller Art und heuchelten einander vor, wie toll doch das Leben in der Gemeinschaft sei und wie lieb wir uns alle hätten. Das waren die widerwärtigsten Situationen meiner gesamten Therapiekarriere. Ich habe sie gehasst, diese Zwangsgeselligkeiten. Nirgends lernt man Menschen so gut kennen, wie auf einer Psychotherapiestation. Nach einiger Zeit weiß man genau, wie sie ticken, was sie denken und fühlen und wie sie auf dies und das reagieren werden. Und wenn ich eines begriffen hatte, dann war es das: Diese freundliche Gemeinschaft war eine einzige Lüge!

Selbsthilfegruppe bei Depression – Ein Ort der Selbsthilfe?

Ähnlich geht es mir auf Geburtstagsfeiern, Silberhochzeiten und anderen gesellschaftlichen Verpflichtungen. Ich komme da nicht an. Und nun soll ich auch noch freiwillig in eine Selbsthilfegruppe eintreten und genau dies zu meiner Passion machen? Ich weiß nicht. Aber ich weiß, dass auch ich hin und wieder Menschen zum Reden brauche. Jedenfalls, seit ich wieder allein lebe. Ich habe zwar einen sehr verständnisvollen Hund, aber von tiefer gehenden Gesprächen hält der ebenso wenig, wie ich von Smalltalk. Und so führen wir zumeist eine mehr oder weniger einseitige Unterhaltung. Trotz all meiner Vorurteile habe ich mich nun entschlossen, Anschluss an eine Selbsthilfegruppe zu finden.

Ein Versuch

Einer neuen Partnerschaft, die mein Problem der Einsamkeit sicherlich besser in Luft auflösen würde, stehe ich zurückhaltend, ja eher ängstlich gegenüber. Ich fürchte mich vor Verletzungen – Verletzungen, die ich bekommen würde, aber auch vor denen, die ich beizubringen in der Lage bin. Aber so ganz allein in der Fremde, das ist auch nicht das, was ich mir vorgestellt habe. Vielleicht finde ich ja in einer Selbsthilfegruppe gerade so viel an sozialem Kontakt, wie ich brauche und so wenig Verbindlichkeit, wie mir gut tut? Ich werde es ausprobieren und später hier in diesem Blog von meinen Erfahrungen berichten.

Nachtrag 

Selbsthilfegruppe bringt Depressive in Gesellschaft

Seit einigen Wochen gehe ich in so eine Selbsthilfegruppe. Wir treffen uns einmal pro Woche für etwa zwei Stunden. Wir sitzen dann zwanglos beisammen und trinken Kaffee. Jeder der mag, erzählt etwas über sich und die anderen hören zu. Im Laufe der Zeit lernt man sich kennen. Die wichtigste Erfahrung für mich ist aber: Keiner will einem etwas Böses. Die zweitwichtigste: Es gibt dort Menschen, die freuen sich, mich zu sehen. Und auch ich freue mich, die anderen zu sehen. Ich möchte wissen, wie es ihnen geht und wie ihre Woche war. Ich möchte teilhaben an ihrem Leben und sie lassen mich teilhaben.

Von Anderen lernen

Da die meisten ebenso krank sind wie ich, kann ich dort viel über mich lernen. Beim Anderen sieht man es immer bedeutend leichter als bei sich selbst. Diese Selbsthilfegruppe ist wie eine kleine Familie geworden, weil eines unausgesprochen gilt: Hier darfst du sein. Hier musst du dich nicht ändern. Hier bist du willkommen. Wir verstehen dich. Hier darf ich alles sagen. Wenn ich lieber schweigen mag, weil mir noch die Worte fehlen, dann ist das auch in Ordnung.

Ein guter Ort

Es treffen sich dort Menschen verschiedenen Alters und sozialen Standes, Männer und Frauen, die alle eines gemeinsam haben, ihr Wissen um die Depression. Wir tauschen uns aus, hören uns zu und stützen uns gegenseitig. Alles was besprochen wird, bleibt in diesem Raum – eine Regel, an die sich alle halten und von der alle profitieren. Ich bin sehr froh, diese Gruppe gefunden zu haben. Sie ist ein wichtiger Schritt auf meinem Weg aus der Depression. Ich kann jedem Depressiven, egal ob er allein lebt oder in Gemeinschaft nur empfehlen, so eine Selbsthilfegruppe einmal auszuprobieren. Ich halte die Selbsthilfegruppe inzwischen für ein wichtiges Bindeglied zwischen uns Depressiven und der Gesellschaft. Hier gehst du nicht ganz verloren, sondern behältst die Verbindung zu anderen Menschen und so auf gewisse Weise die Verbindung zur Welt. Eine Selbsthilfegruppe ist wirklich eine Einrichtung zur Selbsthilfe.

Quellen zu Selbsthilfegruppe Depression
Foto: clipdealer.de

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