Depression und Persönlichkeitsstörung
Die Depression hat viele Gesichter und tritt in allen möglichen Kombinationen auf, mit Alkohol- und Drogensucht, mit Angststörungen, mit psychosomatischen Erkrankungen und auch mit Persönlichkeitsstörungen. Heute berichtet Chris, wie sie durch die Erkrankung ihrer Seele aus dem Leben gedrängt wurde bis sie schließlich an der Klippe am Abgrund stand. Sie schildert ihr Schicksal, das wohl auch dem vieler anderer Betroffener ähneln dürfte. Die Depression hat viele Gesichter, aber eines haben alle gemeinsam: Sie fordern ein radikales Umdenken. Nur wer in der Lage ist, zu erkennen, das spätestens jetzt etwas passieren muss, hat die Chance, da wieder heraus zu kommen. Danke, Chris, für deinen Bericht über Depression und Persönlichkeitsstörung!
Ein Erfahrungsbericht von Chris
Vor fast 8 Jahren wurde ich im Alter von 40 Jahren freiwillig in die Psychiatrie zwangseingewiesen. Ich hatte da zwar schon bemerkt, dass es mir nicht ganz so gut ging und ich Probleme hatte, manch Alltagssituationen gekonnt zu meistern. Was ich gekonnt nicht bemerkt hatte, war, dass es keinen Alltag mehr gab, denn ich war schon vor Monaten zusammengebrochen. Ich hatte nicht bemerkt, dass ich nur noch „funktionierte“ und nicht einmal das ausreichend und dass ich dem Tod näher war als dem Leben. Doch ich war noch lange nicht „am Ende“. Es folgten zwei Jahre, in denen sich mein Zustand, meine Verfassung, obwohl ich doch schon an der Klippe am Abgrund stand, gar noch verschlechterte, weil mein Kopf einfach nicht akzeptierte, was mein Körper, meine Seele so offen-sichtlich herausschrien: HILFE, ich kann (so) nicht mehr!!!Ich sprang von eben jener Klippe am Abgrund.
Zwei Mal bin ich auf der Intensivstation aufgewacht, dem Tod aus eigener Hand mehr als knapp entkommen und wachte dennoch nicht auf. Der Motor lief und mein Bewusst-sein weigerte sich schlichtweg anzuerkennen, dass ich nicht mehr mein Leben laufen lassen konnte…
Das volle Programm
Klinikaufenthalte, (Psycho-) Therapien ambulant und stationär, Eingliederungshilfen, ambulant betreutes Wohnen, Ergotherapie, Sport usw bestimmten also fortan mein ‚Leben‘. Und weil das noch nicht genug Bestimmung war, bestimmte ein rechtlicher Betreuer für mich, was gut und was schlecht für mich war. Und weil auch das alles nicht ‚half“, waren alle Profis der Meinung, dass ich dauerhaft nur in einem geschlossenen Heim ‚leben‘ könnte. Eine Unterbringung dort wurde veranlasst zum Schutz vor mir selber.
Mir war alles egal. Denn ich hatte nichts mehr zu verlieren, da ich mich selbst verloren hatte.
Zu diesem Zeitpunkt ‚wusste‘ ich nicht, wie ich leben wollte/konnte, nicht einmal, ob ich es überhaupt wollte. Ich wusste gar nichts mehr, ich traute mir selbst und anderen erst recht nicht mehr, ich konnte nichts mehr… ich hatte alle Verantwortung abgegeben an professionelle Verwaltungsinstanzen ohne Herz, dafür mit riesigem Wasserkopf. Ich war durch das ‚Gesundheitssystem geschleust, durch die Maschen der sozialen Netze gefallen, ich hatte mich aufgegeben und so wurde ich aufgegeben.
Sperrt sie weg, sperrt sie ein, wenn es sein muss fesselt sie, schiebt ihr Medikamente rein… die kann sich selbst nicht helfen und wir ihr auch nicht.
Da war ich am „Ende“.
Um mich herum schwarze, tiefe Finsternis, die mich wie ein schwerer Mantel umgab und verhüllte, verschwinden ließ. Das war mein Tod.
Hoffnungslos, lieblos, freudlos, gefühlslos, kraftlos…leer. Leer und einsam.
Die Bilanz
Ich hatte mich aufgegeben, so wurde ich aufgegeben.
Weil es mir egal war, so wurde ich egal.
Ich hatte mich verloren, war weit von mir weg und so sollte ich weg gebracht werden…
Ich half mir selbst nicht, so half niemand mir.
Und am Anfang jeden Satzes steht das Wort „ich“.
Irgendetwas musste ICH nun tun. Denn bei allem Egalsein, gab es etwas, was selbst ich nicht aufgeben wollte. Wenn das auch das Absurdeste war, was man sich nur vorstellen kann, aber immer hin, es gab etwas, was ich nicht aufgeben wollte: ich wollte mir nicht die Entscheidung quasi aus der Hand nehmen lassen, wie ich sterben würde.
Langsam und qualvoll in einem geschlossenen Heim mit „Vollzeitverpflegung“ an legalen Drogen, entschieden von Menschen, die mich vor mir schützen wollten?
NEIN
und so sagte ich das erste Mal: „Nein!!“
Wenn ich schon nicht entscheiden konnte, ob und wie ich leben wollte, so hatte ich wenigstens noch das Eine: die Entscheidung keinesfalls SO sterben zu wollen.
Und so sagte ich: „Nein! Ich gehe in kein Heim!“
So pathetisch sich das anhören mag, aber das wiederum war nach dem Tod die Geburt. Die ‚Geburt‘ des ‚Ichs‘, das „nein“ sagt.
Der entschiedene und damit so entscheidende Schritt zurück ins Leben,
weil er das was war beendete und somit Raum gab für einen (Neu-) Anfang.
Der erste Schritt war getan…
Manchmal, wenn man nicht weiß was und wie und wofür, dann hilft es eben, zu entscheiden, was NICHT und bringt einen so Schritt für Schritt zu dem, wozu man JA sagen kann.
Chris
Quellen zu „Depression und Persönlichkeitsstörung, an der Klippe am Abgrund stehen“
Foto zu Depression und Persönlichkeitsstörung: pixabay.com