Belastbarkeit und Depression

Depression und Belastbarkeit

Die Depression ist keine Einbahnstraße, auch wenn die Belastbarkeit abnimmt.

Schlimme Dinge passieren. Im Laufe eines jeden Lebens ist das so. Den einen erwischt es dabei häufiger und härter, den anderen vielleicht weniger gravierend. Manch einer steckt Schicksalsschläge relativ gut weg, den anderen wirft es womöglich zu Boden. Jeder Mensch ist einzigartig in seiner Konstitution, Belastbarkeit, mit seiner Geschichte, seinem Weg durch das Leben. Allerdings nimmt die Belastbarkeit mit jeder größeren Belastung ab. Der Spruch: „Was uns nicht umbringt, macht uns nur härter.“ scheint sich jedenfalls, zumindest in Bezug auf die psychische Belastbarkeit, nicht zu bewahrheiten. 


Psyche und Belastbarkeit

Das Leben wird immer schneller. Die Belastung steigt stetig, während die Belastbarkeit abzunehmen scheint. Wir produzieren als Gesellschaft immer mehr seelische Erkrankungen. An dieser Stelle scheinen wir keinem stärkenden Trainingseffekt zu unterliegen. Dennoch, härter macht uns das alles schon irgendwie. Wir urteilen zum Beispiel härter. Wir urteilen härter über Andere, aber auch, und vor allem, über uns selbst. Und wir verlieren als Gesellschaft zunehmend die Fähigkeit, mitzufühlen, die Fähigkeit zur Empathie. Das alles macht uns insgesamt tatsächlich härter, ist aber nicht wirklich von Nutzen. Ich bin bei weitem nicht mehr so belastbar, wie ich es früher war.

Ein gutes Maß finden

Inzwischen habe ich aber gelernt, mit meiner geringer gewordenen Belastbarkeit umzugehen und kann nunmehr meine Belastungen auch besser dosieren. So etwas nennt man wohl »Verantwortung für sich selbst wahrnehmen «. Hier ein gutes Maß zu finden, scheint mir die hohe Kunst des Lebens zu sein. Dabei ist ein zuviel an Belastung genauso schädlich wie ein zuwenig.  Belastungen verändern unser Leben. Extreme Belastungen verändern unser Leben extrem. Wer zum Beispiel einmal innerlich bereit war, den Weg aus dem Leben zu gehen, für den wird es vermutlich nie wieder so sein können wie vorher. Er ist durch die rote Tür gegangen, und die fiel hinter ihm ins Schloss. Das ist die schlechte Nachricht. Die gute Nachricht ist, dass sich neue Türen öffnen lassen. Es bieten sich Möglichkeiten, an die du nicht mehr glauben konntest, als du vor der roten Tür knietest.

Die Tür zu einem besseren Leben

Das menschliche Gehirn ist ein wahres Wunderwerk und mit etwas Hilfe sogar in der Lage, sich selbst zu reparieren, neue Verbindungen zu legen und sich in Teilen neu zu strukturieren. Neues Verhalten, Denken und auch Fühlen ist in der Tat erlernbar. Nicht von heute auf morgen und auch nicht ohne Mühe. Aber es ist möglich.

Seit vielen Jahren setze ich mich nun mit meiner Diagnose Depression auseinander. Ich habe viele Informationen gesammelt in dieser Zeit, wichtige und unwichtige, glaubhafte und zu bezweifelnde, Mut machende und niederdrückende. Ich habe mich ein Stück weit selbst besser kennen gelernt und bin auf einem guten Weg, den Kerl zu mögen, der sich mir nach und nach preisgibt. Je stärker mein Selbst wird, umso weniger brauche ich tatsächlich die Depression zu meinen Schutz. Das fühlt sich wohl an und zeigt mir, dass die Richtung, in die ich seit geraumer Zeit gehe, eine gute Richtung ist. Ob sich meine Belastbarkeit so wieder zu alten Stärken entwickelt? Ich weiß es nicht und ich denke, das ist auch nicht entscheidend. Entscheidend wird sein, dass ich jeden Tag ein gutes Maß für mich finde.

Deine eigenen Ressourcen

Es gibt viele Wege aus der Depression und vermutlich ist es auch egal, welchen du beschreitest, solange eben diese Richtung stimmt. Du musst sowieso deinen ganz eigenen Weg finden. Die Wege anderer Menschen können dir vielleicht Orientierung geben und Beispiel, müssen dies aber nicht. Es geht vielmehr darum, wieder Zugang zu den eigenen Ressourcen zu bekommen. Die eigenen Ressourcen sind nämlich keineswegs verloren gegangen, auch wenn dies oft so anmutet. Es ist alles noch da und manchmal tut es gut sich dessen zu erinnern, zu erinnern, was alles im Leben man schon erfolgreich gemeistert hat, wie oft man ausweglos scheinende Situationen dann tatsächlich doch überstand.

Depression ist auch eine Entscheidung

Die Depression ist für viele Menschen eine Einbahnstraße. Das muss aber nicht so sein. Du entscheidest selbst, welche Wege du benutzt, bewusst oder unbewusst. Es ist deine Entscheidung, auch ob du die Depression heilen oder lieber in ihr verweilen magst. Niemand kann dir diese grundsätzliche Entscheidung abnehmen. Nicht immer musst du diese Entscheidung bewusst treffen, aber wenn du bislang keine Idee hattest, wie du der Depression wieder entwachsen kannst, dann lohnt es sich vielleicht  zu prüfen, ob du dich nicht unbewusst für die Depression entschieden hast, ob du dich ihr nicht vielleicht mehr hingibst, als du glaubst, ja vielleicht sogar den einen oder anderen Vorteil daraus ziehst. Natürlich wollen wir derlei Wahrheiten nicht begegnen. Vermutlich verspürst du schon allein beim Lesen solcher Gedanken eine innere Aufruhr. Wenn dem so ist, lohnt es sich doppelt, hier einmal genauer hinzuschauen und ehrlich zu sein, ehrlich zu sich selbst.

Die Kernfrage

Eine grundlegende Frage dürfen wir uns immer stellen, wenn wir psychisch krank werden: Wozu zwingt uns die Krankheit und wovon hält sie uns ab? Entscheidungen können zu bestimmten Zeiten die richtigen sein und zu anderen Zeiten wiederum völlig deplatziert. Am Ende müssen wir es selbst heraus finden, was für uns gut ist und notfalls unsere Entscheidungen korrigieren. Zum Glück dürfen wir das jederzeit tun. Jeder Tag bietet uns diese Chance. Ich denke, es sind am Ende auch Entscheidungen, die uns heil werden, oder in der Krankheit verharren lassen. Gut, könnte man jetzt denken, dann entscheide ich mich sofort, nicht mehr depressiv zu sein. Und warum funktioniert das dann nicht? Nun, es funktioniert schon, nur eben nicht auf die Schnelle. So wie Glück im Leben des Menschen der Weg ist und nicht das Ziel, so verhält es sich meiner Meinung nach auch mit der seelischen Gesundheit.

Depressionen natürlich heilen

Ich muss mich also nur entscheiden und dann werde ich wieder gesund? Im Prinzip ja. Jedenfalls kann mich von außen niemand wirklich gesund machen. Keine Pille kann dies tun und auch keine Psychotherapie. Das sind alles „nur“ Helferlein auf meinem Weg der Genesung.  Auch wenn meine Seele von außen krank geworden ist, muss sie doch von innen heraus heil werden. Ich denke, man kann Depressionen tatsächlich nur auf natürliche Weise heilen, also unter Zuhilfenahme der Selbstheilungskräfte des Menschen. Aber wie soll das gehen? Da wären zuerst die Bedürfnisse jedes Einzelnen zu nennen. Mach dir bewusst, welche Bedürfnisse du hast und sorge dafür, dass sie befriedigt werden können. Und vor allen Dingen: Lass dir helfen! Völlig allein überwindet kaum jemand eine schwere Depression.

Hilfe zur Selbsthilfe

Ohne Hilfe wird es nicht gehen. Hilfe zur Selbsthilfe heißt wohl auch hier das Zauberwort, denke ich. Mit einer stationären Therapie nahm ich seinerzeit eine erste Hürde. Neue Denk- und Sichtweisen wurden mir vermittelt und so langsam tragen sie nun Früchte, die kleinen Pflänzchen, die damals eingesetzt wurden. Ich habe womöglich noch einen weiten Weg zu gehen, aber ich bin stolz darauf, wie weit ich schon gekommen bin.

Heute kann ich das Leben bereits wieder fühlen. Hier und da habe ich sogar schon richtig Lust, zu leben. Das ist ein wunderbares Gefühl für einen Depressiven. Es ist wie ein Kick! Ich bin auch froh, dass ich allmählich wieder auf Menschen zugehen kann. Selbst kann ich mich nämlich nur schlecht zum Lachen bringen. Aber ich kann andere zum Lachen bringen und andere mich. Und es ist schön, dass ich wieder etwas zu lachen habe. Um meine Trauer und meinen Schmerz habe ich mich lange genug gekümmert. Jetzt will ich neue Wege gehen. Ich will wieder lachen können. Das Leben kann so schön sein und nun ist die Zeit gekommen, da ich wieder daran teilhaben möchte.

Es geht darum, die alten Pfade zu verlassen und neue Wege zu begehen. Wege aus der Depression gibt es nicht auf ausgetretenen Pfaden. Ich muss mir diese neuen Wege selbst erkämpfen, gleichsam mit der Machete frei schlagen. Ich muss etwas anders machen, wenn ich etwas anderes haben will. Nur neue Wege führen aus der Depression, alte Pfade leider nicht.

Das Leben ändern

Was könnte es konkret sein, dass du in deinem Leben änderst wolltest? Vielleicht kannst du versuchen, zu akzeptieren, dass manche Dinge oder auch Menschen so sind wie sie sind? Möglicherweise kannst du akzeptieren, dass du selbst völlig in Ordnung bist, wie du bist? Eventuell ist es so. dass du dich immer nur schwer trennen kannst und du übst dich nun fortan, Dinge aus deinem Leben gehen zu lassen, die nicht  mehr gut für dich sind? Vielleicht musst du immer die Kontrolle haben und beobachtest fortan, was Schlimmes nicht passiert, wenn du hier und da die Kontrolle ein wenig aufgibst? Oder du hast immer wieder die Erfahrung gemacht, etwas nicht zu schaffen, ganz einfach, weil du dir deine Ziele sehr ehrgeizig gesteckt hattest und du lernst nun, dass du sehr wohl zu Erfolgen fähig bist, wenn du dir einfach nicht mehr so schrecklich viel vornimmst?

Nicht jede Überzeugung ist ein ganzes Leben gut für dich

Möglicherweise hat man dich gelehrt, dass du es nicht wert bist, dass dieses oder jenes für dich getan wird und du erkennst fortan, dass dies eine Lüge war und spürst, wie gut es sich anfühlt, anstatt aus einer Lüge heraus, aus der Wahrheit zu leben? Oder du bist ein Mensch, der es anderen stets recht machen will und erkennst, dass dies nicht einmal Gott vermag? Vielleicht hast du den einen oder anderen Fehler schon mehr als einmal begangen und erkennst, dass eine weitere Wiederholung nichts aber auch gar nichts zum Guten ändern würde? Oder du glaubtest bislang, die Welt oder ein konkreter Mensch würden dir noch etwas schulden und du erkennst nun, dass du in Wirklichkeit hier dein eigener Schuldner bist?

Was auch immer du zu ändern bereit bist, es wird sich für dich auszahlen.

Ich wünsche dir von Herzen, dass du deinen persönlichen Weg aus der Depression finden mögest! Und wer weiß, vielleicht tust du ja heute schon den ersten Schritt hierfür und triffst die eine  oder andere Entscheidung…

Quellen zu „Wenn sich die Belastbarkeit ändert“

Foto: Uli Carthäuser  / pixelio.de

Belastbarkeit bei Depression