Depression und Überlastung

Überlastung und Depressionen

Depressive Menschen sind leicht überlastet

Es gibt unzählige Tipps und Ratschläge, was man alles gegen Depressionen tun kann. Und alle Vorschläge haben im einzelnen auch ihre Berechtigung. Man sollte eine Therapie machen, Sport treiben, sich gesund ernähren, soziale Kontakte pflegen, sich im kreativen Gestalten üben, musizieren, schreiben, singen, spazieren gehen, tanzen, ins Kino gehen oder ins Theater oder sich auf andere Weise etwas Gutes tun. Das Problem ist nur, dass ein Depressiver eben nicht viel tun kann. Viel zu schnell kommt er in die Überlastung. Das ist ja eben seine Krankheit. Was ist nun realistisch und warum ist es so wichtig, die Ursachen der Depression herauszufinden?


Überlastung als Ursache

Es mangelt mir einfach zu oft an Antrieb, an Motivation. Alle guten Ratschläge setzen den Willen und das Vermögen zur Aktivität voraus, selbst die gesunde Ernährung ist nur möglich, wenn ich meine Speisen auch selber zubereite. Dabei bin ich eigentlich schon mit viel weniger überfordert. Ich schaffe es nicht einmal, mich in ein klärendes Gespräch mit einem anderen Menschen einzulassen. Schon der Gedanke daran macht macht mir Angst, eine Angst, die zu einem haushohen Monster hoch wächst und mich sofort wieder nieder drückt. Ich gehe jedem Konflikt, jedem Problem aus dem Weg, aus Angst vor Überforlastung.

Und tatsächlich sehe ich mich auch sehr schnell überfordert, gerate ich doch einmal in eine Auseinandersetzung. Dann erlebe ich mich, wie meine Sprechpausen immer größer werden, wie ich regelrecht abdrifte und am Ende nur noch äußerlich da bin, aber innerlich in verworrenen Gedankenketten und -spiralen verschwunden bin. Für gesunde Menschen ist es völlig normal, sich auch einmal zu streiten. Es gehört zum Leben dazu, sich auseinander zu setzen, etwas klären zu wollen. Auf diese Weise grenzen sich Menschen ab, nehmen sich wahr und definieren so ihren Platz in der Gruppe. Ähnlich wie Hühner das durch ihre Hackordnung tun. Das ist wichtig für das Zusammenleben. Es bildet Strukturen, die am Ende Sicherheit geben. Es ist gut zu wissen, wo man steht, wo der andere steht, wo also jeder seinen Platz hat. Mich aber führt jedweder Streit erneut in die Überforlastung.

Depressionen und der Platz in der Gesellschaft

Ich habe dieses Gefühl verloren. Ich weiß inzwischen nicht mehr, wo mein Platz ist. Habe ich überhaupt einen Platz? Natürlich habe ich einen Platz, denn es gibt mich ja. Aber wo ist mein Platz innerhalb der Gesellschaft? Wer bin ich, außer der Patient Benno Blues? Ich gehe keiner Arbeit mehr nach, also habe ich in der Arbeitswelt keinen Platz mehr. Freunde habe ich nicht mehr, also bedeute ich auch niemandem etwas. Ich lebe allein, habe mich selbst in diese Situation hinein manövriert. Nicht das ich das wirklich will, aber es ist das, was ich noch am ehesten hin bekomme. Selbst eine Partnerschaft, die mir gewiss gut tun würde, wenn es keine Probleme gäbe, überfordert mich völlig, weil es eben keine Partnerschaft ohne Probleme gibt.

Da wäre noch der Vater Benno. Aber drei meiner vier Mädchen sind schon längst erwachsen und haben ihr eigenes Leben und das habe ich auch immer so gewollt. Die Jüngste habe ich durch meine Trennung von ihrer Mutter verloren. Wir haben seit Jahren keinen Kontakt mehr, was mir sehr weh tut. Wo ist mein Platz? Ich habe ihn noch nicht gefunden.

Depression verschwindet mit Ursache

Und wozu ist das ganze gut? Es dient meiner Meinung dazu, mich neu zu definieren. Deshalb muss ich zunächst alles los lassen. Es ist ein Schritt auf dem Weg, der Depression zu entkommen. Rückzug bedeutet, sich von Verantwortung frei zu machen, alte Lasten abzuwerfen, sich dem Lärm der Welt zu entziehen. Rückzug in sich selbst bedeutet letztlich auch, zu schauen, was will ich eigentlich? Erst wenn ich mein Ego wieder fühlen kann, wenn es wieder stark ist, bin ich bereit für die Welt. Ich habe immer versucht, mein Ego durch Anerkennung von außen stark zu machen. Aber das ist trügerisch. So eine Anerkennung ist oft zweckgebunden, geheuchelt und überaus flüchtig. Ich muss nun lernen, die Anerkennung, die ich zum Leben brauche, aus mir selbst zu speisen. Bis dahin ist es aber noch ein weiter Weg für mich.

Ob die mir verbleibenden Lebensjahre dafür reichen, vermag ich nicht zu sagen. Wie gerne würde ich aus der Depression wieder heraus kommen, aber dies in Angriff zu nehmen, grenzt auch schon wieder an Überlastung. Ich glaube, ich habe mich ganz gut eingerichtet im Hause Depression. Es gibt da ein übergroßes Bedürfnis nach Ruhe und Abgeschiedenheit. Keine Konflikte! Keine Probleme! Dann geht es mir relativ gut. Und so denke ich, ist diese Ruhe und Abgeschiedenheit wohl der erste Schritt, aus der Depression wieder heraus zu gelangen.
Die Depression ist zu etwas gut. Sie ist mein Schutz. Wenn ich diesen Schutz nicht mehr benötige, wird vermutlich auch die Depression überflüssig sein und genauso heimlich verschwinden, wie sie gekommen ist.

Quellen zu „Depression und Überlastung“
Foto zu „Depression und Überlastung“: Rosi v. Dannen / pixelio.de
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