Zweifel an Wirksamkeit der Psychotherapie

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Es ist mittlerweile nicht nur ein medizinisches, sondern auch ein volkswirtschaftliches Problem: Immer mehr Menschen kommen wegen psychischer Störungen ins Krankenhaus. Die Zahl der Betroffenen hat in den vergangenen 20 Jahren um 129 Prozent zugenommen. Laut einem Report der Barmer GEK waren 1990 rund 37 von 10000 Versicherten betroffen, 2010 waren es bereits 85. Auch die Anzahl der diagnostizierten Depressionen ist stark angestiegen. Kollabiert die Seele der Deutschen? Warum werden immer mehr Menschen psychisch krank und welche Aussichten bestehen auf Besserung? Machen sich hier Zweifel an der Wirksamkeit der Psychotherapie breit?


Psychotherapie von Depressionen zu teuer

Besonders stark gestiegen sei die Zahl der Klinikpatienten mit Depressionen und anderen affektiven Störungen. Hier betrug der Zuwachs seit dem Jahr 2000 rund 117 Prozent. Für ihren Bericht habe die größte gesetzliche Versicherung die Daten von mehreren Millionen Patienten für 2010 ausgewertet.Allerdings stieg die Aufenthaltsdauer in Kliniken insgesamt nicht entsprechend an. Das liege daran, dass die durchschnittliche Dauer einer Psychotherapie stark gesunken sei: Im Jahr 1990 hielt sich ein psychisch Erkrankter noch durchschnittlich 45 Tage für eine Psychotherapie in einer Klinik auf, bevor er wieder entlassen wurde. Im Jahr 2010 verließ ein Patient das Krankenhaus im Schnitt bereits nach 31 Tagen wieder. Ein Zustand, der sicher den Sparbemühungen der Krankenkassen geschuldet ist.

Psychotherapie – Depression nur schwer heilbar

Oft könne den Leidenden mit einer Psychotherapie nicht wirklich geholfen werden. Die Rückfallquote sei enorm hoch. Mehr als zwei Drittel  landen demnach innerhalb der ersten zwei Jahre nach einer Psychotherapie erneut in eine Klinik eingewiesen. Bei 30 Prozent der Patienten wird dann die gleiche Diagnose gestellt. 39 Prozent werden wegen einer anderen psychischen Erkrankung aufgenommen. Ein Drittel der Wiedererkrankten wird bereits in den ersten 30 Tagen nach ihrer Entlassung wieder eingewiesen, knapp die Hälfte in den ersten drei Monaten. Die kürzere Behandlungsdauer scheint dabei kaum für die hohe Wiedererkrankungsrate verantwortlich zu sein. Diese blieb seit dem Jahr 2000 quasi unverändert hoch, obwohl die Patienten im Schnitt weit kürzer behandelt wurden. Patienten erleben den Effekt einer Psychotherapie offenbar positiver, als er tatsächlich ist.

Studie bescheinigt Wirksamkeit der Psychotherapie

Eine ergänzende Studie der Barmer GEK ergab, dass sich 69 Prozent der Patienten, die wegen psychischer Probleme in Kliniken behandelt wurden, etwa ein Jahr nach der Entlassung subjektiv besser oder gar sehr viel besser fühlten. Dennoch wiesen 59 Prozent Anzeichen einer mittleren bis schweren Depression auf. Ich kann dieses Phänomen aus eigener Erfahrung bestätigen. Psychotherapie hat meine Wahrnehmung stets weit mehr verbessert, als meine Stimmung. Ich fühlte mich nach einer Psychotherapie gesünder, als ich es war. Vermutlich hängt das damit zusammen, dass die Klinikwelt ein geschützter Bereich ist. Das ist zwar gut, um während der Psychotherapie zur Ruhe kommen zu können, aber es ist eben eine Scheinwelt. Draußen weht ein anderer Wind und ich kann nicht so tun, als ginge alles so weiter, wenn ich mich nur an das neu gelernte hielte.

Veränderung braucht eben Zeit. Neue Nervenbahnen legen sich nicht von heute auf morgen an. An der Wirksamkeit der Psychotherapie schlechthin habe ich allerdings nicht den geringsten Zweifel.

Psychotherapie der Depression – ambulant oder stationär?

Die Krankenkassen stellen nunmehr in Frage, ob das Krankenhaus denn der richtige Ort für eine Psychotherapie sei. Man ist der Meinung, dass eine stärkere wohnortnahe Versorgung durch ein Behandlungsteam im ambulanten oder teilstationären Bereich vielversprechender wäre. Es gibt allerdings auch Untersuchungen, die belegen, das der Effekt einer ambulanten Behandlung noch geringer ausfällt, als der der stationären Psychotherapie. Da beschleicht mich das Gefühl, dass so manch Fachmann in Seelenangelegenheiten schier überfordert ist mit einer Psychotherapie von Depressionen. Bei psychischen Krankheiten braucht es nach meiner Erfahrung vor allem sehr viel Empathie. Aber gerade Empathie macht den Profis das Berufsleben schwer.

Die therapeutische Distanz

Sie sind gehalten, therapeutische Distanz zu wahren, um sich nicht in den Sumpf der Depression ihrer Patienten hinein ziehen zu lassen. Sie sind ständig damit beschäftigt mittels Supervision und anderer Methoden ein geeignetes Nähe-Distanz-Verhältnis zu finden und können sich deshalb oft nicht wie nötig auf den Patienten einlassen. Hinzu kommt, dass die vielen Bausteine einer Psychotherapie wie Gestalttherapie, Bewegungstherapie, Musiktherapie, Arbeitstherapie und Gruppentherapie im ambulanten Bereich nicht zur Verfügung stehen. Das Angebot der Kliniken sollte deshalb meiner Meinung nach für die ambulante Psychotherapie geöffnet und ausgebaut werden. Die Fünfzig Minuten wöchentliche Gesprächstherapie bei einem niedergelassenen Psychologen allein reichen nicht aus, um ein neues Lebensgefühl zu entwickeln. Vieles spräche deshalb aus meiner Sicht für eine lebensnahere Versorgung durch eine Kombination von ambulanter und teilstationärer Psychotherapie.

Eigentlich nur Sparmaßnahmen

Die ermittelten Zahlen in allen Ehren – aber ich habe hier den Eindruck, dass in diesem Fall Statistiken nur für die Begründung von Sparmaßnahmen eingesetzt werden und nicht, wie angebracht, zur Verbesserung der Psychotherapie behandlungsbedürftiger Menschen.

Quellen zu Wirksamkeit der Psychotherapie bei Depression
Spiegel Online   Foto: clipdealer.de

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