Depression und Lebensfreude

Lebensfreude und Depression

Dürfen Depressive lachen?

Dürfen Depressive eigentlich Spaß haben? Und dürfen sie auch lachen? Zugegeben, eher eine rhetorische Frage. Aber eine Frage, die ich mir ernsthaft immer wieder stelle. Ich ertappe mich dabei, dass ich mir Spaß und Lebensfreude erst gar nicht erlaube. Ich denke, es ist Zeit, einmal darüber nachzudenken, warum das wohl so ist…


Es gibt ja Situationen, da wird Spaß zu Recht als unangebracht empfunden, beispielsweise, wenn ein Mensch gestorben ist und die Hinterbliebenen in Trauer versinken oder der etwa angesichts von Naturkatastrophen, Kriegen oder Opfern von Unterdrückung und Folter, an Gedenkstätten menschlicher Tragödien oder etwa wenn ein Mensch im Sterben liegt. Aber wieso kann ich mir auch außerhalb solcher Situationen so selten Spaß erlauben?

Lebensfreude dürfen auch Depressive empfinden

Es gibt schon Momente, wenn gleich auch nicht allzu oft, da bin ich trotz meiner Depressionen zu Späßen aufgelegt. Doch noch viel seltener, als es diese Momente gibt, erlaube ich mir, Lebensfreude auch auszuleben. Ich komme mir dann eher wie ein Betrüger vor. Ein Depressiver kann doch nicht lustig sein, oder? Das passt doch nicht zusammen! Ich habe Angst, dass man mich plötzlich für „gesund“ erklären könnte und ich wieder hinaus muss in die schnelle Welt, wieder funktionieren muss, wie alle da draußen. Und wissend, dass ich dem nicht gewachsen bin, habe ich Angst davor, mir könne jemand meine Diagnose, meinen Schutzmantel nehmen.

Depression und Aufmerksamkeit

Hinzu kommt, dass ich als Depressiver daran gewöhnt bin, bemitleidet zu werden, zumindest ein gewisses Bedauern kann ich immer wieder bei meinen Mitmenschen ausmachen. Ich bekomme so etwas wie Aufmerksamkeit und Zuwendung. Und danach bin ich hungrig. Ich spüre ein schier unstillbares Verlangen nach Wahrnehmung, Beachtung, Anerkennung, Verständnis und Zuwendung. Die Depression hat mir all das verschafft und vermutlich bin weder Willens noch bereit, das wieder her zu geben. Psychisch kranke Menschen haben leider das Defizit, ihre Bedürfnisse nicht ausreichend erfüllen zu können. Zum einen nehmen sie ihre eigenen Wünsche nur unzureichend wahr und zum anderen verfügen sie über keine geeigneten Strategien, ihre Bedürfnisse zu befriedigen.

Während meiner diversen Gruppentherapiesitzungen habe ich immer wieder eines festgestellt, das wohl alle psychisch Kranken verbindet: der Wunsch nach Aufmerksamkeit und Zuwendung ist groß. Und wie gehen wir damit um? Wir zerrütten unsere Beziehungen. Wir ziehen uns zurück, so dass kaum jemand die Chance hat, uns wahrzunehmen. Aus Angst vor Enttäuschungen meiden wir jegliches Risiko und verbauen uns so auch jede gute Möglichkeit. Ja, das ist die zweite Seite der Depression: Sie verschafft zwar Zuwendung, aber sie verhindert sie auch.

Gefühle verbergen

Es ist eine Art Rolle, die ich spiele. Ich bin der depressive Frank. Nach außen wirke ich jedenfalls so. In mir kann es ganz anders aussehen. Mitunter geht es mir tatsächlich richtig schlecht, aber NIEMAND weiß davon. Mitunter geht es mir eigentlich gut, aber nach außen bleibe ich der depressive Frank. Ist es mangelnde Selbstwahrnehmung? Hat sich diese Rolle verselbstständigt? Es ist mir in der konkreten Situation nicht bewusst, dass ich eine Rolle spiele. Es läuft ab, wie ein Film.

Lebensfreude bei Depression nicht zulassen

Ich glaube, es sind Schutzmechanismen, die ich entwickelt habe, um nicht wieder „abzustürzen“. Aber genau diese Mechanismen verbauen mir vermutlich eine Rückkehr ins Leben. Ich hatte schon auch Phasen, in denen ich mich leicht fühlte, ich glücklich und voller Lebensfreude war. Manchmal hätte ich hüpfen können durch mein Leben. Ich war verliebt und ich war rundum zufrieden.

Doch dauerte es meist nicht lange, bis die nächste Bauchlandung kam. Je größer mein Hochgefühl, umso tiefer und schmerzhafter fiel mein Absturz aus. Das wiederholte sich so einige Male, bis die Angst vor den Zusammenbrüchen so stark wurde, dass ich mir kein Hochgefühl, keine Lebensfreude mehr erlaubte. Keine Lebensfreude – kein Absturz, um es auf eine einfache Formel zu bringen. Und seither geht mein Leben so lala. Aber das ist auch nicht das, was ich mir vorgestellt habe. Früher hatte ich viel Spaß, habe gern und laut gelacht und nicht selten sogar dreckig. Spaß und Lebensfreude gehörten zu meinem Leben, man konnte Spaß mit mir haben und ich mochte ihn gern.

Lebensfreude – Heilsam bei Depression

Ich denke, es ist an der Zeit, den kleinen Witzbold wieder ausfindig zu machen. Lachen ist doch gesund! Und wer weiß, vielleicht waren die Abstürze auch nur deshalb so heftig, weil ich unvorsichtig wurde und glaubte, ich hätte meine Depressionen überwunden, gleichsam einem Diabeteskranken, der nicht mehr auf seinen Insulinspiegel achtete, weil es ihm ja augenblicklich gut ging?
Wenn einem die Arbeit manchmal keinen Spaß macht, so kann man doch mit seinen Kollegen Spaß haben. Gerade in solchen Situationen ist Humor eine wirksame Unterstützung. Warum soll das nicht auch im Alltag eines Depressiven funktionieren? Einen Versuch wäre es vielleicht wert…

Quellen zu Lebensfreude und Depression
Foto: pixabay
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