Folgen der Depression

folgen der depression

Depressionen betreffen selten nur jeweils einen Menschen. Angehörige sind auch immer in besonderer Weise mit betroffen. Oftmals werden auch sie krank, seelisch krank, körperlich krank oder auch beides. Depressive leiden, aber auch Angehörige leiden unter den Folgen der Depression, wie dieser Erfahrungsbericht hier auf eindrückliche Weise nachvollziehen lässt.


Erfahrungsbericht

Hallo Benno, hallo liebe (Mit-) Leidenden,

ich möchte als erstes meine Hochachtung dafür aussprechen, dass es diesen Blog gibt. Auch ich habe mich in vielem hier wiedergefunden, was meine derzeitige Situation als Partnerin eines Depressiven angeht.

Eines Sommers bemerkte ich bei meinem Partner, mit dem ich zur damaligen Zeit ein Jahr liiert war, eine deutliche Veränderung seines Wesens. Nichts interessierte ihn mehr, er wollte sich nur noch zurückziehen, alles machte auf einmal keinen Sinn mehr… Ich habe damals gedacht, na gut, er hat Stress auf Arbeit, Stress mit seiner Nochehefrau, wird sich geben. Er, der ein sehr rationaler Mensch ist, sagte und tat auf einmal völlig irrationale Dinge.

Nach einem Jahr voller Missverständnisse, vieler Tränen, einer Zeit, in der er sich völlig abschottete, verbal aggressiv wurde, ich manchmal dachte, wenn die Leute mit denen Du tagtäglich bei der Arbeit zu tun hast, wüssten, was Du wirklich für ein Fiesling bist, einer Zeit in der es mir gesundheitlich immer schlechter ging, fand ich über eine Freundin aus einem völlig anderem gesundheitlichen Grund Hilfe – erst einmal für mich. Nachdem meine Rückenschmerzen schulmedizinisch „austherapiert“ und als chronisch galten, gab mir meine Freundin die Tel.-Nr. ihrer Heilpraktikerin.

Bei einem ersten Termin, in dem mich diese Dame, die ich wirklich sehr schätze, traf, befragte sie mich zu meinen Lebensumständen. Job, Beziehung, Hobbies, usw. Wie erstaunt war ich, als sie mir eröffnete, dass meine Rückenprobleme psychischer Natur waren. Aufgrund der Schilderung meiner Beziehung sagte sie mir dann, dass mein über alles geliebter, aber zu der Zeit für mich emotional nicht mehr erreichbarer Partner offensichtlich unter Depressionen leidet.

Zu dem Zeitpunkt konnte ich viele „Symptome“ einfach nicht mit einer Depression in Verbindung bringen. Ich habe mir dann sehr viele Informationen besorgt, die es mir sehr viel leichter machten und machen, dieses Leiden zu verstehen.

Ich bin irgendwann zu dem Schluss gekommen, dass in seinem Fall die überfordernde, kontrollierende, ja anmaßende Erziehung seiner Eltern die Ursache seiner Depression ist.

Auslöser war eine SMS seiner -jetzt- Exfrau, dass weiß ich auch erst heute. Damals gab ich mir die Schuld an seinem Leiden. Diese meine damalige Haltung wurde noch durch seine Mutter unterstützt, die mir zu Beginn dieser Leidenszeit permanent „Gebrauchsanweisungen“ für den Umgang mit ihrem Sohn an die Hand gab. Heute weiß ich, dass ich damit unbeabsichtigt und auch völlig unbewusst die Depression verschlimmert habe.

Ich, die selbstbewusste, selbstbestimmte junge Frau, die sich nie scheute, den Mund aufzumachen und ihre Meinung zu sagen, mutierte zu einem ja-sagenden, meinungslosen, anspruchslosen Heimchen am Herd (tagsüber in einem Vollzeitjob arbeitende), die ihre Bedürfnisse zurückstellte, weil nach Aussage meiner Schwiegermutter ihr Sohn das genau so wollte. Mutti, die ja auch sah, dass es ihrem Sohn nicht mehr gut ging und sich sein Zustand eher verschlechterte als besserte, wurde nicht müde, mir immer wieder vorzuhalten, was ich noch alles tun müsse, damit es ihrem Sohn endlich wieder besser geht.

Wir leben seit nunmehr 1 1/2 Jahren im „Nebel“, er will nichts davon wissen, dass es eine Depression ist. Noch lehnt er ärztliche/therapeutische Hilfe konsequent ab, aber der Schutzschild wird immer brüchiger. Nachdem wir ein Jahr beide im dicksten Nebel herumgeirrt sind, geht es ihm, mir, uns seit Oktober letzten Jahres besser. Ich muss aber dazu sagen, dass die Geduld, die von mir, von allen Angehörigen in solch einer Zeit gefordert ist, manchmal schwer zu erbringen ist.

Aber auch ich habe gelernt, dass es auf der einen Seite wichtig ist, an der Seite eines Depressiven auszuhalten, manchmal auch zu ertragen, dass ich als Partnerin gerade überhaupt nicht existent bin, was auch für mich zeitweise extrem schwierig ist. Ich habe bzw. wir haben aber auch gelernt, dass sich unsere Beziehung auf eine andere, neue, Ebene bewegt hat. Und so habe ich gelernt, klitzekleine, für ihn aber teilweise sicher hochanstrengende, Gesten der Zuneigung und Zuwendung zu erkennen.

Ich bin die Einzige, mit der er über sein Leiden spricht, er schämt sich unwahrscheinlich davor, von anderen als „Versager“ bezeichnet zu werden, dem bisher alle Frauen weggelaufen sind, der bisher in seinem Leben nichts auf die Reihe bekommen hat außer seinem Beruf, den er liebt. In der Familie weiß keiner Bescheid, er möchte das nicht. Die Kehrseite der Medaille ist allerdings für mich, dass ich im Familienkreis auch niemanden um Unterstützung bitten kann. Mir ist für mich mein Freundeskreis in dieser Zeit sehr wichtig geworden, der mich auffängt, mit mir Zeit verbringt, wenn er Ruhe braucht. Mir ist aber auch sehr wichtig geworden, dass ich für mich selbst da bin und nicht mehr unentwegt, wie noch im September letzten Jahres, meinen Fokus auf ihn richte.

Ich weiß, dass es nicht lange ist, aber wir hatten bis letzte Woche eine richtig tolle gemeinsame Zeit. Seit ca. drei Wochen bemerke ich, dass er sich wieder überfordert, weil ein Teil der Erschöpfung zurückgegangen ist und er nun meinte, alles gut, alles beim alten. Ja, leider!!! Die alten Muster sind wieder am wirken, nun seit letzten Freitag der Rückfall. Für mich kam er nicht unerwartet, für ihn schon. Totaler Rückzug, übers Wochenende verschwunden, eine mehrdeutige SMS am Freitagabend…

Ich habe für mich gelernt, dass ich, seit ich mich über Depressionen informiert habe und für mich selbst Hilfe gesucht habe, viel gelassener damit umgehen kann. Diese Ruhe, die ich dann ausstrahle, überträgt sich wiederum auf ihn. Der Druck, den ich nicht mehr ausübe, seit ich um die Mechanismen dieses Leidens weiß, ist weg. Diese Gelassenheit fällt auch mir nicht immer leicht. Aber ich habe gelernt, nicht mehr alles deuten zu wollen und zu müssen, was er äußert. Ich habe gelernt, zuzuhören, wenn er reden will, nicht über sein Leiden, aber über sein Leben. Momentan versuche ich ihm die Freiräume, die er braucht, weil wieder alles zuviel ist, einzuräumen. Wir leben in einer Zwei-Zimmer-Wohnung, somit ist Rückzug für ihn nicht so leicht. In diesen „Dicke-Nebel-Phasen“ möchte er aber am liebsten allein sein. So verbringe ich meine Abende momentan mit Freunden und viel Sport.

Ich möchte allen Angehörigen nahe legen, sich selbst, wenn es nötig, Hilfe zu suchen. Auch ich war mittlerweile ausgebrannt, am Ende meiner Kräfte – psychisch und physisch. Damit war ich ihm keinerlei Hilfe mehr, zu seiner Last noch eine weitere Last – der depressive Tanz ging weiter. Sein Schritt – mein Folgeschritt usw. Ich musste aus diesem Muster aussteigen, damit es erst einmal mir und damit auch ihm besser ging.

Aus strafrechtlicher Sicht müsste ich jetzt sagen, diese Krankheit gehört verboten, denn sie zerstört Leben. Leider geht das nicht. Ich wünsche allen Mit-Betroffenen Kraft, Geduld und auch Mut. Dasselbe wünsche ich auch aus ganzem Herzen allen Betroffenen.

Rotkäppchen

Quellen zu Folgen der Depression“
Foto zu „Folgen der Depression“: pixabay.com

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