Depression und Egoismus

Depression Egoismus
Egoismus ist nicht schlecht

Egoismus wird vom lateinischen Wort Ego (Ich) abgeleitet und bedeutet so etwas wie Eigennutz. Im Duden-Fremdwörterbuch wird Egoismus als „Ich-Bezogenheit“, „Ich-Sucht“, „Selbstsucht“ und „Eigenliebe“ verstanden. Die Bezeichnung Egoismus hat leider keinen guten Ruf. Vermutlich hat der Einfluss der Kirchen auf das Streben nach Selbstlosigkeit und Opferbereitschaft ihrer Schäfchen einen entscheidenden Beitrag hierzu geleistet. Jemanden als Egoisten zu bezeichnen, gleicht einer Schelte. Ein Egoist zu sein, bedeutet landläufig, sich nur um sich selbst zu kümmern. Ich behaupte allerdings: So einen Menschen gibt es in reiner Form nicht.

Warum Egoismus?

Menschen sind nicht nur gut oder böse. Sie tragen eine große Bandbreite von Eigenschaften in sich, die sich von gut bis böse spannt und in ihrer Gesamtheit und Ausprägung den Charakter der Person ausmacht. Selbst das größte „Arschloch“ ist zu irgendwem auf dieser Welt gut. Das Wort Egoist wird von der Gesellschaft abwertend und gleichbedeutend für rücksichtsloses Verhalten benutzt. Egoistisches Verhalten wird gemeinhin als unanständig beurteilt. „Das macht man nicht!“ Der Begriff Egoismus beschreibt die innere Haltung, einzig persönliche Interessen zu verfolgen, ohne dabei Rücksicht auf die Obliegenheiten Dritter walten zu lassen. Im Extremfall lebt der Egoist sogar auf Kosten oder zu Lasten Dritter.

Das Gegenteil von Egoismus – Der Altruismus

Das Gegenteil vom Egoismus ist der sogenannte Altruismus (alter, lat. = der Andere). Altruismus bedeutet soviel wie Uneigennützigkeit oder Selbstlosigkeit. Es ist eine allein durch Rücksicht auf andere bestimmte Denk- und Handlungsweise. Der Erfinder des Begriffes Altruismus war Comte, ein französischer Mathematiker, Philosoph und Religionskritiker. Er wollte einen Gegenbegriff zum Egoismus schaffen und definierte Altruismus als eine Verhaltensweise, die einem Individuum zugunsten eines anderen Individuums mehr Aufwand als Nutzen einbringt.

Auch hier behaupte ich wieder: So einen Menschen gibt es in reiner Form nicht. Ohne die guten Werke zahlreicher Menschen kleinreden zu wollen – sie taten es auch für sich. Gutes zu tun, tat nämlich auch ihrem Ego gut. Sie taten es nicht selbstlos, denn zumindest erhielten sie Aufmerksamkeit dafür, womöglich Anerkennung oder Bestätigung und wenn es auch nur Selbstbestätigung war. Nein, sie taten es nicht umsonst. Sie hatten etwas davon. Das mindert nicht im geringsten, das Gute, das sie taten. Das nimmt ihnen nur den Heiligenschein.

Meiner Meinung nach gibt es nämlich überhaupt keine Heiligen. Es gibt nur Menschen. Manche von ihnen scheinen heilig zu sein, aber das ist nur der Schein, der Heiligenschein eben. Es ist das, was sie von sich nach außen zu zeigen bereit und in der Lage sind. Das ist aber niemals alles. Es gibt immer auch eine dunkle Seite, einen Gegenpol, der umso stärker ist, je mehr er verborgen wird.

Will ich ein Egoist werden?

Ich habe nun beschlossen, mehr an mich selbst zu denken, mich mehr in den Mittelpunkt meines Lebens zu stellen. Ein „Egoistenschwein“, das nur noch an sich denkt, das ist auf Dauer aber auch langweilig. Menschen brauchen den Austausch. Menschen wollen wahrgenommen werden und am Leben anderer teilhaben. Auch ich will das. Aber ich will das nicht alsht als Altruist, Heiliger und Gutmensch tun, der von aller Welt geschätzt und gemocht wird. Ich möchte in Zukunft einfach selbstzentriert leben, möchte immer ein Auge darauf haben, wie es mir geht.

Ich möchte es gut mit mir meinen und meine Bedürfnisse soweit erfüllen, wie mir das möglich ist. Ja, ich möchte mir all die Wertschätzung entgegen bringen, die ich glaube, verdient zu haben. Ich möchte mich selbst akzeptieren, wie ich bin, dann muss ich nämlich nicht draußen in der Welt danach suchen und darum betteln, so wie ich es mein Leben lang tat.

Gesunder Egoismus

Die Wahrheit ist: Ich kann mir alles selbst beschaffen, was ich zu einem guten Leben brauche und ich habe vor, dies auch zu tun. Ich will es mir zur Aufgabe machen, dass es mir selbst gut geht und dann und zwar genau erst dann kommt der Rest der Welt! Klingt egoistisch? Ist es auch! Aber es gibt eben auch so etwas wie einen gesunden Egoismus. Ich will ein Egoist sein und ich werde mich nicht dafür schämen! Ich habe mich in meinem Leben schon soviel geschämt für dies und das, was man alles nicht tut oder denkt oder fühlt, dass es für noch drei weitere Leben reichen mag. Also genug damit!

Das Leben ist ein Geschenk und schämen sollte sich nur derjenige, der dieses kostbare Geschenk nicht zu schätzen und zu würdigen weiß. Jetzt ist die Zeit gekommen, stolz auf mich zu sein. Mein Vater bekam das nicht hin, warum auch immer, das ist vermutlich so ein Vater-Sohn-Ding. So muss ich das jetzt wohl eben selbst tun…

Egoismus macht glücklich

Ich werde nun wie ein guter Vater für mich sorgen. Ich werde dies tun, so gut ich kann. Mag man mich in Zukunft abwertend „egoistisch“ nennen. Ich nenne es „Verantwortung übernehmen für mich selbst“. Ich bin überzeugt, wenn es mehr Menschen so tun, gibt es weniger Vorhaltungen und enttäuschte Erwartungen und weniger Leid durch komplizierte zwischenmenschliche Beziehungen. Jeder ist für sein Glück selbst verantwortlich. Doch wissen das nicht mehr viele Menschen. Sie glauben, andere müssten dafür sorgen:

  1. der Partner
  2. der Chef
  3. der Pfarrer
  4. die Eltern
  5. die Kinder
  6. die Freunde
  7. die Regierung
  8. die UNO
  9. der liebe Gott

und andere wären hierfür zuständig. Aber das ist ein grundlegender Irrtum. Nur du selbst bist für dein Glück verantwortlich und du findest es, indem du liebevoll für dich sorgst, für deinen Körper und für deine Seele. Und wenn du genug Liebe und Glück für dich gesammelt hast, dann kannst du auch etwas davon abgeben. Das passiert dann ganz automatisch. Wenn du glücklich bist, dann machst du die Menschen, denen du begegnest auch ein wenig glücklicher. Du „strahlst“ es aus. Du steckst andere an, genauso wie du früher mit deiner Depression die Menschen in deiner Umgebung herunter gezogen hast, kannst du ihnen nun etwas Gutes tun.

Was also ist schlecht an Egoismus? Ich kann da nichts finden. Vermutlich hat die Kirche einst diesen Begriff so populär gemacht, um ihre Spendeneinnahmen in die Höhe zu treiben (Oweija. jetzt bin ich böse!). Aber wenn dem so wäre, dann fänd ich das wirklich ziemlich „egoistisch“!

Ein anderes Wort für „Gesunder Egoismus“

Vielleicht wird es einfacher, wieder von der Bezeichnung „Gesunder Egoismus“ abzurücken? Vielleicht lässt sich die Grenze zwischen gesundem und ungesundem Egoismus einfach nicht deutlich genug ziehen? Das Ego sei ein Konstrukt, heißt es, sei erlerntes Verhalten. Es sei fest mit dem Habenwollen verbunden, mit dem Unterschied von Mein und Dein. Ich erlebe das Ego zumeist als einen sehr zerbrechlichen Teil einer Persönlichkeit. Buddha sagt: „Die Wurzel allen Schmerzes liegt im Habenwollen.“ So macht Besitz das Ego scheinbar groß, ebenso wie Macht, Erfolg, Beliebtheit. Aber lässt all dies den Menschen auch tatsächlich größer werden?

Ich glaube, dass Ego ist tatsächlich ein Konstrukt neben dem eigentlichen Selbst. Es verdeckt das Selbst. Mein Selbst kann ich nicht durch das Ego hindurch erreichen. Ich muss mein Ego überwinden. Den Begriff „Gesunder Egoismus“ würde ich deshalb lieber durch den Begriff „Selbstliebe“ ersetzen wollen. Ich denke, dass so besser zum Ausdruck käme, was gemeint ist. Nur die Liebe zu mir selbst, die uneingeschränkte Selbstannahme kann zum Vorschein bringen, was alles in mir ist.

Ja zu mir selbst sagen

Mein Selbst braucht ein Ja. Wir Menschen sind darauf angewiesen, ein Ja zu bekommen. Im dem Moment, da wir das Licht der Welt erblicken, brauchen wir dieses Ja. Optimaler Weise bekommen wir das über unsere Eltern. Später sollten wir gelernt haben, uns dies selbst zu geben. Leider wird uns das zumeist nicht wirklich vermittelt. Diejenigen von uns, die in ein liebevolles, gewaltfreies Umfeld hineingeboren wurden, haben es womöglich leichter damit. Sie erlernen die Eigenliebe quasi so ganz nebenbei.

Aber all die anderen lernen das vorerst gar nicht. Sie sind vielmehr damit beschäftigt, sich Liebe zu verdienen, durch Wohlverhalten, durch Angepasstheit, durch Fleiß, durch Freundlichkeit oder auch durch Nächstenliebe. Sie werden vermutlich ihr ganzes Leben damit beschäftigt sein, sich Liebe zu verdienen, zu anderen lieb zu sein, nur nicht zu sich selbst. Oftmals kann dies dann nur ein schmerzlicher Einschnitt in ihrem Leben ändern, ein Verlust, eine Krankheit oder ähnliches. Oftmals ist die Depression so ein Einschnitt, eine Tür, durch die, einmal hindurch gegangen, nun Selbstliebe beginnen kann.

Selbstliebe

Sich selbst zu lieben heißt, gut für sich zu sorgen. Sich selbst zu lieben, heißt Ja zu sich zu sagen, so wie wir sind. Oftmals wünschen wir uns das von anderen Menschen, ohne es uns je selbst gegeben zu haben. Vermutlich können wir es deshalb auch nie bekommen. Vermutlich bräuchten wir es auch gar nicht mehr so dringend, würden wir uns selbst so annehmen können, wie wir sind, auch wenn wir zumeist so gar nicht dem Bild entsprechen, das wir von uns haben. Denn auch dieses Bild entspricht nicht unserem Selbst, sondern ist ein Abbild, geformt von unserem Ego und dem Ego anderer Menschen, die einmal Einfluss auf uns hatten.

Es sind nur zwei Buchstaben, die unser Leben und das Leben um uns herum, ja vielleicht sogar einmal die ganze Welt verändern könnten. Zwei Buchstaben: JA. Ein Ja steht für Annahme, ein Ja steht für Liebe. Nur ein Ja zu sich selbst kann das Ego und damit den Egoismus überwinden mit all dem Schmerz, der so immer wieder in die Welt kommt. Nur die Liebe vermag es vermutlich, den Weg zum eigenen Selbst zu finden…

Quellen zu „Ego und Depression – Ja zum Egoismus“
Foto: Ich / pixelio.de

Egoismus Depression

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