Selbsterkenntnis und die vier Fenster zur Seele

Selbsterkenntnis

Es gibt genau vier Fenster zur Seele

Selbsterkenntnis ist der erste Schritt zu mehr Selbstbewusstsein. Wer bin ich? Hast du dir diese Frage auch schon einmal gestellt? Sich selbst in Frage zu stellen, ist ein wichtiger Schritt, der Depression adäquat begegnen zu können. Nur wenn ich erkenne, was ich tue und unterlasse, wenn ich erkenne, was ich wann und wo denke und fühle, bin ich irgendwann in der Lage, für mich ungünstiges Verhalten zu ändern und in ein besseres Verhalten zu überführen. Es ist ein mitunter langer Weg, aber durchweg als lohnend wird er von allen, die ihn erfolgreich begangen haben, immer wieder gern beschrieben.


Wer bin ich?

Bin ich der, der ich zu sein glaube? Wer zu sein, glaube ich? Glaube ich der zu sein, der ich bin? Oder glaube ich der zu sein, der ich sein möchte? Bin ich so wie ich mich selbst wahrnehme? Hat Wahrnehmen etwas mit Wahrheit zu tun? Wie ist es tatsächlich um meine Selbsterkenntnis bestellt?

Was ist Wahrheit?

Ist es nicht auch wahr, wie andere Menschen mich wahrnehmen? Wer bin ich? Vielleicht ist es ja die Summe aus vielen Wahrheiten? Ich bin vermutlich der, der ich zu sein glaube, aber auch der, den Andere in mir sehen. Aber wie sehen mich andere Menschen und hat nicht jeder Mensch seine ganz eigene Sicht, seine eigene Wahrheit? Was ist denn nun richtig? Es ist ganz schön kompliziert, wie es aussieht. Und dann gibt es noch diesen Teil in mir, den ich vor mir und vor Anderen verberge. Aber auch dieser Teil gehört doch zu mir und macht mich aus…?

Mein indischer Freund Xavier hat mir die menschliche Seele einmal so erklärt:

Die Seele hat vier Fenster

Das 1. Fenster

Das erste Fenster, ist ein Fenster durch das ich selbst auf mich sehen kann. Andere Menschen können ebenfalls durch dieses Fenster sehen. Ich sehe, was andere sehen und sie sehen dasselbe. Sie sehen an mir, was auch ich von mir weiß. Weil das, was ich sehe, mit dem übereinstimmt, was andere sehen, glaube ich, auch so zu sein.

Das 2. Fenster

Das zweite Fenster ist ein Fenster, durch das nur alle anderen Menschen auf meine Seele sehen können. Ich selbst kann aber nicht durch dieses Fenster sehen. Leider kann ich ihren Blick nicht einnehmen. Ich kann mir aber erzählen lassen, was sie dort sehen. Manchmal erfahre ich etwas über Dritte und es gefällt mir nicht, was ich da höre. Da gucke ich dann vielleicht doch lieber durch ein anderes Fenster.

Das 3. Fenster

Das dritte Fenster ist ein Fenster, durch das nur ich sehen kann und kein Anderer. Niemand außer mir selbst, kann durch dieses Fenster schauen und deshalb hat vermutlich auch niemand den gleichen Blick auf mein Inneres. Ich sehe dort Dinge, die nur ich über mich weiß. Es sind Geheimnisse, die ich nicht so einfach preisgebe. All das, was ich vor anderen Menschen verbergen möchte, befindet sich hinter diesem Fenster.

Das 4. Fenster

Das vierte Fenster ist ein Fenster, durch das niemand sehen kann. Ich selbst kann es nicht, aber auch kein anderer Mensch. Hinter diesem Fenster ist all das verborgen, was den Betrachter vermutlich überfordern würde. Dinge, die ich nicht wahrhaben will, finden sich dort ebenso wie Dinge, die so schrecklich waren, dass kaum jemand sie ertragen mag. Sie sind dort an einem sicheren Ort. Hier überfordern sie niemanden, hier sind sie versteckt.

Selbsterkenntnis – Auf der Suche nach mir selbst

Seit ich an Depressionen erkrankt bin, bin ich auf der Suche nach mir selbst. Es war mitunter ein mühsamer Weg, besonders am Anfang. Man lernt sich nicht mal eben so schnell selbst kennen. Das braucht seine Zeit. Aber ich glaube, dass Selbsterkenntnis nötig ist, damit ich etwas im Leben dauerhaft anders machen kann.

Im Laufe der Zeit soll das Fenster, durch das alle Menschen ebenso sehen können wie ich selbst, das größte Fenster in meinem Haus werden. Das  ist das Ziel des Prozesses von Selbsterkenntnis und Selbstannahme. Je größer dieses Fenster im Verhältnis zu den anderen drei Fenstern ist, umso größer ist auch das Maß an Selbsterkenntnis. An die totale Erkenntnis glaube ich jedoch nicht. Vielleicht schaffen tibetanische Mönche das? Vielleicht glauben sie das aber auch nur. Doch ich denke, ich kann mich der totalen Selbsterkenntnis aufrichtig nähern, indem ich neugierig bin auf mich selbst und mich in Toleranz übe dem gegenüber, was ich in mir entdecken kann. Hier gilt es mitunter, mit alten Überzeugungen zu brechen und einst gefällte Urteile aufzuheben. Nur ein freier, unvoreingenommener Blick vermag ans Licht zu bringen, was bislang verborgen blieb. 

Selbstbewusstsein stärken

Es ist eine spannende Reise, die Reise zu sich selbst und meines Erachtens auch der beste Weg, Glück und Zufriedenheit zu erlangen, die Depression hinter sich zu lassen.  Zu einem gesunden Selbstbewusstsein kann ich meines Erachtens nur durch Selbsterkenntnis und liebevolle Annahme meiner selbst gelangen. Zumeist verstehen wir ja unter Selbstbewusstsein, eine gewisse Stärke und Selbstsicherheit, ein kraftvolles und angstloses Auftreten. Aber oftmals wird uns dies von Menschen vorgespielt, die in ihrem Kern alles andere sind, als ihr Gebärden vorzugeben scheint.

Selbstbewusstsein bedeutet eigentlich weiter nichts, als sich seiner selbst bewusst zu sein. Zu wissen wie man ist, den Mut zu haben, sich selbst anzusehen und zu sich zu stehen, liebevoll anzunehmen, was da ist – das ist Selbst-Bewusstsein. Und aus diesem Bewusstsein heraus erwachsen dann eine innere, ruhige Stärke und Sicherheit. Wirkliches Selbstbewusstsein wird nicht zur Schau getragen, denke ich. Wirkliches Selbstbewusstsein kommt ganz ohne die Show aus. Den Weg der Selbsterkenntnis zu beschreiten, kann vielleicht nicht als einziges unser Selbstbewusstsein stärken, aber ich bin mir fast sicher, es kann es als einziges auch wirklich nachhaltig tun.

Wie begegne ich mir selbst?

Träume

Früher dachte ich, dass Selbsterkenntnis unverdient sei, dass es immer mal wieder ein Geschenk des Lebens an mich wäre. Aber mittlerweile glaube ich, dass man dies auch erlernen kann. Natürlich ist eine entsprechende innere Haltung als Basis hierbei unverzichtbar. Aber dem Zufall muss ich es keinesfalls überlassen. Als aufmerksamer Beobachter kann ich mir selbst überall begegnen und immerzu, tagsüber und sogar nachts. Des Nachts sind es meine Träume, die etwas aus dem Reich des Unbewussten an mich preisgeben. Oftmals scheinen sie keinen Sinn zu ergeben und ich messe ihnen keine besondere Bedeutung bei. Aber wie alles im Leben, haben auch unsere Träume eine Bedeutung und mit etwas Anleitung zur Traumdeutung und ein wenig Übung können wir bald schon lernen, darin zu lesen wie in einem Tagebuch.
 

Liebevolle Annahme oder Selbstbetrug

Den Tag beginnen wir oftmals mit einem verstohlenen Blick in den Spiegel. Vermutlich gefällt uns nicht, was uns da nach dem Aufstehen, vielleicht noch etwas verknittert, entgegen blinzelt. Aber ja, hier begegnen wir uns das erste Mal. So sehen wir aus. Sich selbst zu begegnen heißt auch, diesen Anblick zunächst auszuhalten, um dann, vielleicht nach etwas vergangener Zeit, uns liebevoll ansehen zu können. Schönheit entsteht durch einen liebevollen Blick, heißt es. Aber ein liebevoller Blick kann auch entstehen, wenn wir uns einfach einmal Zeit nehmen, das Schöne an uns zu erkennen. Der Spiegel im Bad ist also der erste Spiegel. Wir alle kennen ihn ihn, beileibe nicht jeder von uns mag ihn auch. Er sei zu ehrlich, sagt man ihm oft nach. Aber genau darauf kommt es an bei der Selbsterkenntnis, auf Ehrlichkeit. Der häufigste Betrug, dem wir wohl regelmäßig aufsitzen, ist nämlich der, in den wir uns immer wieder selbst hinein manövrieren, der Selbstbetrug.

Die Welt als Spiegel meiner selbst

Wenn ich es recht bedenke, ist die ganze Welt um ich herum ein einziger Spiegel. Alles was mir tagsüber begegnet, was ich erlebe und vor allem wie ich es erlebe, hat mehr mit mir selbst, als mit der Welt da draußen zu tun.
  • Nehme ich das Wetter als schlecht wahr, stört es mich? Dann zeigt es mir an, dass ich selbst im Unfrieden bin gerade. Für einen gut gelaunten Menschen gibt es kein schlechtes Wetter.
  • Fällt mir sofort auf, wenn irgendwo Unrecht passiert, wurde ich vermutlich selbst über die Maßen oft ungerecht behandelt und habe es noch immer nicht akzeptieren können, obwohl es womöglich schon sehr lange her ist.
  • Stört es mich, wenn sich jemand immer wieder in den Mittelpunkt schiebt, hätte ich selbst wohl gern diesen Platz. Aber natürlich erlaube ich mir das nicht, weil mir beigebracht wurde, dass vielmehr Bescheidenheit und Zurückhaltung die besseren Tugenden seien.
  • Begegnen mir überwiegend fröhliche Menschen oder eher deprimierte? Eben so sieht es in mir aus.
  • Erlebe ich die Welt im Mangel oder im Überfluss? Erlebe ich sie im Mangel, kann ich daraus auf einen Mangel in mir selbst schließen, erlebe ich die Welt in ihrer Fülle, lebe ich selbst wohl gerade auch aus der Fülle heraus.
  • Wenn ich jemandem etwas rate oder einen Vorschlag mache, lohnt es sich gewiss, mir selbst gut zuzuhören, denn oftmals gibt hier mein Unterbewusstsein ganz intuitiv Wahrheiten preis, die mir durch alleiniges Nachdenken nie hätten bewusst werden können.
  • Kann ich anderen Menschen vertrauen oder habe ich Schwierigkeiten damit? Aus dieser Beobachtung kann ich getrost auf mein Selbstvertrauen schließen.
  • Wie kleiden wir uns? Welche Farben bevorzugen wir gerade, welches Material? Was gefällt uns und was so gar nicht? Farben spiegeln unsere Stimmung wieder ebenso wie hartes oder weiches, warmes oder weiches Material dies vermögen.

Beim Anderen sehe ich es leichter

Wenn das mit der Selbstbeobachtung anfangs vielleicht auch nicht gleich klappen mag, dann können wir bei unseren Mitmenschen damit anfangen. Beim Anderen sehen wir die Wahrheit oftmals leichter. Machen mich Menschen oder Situationen zum Beispiel leicht wütend? Dann sollte ich dankbar sein, denn ich erfahre auf diese Weise, dass es da eine alte Wut in mir gibt, die ich mir womöglich nie recht erlaubte zu fühlen. Das kann eine Wut auf meinen Vater sein oder auf meine Mutter, auf einen Menschen, den ich liebte oder in dessen Schuld ich einst stand oder eine Wut auf Gott. Es sind meist nicht die Menschen oder Situationen im hier und jetzt, die uns heftig reagieren lassen. Sie rühren nur an etwas, das wir schon lange in uns tragen. Sie zeigen uns ein Stück dessen, was wir vor uns und vor anderen zu verbergen versuchen.

Andere Menschen zu beobachten kann mir helfen, den Blick für mich selbst zu schärfen. Ich kann mich zum Beispiel fragen, ob das bei mir etwa auch so ist wie jetzt bei ihr oder ihm. Ich kann mich fragen, was es mit mir zu tun hat, dass mir gerade dieses oder jenes an ihr oder ihm auffällt.

Die Welt ist voller Spiegel. Sie ist eine einzige Projektionsfläche meiner selbst. Ich muss eigentlich nur hinschauen wollen…

Quellen zu Selbstbewusstsein Selbsterkenntnis und Depression

Foto: pixabay.com

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