Wenn der Partner depressiv ist  – Die andere Seite der Depression

Partner depressiv

Angehörige leiden über Gebühr, wenn der Partner depressiv ist

Wenn der Partner depressiv ist, kann es eng werden im früher so gemütlichen Heim. Neben der Depression, die viel Platz für sich beansprucht, zieht manchmal auch noch Kälte mit ein, oft Unverständnis und immer auch Überforderung. Wenn der Partner depressiv ist, fühlen sich die Angehörigen hierbei ebenso überfordert, wie die Betroffenen, fühlen sich der Krankheit regelrecht ausgeliefert. Depressive ziehen sich dann meist zurück und lassen die Menschen, die sie lieben, draußen warten. Es ist eine Zeit höchster emotionaler, mentaler und physischer Belastung. Es ist eine Zeit des Grauens. Auch Maris kann ein Lied davon singen. Maris lebt mit einem depressiven Partner zusammen und möchte helfen, fühlt sich am Ende aber doch nur hilflos. Was es für sie bedeutet, dass ihr Partner depressiv ist, hat sie hier einmal aufgeschrieben.


Erfahrungsbericht von Maris Trost

Hallo!

Zur allgemeinen Erklärung, ich litt selbst unter Depressionen, nahm jahrelang Psychopharmaka (Xanor, Dominal, Citalopram und das alles in sehr hohen Dosen). Als ehemals Selbstbetroffene kann ich durchaus die Gefühle, Gedanken und Ängste nachvollziehen, mehr als mir manchmal lieb ist. Ich will aber nicht die Erfahrung meiner Erkrankung hier teilen, sondern die als Angehörige.

Man liest allerorts über die Erkrankung Depression, findet an jeder Ecke sogenannte „Selbsthilfebücher“ und Leitfäden für Angehörige damit sie auch ja den richtigen Umgang mit ihren leidgeprüften Angehörigen an den Tag legen. Nun frage ich aber vielleicht auch überspitzt – Und wo bleibe ich?

Bevor ich auf den Grund dieser Frage zu sprechen komme, muss ich aber etwas weiter ausholen. Ich lernte meinen Mann, Lebensmenschen, Seelenzwilling, besten Freund und was für wundervolle Attribute es für diesen Mann noch gäbe, vor 5 Jahren kennen und lieben. Zwischen uns lagen fast 1000 km Entfernung, und eine Erkrankung namens Burnout die er erst einmal abstritt.

Psychiatrie

Als „alter Hase“ in psychischen Befindlichkeiten, oder besser Unbefindlichkeiten, wusste ich es aber, dass es so war. Und schleppend gestand es sich auch er zu. Eine Odyssee begann bis er einen Therapieplatz fand. Mit Selbstmordabsichten von ihm wurde ich mehr als einmal konfrontiert und ich hatte nicht mehr Mittel als meine Liebe, meine Stimme am Telefon und meine Worte die ihn davon abhalten sollten ( und es Gott sei Dank auch taten) sich vor den heran brausenden ICE zu werfen. Er kam dann endlich nach langen 6 Monaten des Wartens in stationäre Behandlung, wo ich ihn nach 6 Wochen Therapie abholte und zu mir holte.

Sein Leben änderte sich radikal. Von seinem einstigen Beruf als Diplom-Bauingenieur löste er sich und machte sich in einer ganz anderen Sparte selbstständig. Neuer Beruf in einem neuen Land, neue Frau, also mich, denn wir heirateten. Und es schien erst, als würde er wieder „Land gewinnen“. Wir waren/sind eine richtige Symbiose, uns findet man nur im Doppelpack und unsere Liebe wuchs diese 5 Jahre beständig und tut es noch. Bis……

Partner depressiv – Ein Hochseeschiff

Sein psychischer Zustand glich einem Hochseeschiff. Mal dümpelte er ruhig vor sich hin, mal toste es in ihm, ohne das er es zeigen wollte. Aber mir konnte er nichts vormachen, damals nicht, und heute noch weniger. Mir fiel schon auf dass er Arbeiten, von denen ich ihn bat, dass er sie für mich erledigen sollte, nicht erledigte. Ich drängte ihn aber auch nicht, dachte, er würde es schon machen und so gab es auch nie ein Zeitfenster. An manchen Tagen war es mir dann schon auch zu viel, wenn ich nach einem 10-Stunden Tag nach Hause kam ( 8 Stunden Job, Rest Hin und Rückfahrt) und es war wieder nichts geschehen. Aber ich sah darüber hinweg und erledigte manches von den Aufträgen dann auch selbst. Und ich verschloss die Augen und Ohren vor dem was ich nicht wahrhaben wollte, und auch nicht mehr konnte.

Er wollte stark sein

Mein Mann hingegen wollte für mich stark sein, um mir der Mann zu sein, von dem er dachte das ich genau diesen brauche. Er zog sich mehr und mehr zurück, weil ihn all das überforderte. Und dieser Rückzug war subtil, seine Mauer die er so gerne um sich aufbaute und die ich immer wieder versuchen musste zu durchbrechen. Eigentlich bin ich die Einzige die das schafft. Ob ich stolz darauf bin? Mitnichten, denn ich wünschte mir für ihn, das er ohne diese Mauer leben könnte. Es wäre weniger kraftraubend für ihn, als auch für mich. Unserer Liebe tat dies keinen Abbruch und wird es auch im Leben nicht tun.

Schlimme Dinge

Viele, teils schlimme Ereignisse brachen über uns herein. Eines sei nur hervorgehoben – der Selbstmordversuch meiner  zwanzigjährigen Tochter. Unter mir tat sich in dieser Zeit eine große, reißerische Kluft auf. Und ein Teil von mir erstarrte, obwohl ich mir diese Starre gar nicht leisten konnte. Ich war und bin der Pfeiler in unserer Familie, als auch der Ernährer. Schwäche war nicht erlaubt, erlaubte ich mir nicht. Ich musste stark sein für meine Töchter, jetzt mehr denn je.

Ich kämpfte um und für meine Lieben und es kehrte wieder so etwas wie Normalität ein, oder das was ich dafür hielt. Bis ich meinem Mann sagen musste, er möge sich bitte Hilfe holen, denn ich könnte ihn nicht mehr auffangen- in seiner Traurigkeit nicht, soviel Tränen hatte ich gar nicht, die ich hätte für ihn weinen müssen, in seinem Desinteresse allem gegenüber nicht. Ich wusste da bereits, dass er eine Depression hatte, oder besser ahnte es. Täglich, wenn ich zur Arbeit fuhr, rang ich ihm das Versprechen ab, sich nichts anzutun. Und er versprach es mir, unter der Abnahme des Versprechens meinerseits, das ich ihn nicht verlassen würde. Welch ein Gedanke!

Ich liebe ihn mehr als ich es ausdrücken könnte, ich war weit entfernt von solchem Vorhaben, auch wenn meine Gedanken auf Flucht standen, denn ich brauchte mal Luft. Der Spagat zwischen für die Familie da sein, Haushalt, alle Entscheidungen alleine treffen, finanziell alle abzusichern und dem Job laugte mich aus. Dazu kam dann diese schleichende Angst um meinen Mann. Ihn jeden Tag alleine zu lassen brachte mich fast um den Verstand. Und so kam eben meine Bitte an ihn, sich Hilfe zu holen. Wir gingen gemeinsam zu seinem betreuenden Arzt.

Erneut Selbstmordgedanken

Zu ahnen das der Mensch den man über alles liebt mit dem Gedanken spielt sich etwas anzutun ist eine Sache, es aus dem Mund des geliebten Menschen zu hören eine ganz andere. Als ihn der Arzt fragte ob er Selbstmordgedanken hege und mein geliebter Mann bejahte, tat sich erneut diese reißerische Kluft unter mir auf. Ich dachte selbst sterben zu müssen bei seinen Worten. Aber ich verbarg noch, was in mir tobte. Der Selbstmordversuch meiner Tochter wurde wieder präsent, mit all den hilflosen Gefühlen die einen erdrücken. In mir war eine so unvorstellbare Leere, so als hätte man alles Leben aus mir gesaugt. Aber wieder musste ich stark sein – er war krank und brauchte Hilfe, die er auch annahm. Er musste am nächsten Tag in die psychiatrische Klinik.

Auf dem Weg nach Hause tobte ein Sturm in mir sondergleichen. Es ist erst einige Tage her, also Anfang Dezember, und ich öffnete meine Winterjacke, riss mir meinen Schal vom Hals weil mir alles zu eng wurde. Ich hatte das Gefühl ersticken zu müssen, bekam keine Luft mehr, wollte weg, nur weg, dabei wollte ich aber auch nur eines, für meinen Mann da sein, ihn stützen. Doch diese Angst, sie umklammerte mich, raubte mir den Atem bis ich mich auf eine Mauerbank setzte und zu weinen, nein ausstoßen, schluchzen begann. Erst dann löste sich dieser Panzer um meine Brust und ich konnte wieder durchatmen.

Psychopharmaka

Nun ist mein Mann in der Klinik. Erneut pumpt man ihn mit Psychopharmaka voll, so das kaum noch der Mensch, so wie ich ihn kenne, vorhanden ist. Ich weiß, es ist jetzt von Nöten, aber alleine das Wissen darum macht den Anblick nicht erträglicher. Dazu kommt der zusätzliche Stress der täglichen  Krankenhausbesuche, neben meinem Job, Hunden, Haushalt, Kinder die mich brauchen auch wenn sie erwachsen sind. Die guten Tipps im Sinne von – schau auf dich- kann ich schon nicht mehr hören. Wie soll ich das? Wie kann ich meine Gefühle abkoppeln, wenn ich auf mich schau, indem ich einmal nicht ins Krankenhaus fahre, wo ich doch weiß, dass mein Partner depressiv ist und auf mich wartet, sehnsüchtig wartet?

Ich liebe und vermisse ihn jede Sekunde und weiß schon nicht mehr wo ich zuerst sein soll. Und nun meine Frage – Und wo bleibe ich? Wenn sich wieder Mal alle nach meinem Mann erkundigen, was ich begrüße… ich wünsche niemandem an Depressionen zu erkranken, aber noch weniger wünsche ich jemandem hilflos daneben stehen zu müssen, wenn es den Menschen trifft den man so sehr liebt!

Maris Trost

Quellen zu „Wenn der Partner depressiv ist  – Die andere Seite der Depression – Maris erzählt“
Foto: sokaeiko / pixelio.de 

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