Depression bei Männern – Männer werden nicht depressiv

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Männer sind anders depressiv

Männer werden nicht depressiv. Sie sind omnipotent. Männer stehen ihren Mann, ein Leben lang. Sie ziehen in den Krieg. Männer bauen Häuser und regieren Völker. Männer fliegen in den Weltraum. Sie vollbringen täglich Höchstleistungen. Männer werden verehrt und begehrt. Selbst Gott ist männlich. Soweit der Mythos. Die Realität offenbart allerdings andere Fakten. In Wirklichkeit werden Männer genauso häufig depressiv wie ihre weiblichen Pendants, nur die lassen sich deswegen eher behandeln. Männer schämen sich mehr ihrer Depressionen und sind generell unversierter im Umgang mit ihren Gefühlen. Es passt einfach nicht in das gängige Männerbild, depressiv zu sein. Deshalb wir verborgen, getäuscht und maskiert, so gut es geht.


Warum Männer keine Depressionen haben

Männer werden nicht depressiv. Eine Depression ist aus männlicher Sicht gleichzusetzen mit Schwäche. Männer jedoch sind immer stark. Depressionen hingegen sind etwas für Frauen. Männer erleiden höchstens einmal einen Burnout. Sie setzen aus, nicht weil sie zu schwach sind, sondern weil sie zu viel gearbeitet haben. Männer gewinnen immer, selbst wenn sie verlieren. Und die Statistik untermauert das Ganze noch. Laut Diagnosehäufigkeit erkranken Männer nur halb so oft an einer Depression wie Frauen.

Das starke Geschlecht

Sind Männer nun wirklich das starke Geschlecht und ist die Depression ein Zeichen von Schwäche? Mitnichten! Ich bin der festen Überzeugung, dass Männer mindestens genauso häufig eine Depression entwickeln wie Frauen, vermutlich sogar noch öfter. Doch sind insbesondere Männer von ihren Vätern darauf getrimmt, nach vorn zu gehen, stark zu sein. „Ein Mann weint nicht!“ oder „Ein Indianer kennt keinen Schmerz“. Sprüche wie „Was uns nicht umbringt, macht uns nur härter!“ oder „Wer nicht kämpft, hat schon verloren.“ kennen wir alle zur Genüge.

Das männliche Rollenbild

Männer glauben tatsächlich, immer die Starken sein zu müssen und blenden den weichen, weiblichen, warmherzigen Anteil in sich aus, so gut es geht. Wenn sie nämlich so sind, so richtig männlich, dann bekommen sie die Anerkennung ihrer Väter, auch die so mancher Mutter und auf jeden Fall die der Gesellschaft. Wir wurden durch eben dieses Elternhaus und eben diese Gesellschaft in unser Rollenbild hinein geprägt und versuchen dem mit allen Mitteln zu entsprechen, was natürlich nicht funktionieren kann.

Von innen nach außen

Wir können nicht von außen nach innen leben! Authentisch sind nur die Menschen, denen es gelingt, sich ihrer selbst bewusst zu werden, um dann von innen heraus zu leben. Selbstverwirklichung heißt eigentlich nichts anderes wie Selbstbewusstheit. Ich muss mich nicht verwirklichen, denn ich schon Wirklichkeit. Ich muss nur Ja zu mir sagen können, mich selbst annehmen können. Eigentlich muss ich nur den Wünschen und Vorlieben meiner Eltern eine Absage erteilen können und sein, wie ich bin. Das hört sich leicht an – ist es aber überhaupt nicht!

Depressionen Stärke und Schwäche

Wie bereits erwähnt, werden Männer laut Statistik also deutlich weniger oft depressiv als Frauen. Aber mit Statistik lässt sich ja bekanntlich alles beweisen. Wenn man wirklich etwas wissen will, muss man den Gedankenradius schon etwas größer abstecken. Man muss etwas genauer hingucken. Männer – diese starken und selbstbewussten Typen, die Gott einst schuf, werden offiziell deshalb nicht so oft depressiv, weil sie gar nicht erst zum Arzt gehen. Die Diagnosen werden nicht gestellt, weil es die Männer gar nicht erst bis in die Wartezimmer der Arztpraxen schaffen. Die Statistik weist nämlich auch aus, dass der Männeranteil bei den Suiziden höher ist als der der Frauen. Das müsste nicht so sein, würden sie sich eher oder überhaupt Hilfe holen.

Angst vor einem Outing

Doch in Wirklichkeit haben sie höllische Angst, geoutet zu werden. Die Angst davor, sich selbst zu outen, dürfte noch weitaus größer ausfallen. In Wirklichkeit sind sie nicht das starke Geschlecht, das sie vorzugeben bemüht sind. Sie haben unentwegt Angst, ihren „Ruf“ zu verlieren. Sie befürchten, hinterher als schwach zu gelten, als Versager, als Feigling, als Weichei. Nicht dass ich es schlecht finde, Angst zu haben. Angst gehört zum Leben und schützt uns Menschen. Angst zeigt uns unsere Grenzen, lässt uns aber auch über sie hinaus wachsen. Männer die nicht zum Psychiater gehen, obwohl sie sich niedergeschlagen und ausgelaugt fühlen, sind in Wirklichkeit feige.

Demut ist Stärke

So können sie nicht über sich hinaus wachsen, ihre eigenen Grenzen erweitern. Sie bleiben in sich gefangen, in ihrer Depression und leiden heimlich. Diese Männer verkörpern alles andere als das starke Geschlecht. Wahre Größe zeigt sich nackt, bekleidet sich maximal mit Bescheidenheit. Wirkliche Stärke offenbart auch die eigenen Schwächen. Wahre Größe steht zu sich selbst, egal was passiert. Das ist gewiss nicht dass, was die meisten Väter ihren Söhnen zu vermitteln versuchen und in der Tat, damit erweisen sie ihnen keinen guten Dienst, sondern tragen mit die Verantwortung dafür, wenn ihre Kinder später einmal einer Depression erliegen.

Die wahren Helden

Ich habe sie kennengelernt, reihenweise habe ich sie kennengelernt, Männer die an ihre Grenzen stießen, Männer die sich wie ich in einer Psychiatriestation wiederfanden. Und sie waren alles andere als Versager. Jeder von ihnen hatte seine Geschichte, jeder von ihnen hatte zumeist einen einflussreichen Vater, zumindest einflussreich auf seinen Sohn, was aber nicht immer der günstigste Einfluss war. Sie versuchten allesamt, ihren Mann zu stehen, versuchten jemand zu sein, der Papa gefällt. Jeder von ihnen hat gestrampelt und sich verausgabt und kam doch nie ans Ziel, weil einfach das Ziel nicht stimmte. Diese Männer waren weder feige noch schwach. Denn unter den hiesigen gesellschaftlichen Bedingungen bedarf es einiger Stärke, sich als psychisch krank zu bekennen.

Mut gehört dazu

Und wenn es auch viele von ihnen nicht schafften, sich vor der Allgemeinheit zu outen, so taten sie dies doch vor ihrer Familie, ihren Angehörigen und ihren Freunden. Ich ziehe meinen Hut vor diesen Männern und natürlich auch vor den Frauen, die offen mit ihrer Erkrankung umgehen. Sie beweisen Mut und Stärke. Sie tun all dies, obwohl auch sie Angst haben, es könnten ihnen Nachteile daraus erwachsen. Auch sie haben Angst, ihre Freunde könnten sich von ihnen abwenden oder sie könnten ihren Arbeitsplatz verlieren. Sie haben Angst, ihre Familie könnte sich ihretwegen schämen oder dass sie keinen Partner mehr finden. Die Ängste depressiver Menschen sind mannigfaltig, nicht immer begründet, aber dennoch oft nahezu lebensbestimmend.

Was nicht da ist kann nicht heilen

All diese Menschen, die zu sich und ihren Depressionen stehen, helfen sich selbst am meisten. Du kannst nicht heilen, was du gar nicht hast! Du kannst nicht pflegen, was du verstecken musst! Aber sie helfen auch anderen, nämlich all denen, die sich mit ihrer Erkrankung noch nicht in die Öffentlichkeit trauen und sie helfen vor allen Dingen denen, die irgendwann in ferner Zukunft Depressionen bekommen. Denn je selbstverständlicher wir heute zu unserer psychischen Wirklichkeit stehen, um so leichter machen wir es unseren Kindern später einmal, sich zu einer eventuell auftretenden Depression zu bekennen.

Quellen zu Depression bei Männern
Foto: Paul-Georg Meister / pixelio.de

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