Jugendliche und Depression – Aus dem Leben von Mia
Depressionen sind weit verbreitet und obwohl sie in letzter Zeit immer mehr in den Mittelpunkt medialen Interesses gerückt sind, unterliegen sie immer ungeschriebenen aber allgemein angewandten Tabugesetzen. Weder outen sich die Einen gern, noch können es die Anderen vorbehaltlos akzeptieren. Wovon man aber fast nichts in der Öffentlichkeit wahrnimmt, ist das Thema „Depression Jugendliche und Kinder“. Ein Tabu im Tabu – eine totgeschwiegene Wahrheit. In der Tat ist aber die Suizidrate unter den unter Zwanzigjährigen nach wie vor die Höchste. Eine bittere Wahrheit über Jugendliche, an der das Nicht-Wahrhaben-Wollen sicher auch einen ursächlichen Anteil hat. In diesem Beitrag berichtet die jugendliche Mia (16) über ihre Depression und erzählt davon, wie es sich für sie anfühlt und wo ihrer Meinung nach die Ursachen hierfür liegen könnten.
Ich bin 16 Jahre alt und gehe in eine weiterführende Schule.
Als die Depressionen anfingen
Ich war 13 Jahre alt und bin grad mit dem Bus nach Hause gefahren, als ich aus dem Fenster schaute und dachte: „Ich kann nicht mehr. Ich wär gern tot. Wieso lebe ich noch? Mich braucht keiner! Zu meiner Beerdigung würde keiner kommen.“ An diese Szene kann ich mich noch genau erinnern. Ich hatte keine Freunde – nicht in der Schule und auch nicht außerhalb der Schule. Daheim habe ich gelernt oder ferngeschaut – allein. Ich habe mich in mein Zimmer zurückgezogen und nichts an mich heran gelassen. Ich dachte mir damals nichts dabei und war der Meinung, dass das normal ist.
Freunde
Tja, dann fand ich Freunde, mir ging es besser und ich legte meinen „Schutzpanzer“ ab und als ich in wieder anziehen wollte, funktionierte es nicht. Mir ging es unter anderem schlechter, weil meine Freunde zusammen was unternommen haben, aber mich irgendwie ausgeschlossen haben. Wegen vielen Kleinigkeiten und auch Gründe, die ich nicht erwähnen möchte, ging es mir mit der Zeit immer schlechter. Ich habe mich langsam wieder zurückgezogen. Mir ist Freundschaft extremst wichtig und ich verzeih auch vieles, aber wenn etwas Schlimmes vorfällt, kann ich es nicht verkraften und genau das war im September 2013 der Fall.
Keine Entschuldigung
Meine ehemalige Freundin hat mich hintergangen. Sie… lange Geschichte, auf jeden Fall hat sie, dass nur gemacht, weil sie das einfach nicht wollte, wahrscheinlich eifersüchtig war und mir das nicht gönnen wollte. Ich bekam nie eine Erklärung oder eine Entschuldigung. Sie stellt sich heute noch als das Opfer dar, obwohl ich bereit war ihr zu verzeihen. Dieses Ereignis, schulische Probleme und Stress führten zur Depression.
Rückzug
Mir ging es immer schlechter bis ich wieder nicht mehr leben wollt, die Schule einfach nicht mehr schaffte, mich immer mehr zurückzog und Kontakte abbrach. Ich machte nichts außer im Bett liegen, keine Interessen mehr, kein Sport, einfach nichts mehr außer eine Serie nach der anderen anschauen. In meinem Kopf ist eine Wand durch die ich hindurch muss um mich an Gelerntes und manche Erinnerungen wieder zu erinnern. Konzentrieren ging gar nicht (jetzt ist es einigermaßen okay). Ich konnte nicht einschlafen und als ich aufwachte, fühlte es sich an, als hätte mir diese Phase, wo man träumt und sich erholt, gefehlt.
Nerv getroffen
Im November habe ich den Mut gefasst und habe meiner Mama erzählt, dass ich in Therapie möchte und dass ich mich mal umbringen wollte. Allerdings habe ich ihr nicht erzählt, dass ich zu der Zeit auch nicht mehr wollte. Wir fanden eine Psychotherapeutin, die ich zwar mochte, aber mit ihr Reden empfand ich unwohl. Dann tauschte ich zu meiner jetzigen Psychiaterin mit der ich gut reden kann und die Therapie und Medikation in einem ist. Schon in der ersten Stunde hat sie einen Nerv getroffen. Vor der Therapie hatte ich ein ganzes Jahr fast jeden Tag Magenschmerzen.
Enttäuscht
Ich habe in dem Semester 147 Stunden gefehlt (natürlich entschuldigt). Meine Mitschüler fragten unseren Klassenvorstand ob ich aufhöre usw. Dann war die Frage, ob es die Klasse erfahren sollte. Mir war es eigentlich egal, aber ich wusste, dass manche aus der Klasse damit nicht umgehen können oder es nicht verstehen. Und manche Burschen haben es auch nicht verstanden. Als der Klassenvorstand weg war und ich auch bzw. nicht in Hörweite war, kamen solche Aussagen mit Emo und Ritzen, weil sie nicht verstehen, dass das eine ernsthafte Krankheit ist und Ritzen und sonstige Selbstverstümmelung auch. Wiedermal bin ich von meiner Klasse enttäuscht. Ich erwarte nichts mehr von Menschen, weil sie einen nur enttäuschen. Ich bin der Meinung, dass man das Schülern (und auch manchen Erwachsenen) richtig erklären sollte um ihnen klar zu machen wie ernst diese Krankheit ist.
Verdrängt
Scheinbar habe ich vor meinen Schutzpanzer schlechte Sachen wie die Scheidungen meiner Eltern vergessen/verdrängt. Bei der Scheidung war ich 6 und anscheinend habe ich irgendetwas mitgehört, dass ich dann vom Tisch aufgestanden bin und sagte: „Ihr seid böse. Ihr seid alle böse.“ Und danach habe ich nichts mehr gesagt. Ich kann mich auch kaum erinnern wie die Depression war, bevor ich Freunde hatte. Ich weiß nur, dass es mir richtig Schei** gegangen ist seit dem Gymnasium. Einfach vergessen und mein Schutzpanzer funktioniert halt nicht mehr.
Medikamente
Zur Medikation: ich nehme täglich 200 mg Sertralin, habe Atarax für meine Angst und Trittico zum Einschlafen bekommen. Zusammengefasst haben meine Depressionen angefangen als ich 12 war (ca. September 2009). 2012, besonders die ersten 6 Monaten, waren für mich eine gute Zeit (keine Suizidgedanken). Danach langsam schlechter (Magenschmerzen; 2012/2013). September 2013 war der Crash (unter anderem Suizidgedanken, jeden zweiten Tag geweint, Appetitlosigkeit, keine Konzentration) Seit Jänner d. J. geht es bergauf (unter anderem sehr starke Appetitlosigkeit und niedriger Blutdruck, Zittern und Zusammenbrüche mit/ohne Ohnmacht (empfinde ich allerdings nicht als belastend), Konzentration besser, schulisch noch immer gleich, ich fühle mich im gesamten wohler).
Mia
Quellen zu „Jugendliche und Depression“
Foto: Anne Garti /pixelio.de