Ich will sterben – 14 Gründe es nicht zu tun

ich will sterbenWarum sollte ich noch weiterleben? Oder anders gefragt: Warum sollte ich nicht sterben dürfen? Diese Frage unterscheidet uns Menschen von den übrigen Lebewesen. Wir nehmen die Dinge nicht immer so hin, wie sie sind. Wir stellen Fragen. Insbesondere in Krisenzeiten stellen wir eine Frage immer wieder, die Frage nach dem Sinn des Lebens. Wir stellen diese Frage nicht nach dem Sinn des Lebens schlechthin, sondern nach dem Sinn des eigenen Lebens, ganz speziell. Manchmal dann heißt die Antwort tatsächlich: „Ich will sterben.“ Gerade wenn es Menschen schlecht geht, wenn ihre Kraft aufgebraucht zu sein scheint, drängen sich derlei Gedanken immer wieder auf. 


Die Frage nach dem Sinn

Nicht selten entscheidet so die Frage nach dem Sinn über Wohl oder Wehe, über Glück und Unglück, über Leben und Tod. „Ich will sterben!“ ist, auch wenn es sich so anhört, zumeist kein Entschluss, sondern eine Frage nach dem Sinn des eigenen Lebens. Es ist eine hilflose Frage, eine Frage, die wie keine andere eine Antwort verdient. Auch wenn dies nicht wünschenswert ist, so kann es jedem einmal passieren, dass er an solch einen Punkt in seinem Leben kommt, einem Punkt, an dem sich ihm diese eine Frage aufdrängt – es geht um das Sterben-Wollen.

Ich will sterben – Warum eigentlich?

Normalerweise wollen Menschen leben. Das wohnt uns inne. „Ich will sterben“ heißt übersetzt oft: „Ich will so nicht weiter leben“. Der Selbsterhaltungstrieb ist immer noch einer der am stärksten ausgeprägten Triebe des Menschen. Das ist unser Programm und ob wir wollen oder nicht, diesem inneren Programm folgen wir, selbst wenn wir dafür töten müssten. Die Rechtsprechung nennt das in so einem Fall dann Notwehr und stützt damit unseren Drang, Leben zu wollen. Ich kenne nur zwei Lebenssituationen, in denen dieser Wunsch zu leben, sich in einen Wunsch zu Sterben umkehrt. Einmal sind es sehr alte Menschen, die des Lebens einfach müde geworden sind und sich nun ihre wohlverdiente ewige Ruhe wünschen. Zum anderen sind es todsterbenskranke Menschen, die ihrer Qual ein vorzeitiges Ende bereiten wollen. In diese zweite Gruppe gehören oftmals auch die unter Depressionen Leidenden, auch wenn das die Umwelt vielfach anders wahr nimmt.

So kann es nicht weitergehen

Etwa jede zehnte Depressive beugt sich irgendwann dem Druck seiner Krankheit und wählt schließlich den Freitod als Erlösung. Die Depression ist deshalb leider tatsächlich eine tödliche Krankheit. Menschen, die unter ihrer Depression suizidal werden, also über ihren Tod nachdenken, sich ihren Tod vorstellen, wünschen oder sogar ihren Tod vorbereiten, sind aber oftmals gar nicht wirklich an dem Punkt, dass sie nicht mehr leben wollen. Sie sagen zwar: „Ich will sterben!“ Aber eigentlich wollen nur so nicht mehr leben. Sie wollen so wie bislang nicht mehr weiter leben. Das ist die eigentliche Botschaft der Suizidalität psychisch Kranker! Ebenso ist es die eigentliche Botschaft der Depression. „Ich möchte so nicht mehr weiter leben!“ Depressive interpretieren das oft so, indem sie formulieren: „Ich möchte, dass sich etwas ändert!“ Wenn es nun gelingt, diese Botschaft in die Aussage: „Ich möchte etwas ändern!“ umzuformen, dann ist der Schlüsselsatz für die Genesung ausgesprochen.

Weshalb ich noch nicht sterben sollte

In einem Forum zum Thema „Ich will sterben“ wurde einmal die Frage gestellt, ob jemand zehn gute Gründe nennen könne, um denn weiter leben zu wollen. Zunächst ging ich zu dieser Frage auf Distanz, dann aber erinnerte ich mich daran, dass es auch mir einst an Lebenssinn fehlte. Ich erinnerte mich, wie auch ich nach meinem Nervenzusammenbruch einst krampfhaft nach einem Strohhalm suchte, an den ich mich hätte klammern können, einen Grund, für den es sich lohnte, diese Quälerei weiterhin auszuhalten. Wenn Menschen verzweifelt sind, fehlt ihnen der Weitblick. Ihre Wahrnehmung ist stark eingeschränkt. Sie sehen keine andere Möglichkeit mehr für sich, als all dem auf radikale Art ein Ende zu bereiten.

Wenn der Sinn abhanden kommt

Ich habe damals einen solchen Grund gefunden, allerdings auch nicht aus mir heraus, sondern mit Hilfe von außen. Nun wie du hier eindrucksvoll sehen kannst, bin ich noch immer am Leben. Heute lebe ich sogar wieder gern und von Suizidalität ist kaum mehr die Rede. Ich habe aber inzwischen Verständnis für die Menschen, die gerade keinen Sinn mehr in ihrem Leben sehen und nicht wissen, wofür zu leben es sich lohnen könnte. All jenen Menschen sei dieser Beitrag hier gewidmet. Er ist für alle die geschrieben, die gerade verzweifelt sind, die nicht weiter wissen, für Menschen, die sagen: „Ich will sterben“.

Einige Gründe, nicht zu sterben, habe ich auf dieser Seite zusammen getragen. Es sind mehr als zehn geworden und andere Menschen finden sicher auch noch andere Gründe. Wenn du jetzt in einer Situation bist, in der dir solche Gründe ausgegangen sind, dann findest du hier vielleicht eine geeignete Inspiration, weiter zu machen oder zumindest noch einmal in Ruhe über dich und dein Leben nachzudenken.

Die Reihenfolge der aufgeführten Gründe stellt keine Wertung dar. Möglicherweise wird durch das Lesen einiger Gründe, die bei dir nicht zum Tragen kommen können, dein negatives Gefühl noch verstärkt. Das ist natürlich nicht meine Absicht. Betrachte diese Aufzählung bitte als ein Angebot. Nimm dir gern etwas davon, wenn es dir nützt. Möglicherweise trifft nur ein Ansatz auf dich zu, möglicherweise kannst du auch mit gar nichts etwas anfangen. Lass dich dadurch bitte nicht entmutigen, sondern nimm es zum Anlass, selbst einmal ganz gründlich nach einer Überlebensmotivation zu suchen. Was könnte es sein? Es ist dein Leben! Nur du kannst das wissen. Mir kamen bei derlei Überlegungen folgende Aspekte in den Sinn:

1. Das Leben hält möglicherweise noch viel Schönes für dich bereit

Worauf wir unsere Aufmerksamkeit richten, das nehmen wir wahr. So funktioniert unser Gehirn. Wenn wir alles bewusst verarbeiten wollten, was allein ein Spaziergang an Reizen für uns bereit hält, würde uns der Kopf rauchen, von einer Autofahrt ganz zu schweigen. Wir blenden aus und das ist auch gut so. Im Falle der Depression blenden wir so ziemlich alles aus. Wir sind einzig mit unserem Leid beschäftigt. Das fokussieren wir. Hier liegt unsere ganze Aufmerksamkeit. Unsere letzte Kraft geben wir dafür her. Es gilt jetzt, dieses Leid zu verarbeiten und in unseren Lebenslauf zu integrieren.

Eine Phase

Deshalb hast du nun den Eindruck, dein Leben würde nur aus Leid bestehen und dem wollest du deshalb ein für allemal ein Ende machen. Dem ist aber in Wirklichkeit nicht so, denn wenn die Verarbeitungsphase abgeschlossen ist, in der du dich jetzt befindest, dann bist du auch wieder in der Lage, die schönen Dinge des Lebens wahrzunehmen: die Liebe dir nahestehender Menschen, die Wärme der Sonne, das Wolkenspiel am Himmel, ein Urlaub am Strand, ein gutes Buch, ein Spaziergang in der Natur, ein Abend mit Freunden, ein frisch gezapftes Bier, der Duft von frischem Brot, das Lachen eines Kindes…

Neuanfang

Die Depression gibt dir die Möglichkeit, noch einmal von vorn anzufangen. Wenn du bislang hauptsächlich das getan hast, was Andere von dir erwarteten, dann hast du nun die Möglichkeit das zu tun, was du willst. Es ist nie zu spät, mit dem eigenen Leben zu beginnen, es sei denn du beendest es vorzeitig. Übrigens bist du in guter Gesellschaft. Die meisten Menschen leben zunächst ein Leben, dass sie kaum glücklich macht. Sie sind unzufrieden und ständig auf der Suche nach der Erfüllung, bis sie irgendwann durch einen Schicksalsschlag innehalten können und damit beginnen, die richtigen Fragen zu stellen…

2. Du suchst nach Gründen

Auch wenn dir das womöglich entgangen ist: Du willst leben! Wäre dem nicht so, würdest du dich nicht mit dem Sinn des Lebens, mit dem Sinn deines Lebens befassen. Du bist auf der Suche nach Gründen, weiter zu machen, weil sie dir gerade ausgegangen zu sein scheinen. Und hier kannst du dich auf dich verlassen: Du willst leben! Nicht einmal ein Prozent all unserer Hirnfunktionen laufen bewusst ab und alle wichtigsten, denke ich funktionieren eh unbewusst. Mach dir also keine Gedanken darum, warum du nicht immer alles weißt über dich. Das ist normal. Dein kleines Bewusstsein, dass sich in der Großhirnrinde befindet, wäre schlicht und ergreifend einfach überfordert damit, sich alle Vorgänge in deinem Körper und deiner Seele bewusst zu machen. Statt dessen funktioniert sehr viel ohne dein Zutun. Und nun suchst du nach Gründen.

Verletzungen liegen weit zurück

Die Suche nach diesen Gründen kommt nur deshalb in dein Bewusstsein, weil es einen Konflikt in dir gibt. Es gibt einen Teil in dir, der sehr verletzt ist. Dieser Teil bist du selbst, als du noch ein Kind warst, denn soweit liegt die erste Verletzung zurück. Dieses Kind in dir fühlt sich verlassen, unverstanden und ungeliebt, vielleicht zu Unrecht behandelt oder gar misshandelt. Es schreit vor seelischem Schmerz laut auf und möchte eigentlich nur, dass die Qual aufhört. Dieses Kind in dir wünscht sich Trost. Es wünscht sich, von dir in den Arm genommen zu werden. Du allein kannst dieses Kind beruhigen, indem du dich ihm mit Liebe zuwendest. Auch dieses Kind will leben, darum schreit es ja! Es weiß nur nicht wie. Aber da kannst du helfen…

3. Entscheidungen können falsch sein

Menschen treffen täglich Entscheidungen, gute und weniger gute, richtige und falsche. Mittels unserer Entscheidungen navigieren wir durch unser Leben, bestimmen wie es verlaufen soll. Wir entscheiden uns für einen Beruf, für einen Partner, für einen Freund. Ebenso entscheiden wir uns für einen Wohnort, einen Arbeitgeber und vielleicht für eigene Kinder. Wir entscheiden uns für eine Weltanschauung und eine politische Grundhaltung, für ein Hobby und wohin die nächste Urlaubsreise gehen soll. Ohne Entscheidungen wäre unser Leben ein Chaos. Jetzt gerade befindest du dich womöglich in so einem Chaos, jedenfalls fühlt es sich so an.

Überfordert

Du stehst vor der Entscheidung, weiter zu machen, einer Entscheidung, der sich gesunde Menschen zum Glück nicht stellen müssen. Bedenke aber, dass jetzt kein geeigneter Zeitpunkt ist, eine solche Entscheidung zu treffen! Gestehe dir ein, dass du zur Zeit mit jeglichen Entscheidungen überfordert bist und nur deshalb aus dem Leben gehen willst, um der ständigen Überforderung ein Ende zu setzen.

Trial and Error

Was aber, wenn deine Entscheidung falsch ist? Was, wenn es bessere Lösungen gibt? Im Großen und Ganzen kannst du jeweils jede deiner Entscheidungen auch wieder korrigieren. Das ist nichts Schlimmes. So funktioniert das Leben! Trial and Error, Versuch und Irrtum, heißt diese Methode. Wenn du dich für den Tod entscheidest, könnte die letzte Entscheidung deines Lebens eine schlechte, eine falsche sein. Dein Tod hat nicht nur für dich eine Bedeutung, sondern für viele Menschen in deinem Umfeld. So eine Entscheidung aber wäre endgültig und leider nie wieder zu korrigieren.

4. Viele Menschen überleben die Depression

Wenn auch gerade alles vermutlich ziemlich hoffnungslos um dich herum aussieht (Fachleute sprechen hier vom sogenannten Tunnelblick), für dich scheint es folgerichtig, logisch und gut zu sein – die beste und einzige Möglichkeit scheint die zu sein, dein Leben zu beenden. In Wahrheit ist es aber so, das 90 Prozent aller Depressiven ihre Erkrankung überleben. 90 Prozent! Und hätten die übrigen zehn Prozent rechtzeitig die richtige Hilfe gehabt, könnten auch sie womöglich noch leben.

Du bist nicht allein

Es sind oftmals die Menschen, die sich allein gelassen fühlen, die keinen Sinn mehr in ihrem Leben sehen. In Wirklichkeit bist du aber nicht allein. Wenn du dich zum Beispiel zu einer Gruppentherapie entschließen kannst, wirst du dies sofort eindrucksvoll erleben können. Auch eine Selbsthilfegruppe kann dir dieses Gefühl geben. Mir hat seinerzeit die Gruppentherapie sehr gut getan und Teil einer Selbsthilfegruppe bin ich lange Gewesen. Wenn nun 90 Prozent aller Depressiven nicht sterben mussten, dann kann der freiwillige Tod doch nicht die einzig adäquate Lösung sein, oder?

Es gibt Optionen

Ich habe mir auch einst das Leben nehmen wollen, hatte mich aber, weil ich so verzweifelt war, ungeschickt angestellt. Heute bin ich froh, dass es nicht geklappt hat! Jeder Mensch, der so aus dem Leben geht, ist einer zu viel! Es gibt so viele Optionen! Die kannst du aber erst sehen, wenn du auch bereit bist, weiter zu leben.

5. Sollen deine Enkel ohne Oma/Opa aufwachsen?

Weißt du noch, wie schön es war, wenn du früher bei Oma und Opa warst, wie sie dich verwöhnten und scheinbar unendlich viel Zeit und Verständnis für dich hatten? Kinder brauchen eine funktionierende Familie, wenn sie später selbst einmal eine funktionierende Familie haben sollen. Sie lernen über Vorbilder. Sollen deine Enkel einmal ohne dich aufwachsen müssen? Du hast soviel Liebe in dir, die du ihnen schenken könntest und die sie zum Leben bräuchten. Enkel können ein Lebenssinn, eine Lebensaufgabe werden. Lass dir diese schöne Aufgabe nicht entgehen, denn du wärst eine super Oma bzw. ein toller Opa!

6. Du könntest die Liebe deines Lebens treffen

Vielleicht fühlst du dich vom Leben bestraft, weil du die Liebe deines Lebens noch nicht getroffen hast? Vielleicht hast du gerade eine Trennung hinter dir? Ich bin jedoch der festen Überzeugung, dass es für jeden Menschen einen passenden Partner gibt. Womöglich liegt es nur an deinem mangelnden Selbstwertgefühl? Daran kann man arbeiten. Vielleicht hast du nicht viel Gelegenheit, jemanden kennen zu lernen? Auch dagegen lässt sich etwas tun. Womöglich hältst du dich selbst nicht für liebenswert und leitest davon ab, dass auch andere Menschen dich nicht mögen können? Dann dreh es doch um und schau dir mal all das an, was du gut an dir findest, was du vielleicht gut kannst! Ich bin überzeugt, da gäbe es viel aufzuzählen.

Liebe für dich

Wenn du dich selbst annehmen kannst, dann können es auch andere Menschen. Wenn du dich selbst lieben kannst und es gut mit dir meinst, dann werden es dir Andere gleich tun und es auch gut mit dir meinen. Die Liebe ist das stärkste Gefühl. Liebe vermag alles zu ändern. Du kannst lieben. Fang doch einmal bei jemanden an, der sich mit Sicherheit nicht zurückweisen wird – bei dir selbst. Ich bin mir sicher, wenn du mit dir selbst wieder im Reinen bist und aufgeschlossen für eine Beziehung, wird sie dir über den Weg laufen, die Liebe deines Lebens.

7. Ein Grund nicht zu sterben – Tot bist du noch lange genug

Wenn du einmal die Zeit, die dir zu leben geschenkt ist, ins Verhältnis setzt zu der Zeit, die du tot sein wirst, dann verhält sich das in etwa so wie ein Tropfen Wasser zur Wassermenge aller Ozeane, wie ein Atemzug zur Lebenslänge aller Menschen, die je gelebt haben, aufeinander addiert. Die Zeit deines Lebens ist so unheimlich kostbar, weil einmalig. Nie zuvor hat die Welt einen Menschen wie dich erlebt. Die Bühne gehört jetzt dir! Du hast nur diesen einen Auftritt! Sterben kannst du auch später noch, und tot bist dann auch noch früh und lange genug. Leben aber kannst du nur heute.

8. Du bist nur krank – Dagegen kann man etwas tun

Viele Menschen sind krank. Eigentlich sind alle Menschen krank. Jeder hat irgend etwas, was nicht so ganz optimal läuft in seinem Körper oder seiner Seele. Es ist eine Frage der Definition. Deine Krankheit heißt Depression. Die Depression hat zwar einen schlechten Ruf, meint es aber besser mit dir als Krebs, HIV, Tuberkolose, Ebola, Wundstarrkrampf, Malaria, Hepatitis, Meningitis, Cholera, Lungenentzündung, Typhus oder Kinderlähmung. Ein Symptom der Depression ist zwar die Hoffnungslosigkeit, dies aber völlig zu unrecht. Denn Depressionen sind gut behandelbar. Wenn du dir helfen lässt, wirst du eines Tages ein zufriedenes und glückliches Leben führen können.

Antidepressiva

Es gibt gut wirkende Antidepressiva, die deinen Hirnstoffwechsel auszugleichen vermögen und es gibt gut ausgebildete Psychologen, die mit dir gemeinsam heraus finden werden, warum dein Leben für dich am Ende so unaushaltbar schwer wurde. Im Gegensatz zu allen anderen tödlich verlaufenden Krankheiten hast du als Depressiver eine durchaus realistische Chance auf ein glückliches Leben danach. Manchmal fehlt nur ein Botenstoff im Gehirn oder ist nicht ausreichend da? Das kann man korrigieren. Ich selbst nehme seit vielen Jahren Antidepressiva und bin von ihrer Wirkung überzeugt.

9. Frag die Überlebenden

Jeder ehemals suizidale Mensch, der diese Phase seines Lebens überstanden hat, ist ein lebendiges Zeugnis dafür, das selbst der Todeswunsch eines Menschen nicht das Ende seines Lebens sein muss. Ich bin heute wieder verheiratet, habe mir ein Haus an der See gekauft und mich vor einigen Wochen sogar selbstständig gemacht. Ich habe noch so viele Wünsche und lebe wieder gern! Neben mir gibt es Tausende Menschen, die einen Suizidversuch überlebt haben und heute froh darüber sind. Sie alle haben auch einmal so gefühlt wie du jetzt. Sie alle sind der lebende Beweis dafür, dass diese Phase deines Lebens auch wieder vorüber geht, nicht zwangsläufig die letzte sein muss. Es ist eine Krankheit, die heilbar ist und nicht das Ende aller Hoffnung.

10. Alles hat seine Zeit

Alles im Leben hat seine Zeit. So steht es schon in der Bibel. „Es gibt eine Zeit zum Gebären  und eine Zeit zum Sterben,  eine Zeit zum Pflanzen  und eine Zeit zum Abernten der Pflanzen, eine Zeit zum Töten und eine Zeit zum Heilen, eine Zeit zum Niederreißen und eine Zeit zum Bauen, eine Zeit zum Weinen und eine Zeit zum Lachen, eine Zeit für die Klage und eine Zeit für den Tanz, eine Zeit zum Steinewerfen und eine Zeit um Steine aufzusammeln.

Zeit zu leben

Es gibt eine Zeit zum Umarmen und eine Zeit, die Umarmung zu lösen, eine Zeit zum Suchen und eine Zeit zum Verlieren, eine Zeit zum Behalten und eine Zeit zum Wegwerfen, eine Zeit zum Zerreißen und eine Zeit zum Zusammennähen, eine Zeit zum Schweigen und eine Zeit zum Reden, eine Zeit zum Lieben und eine Zeit zum Hassen, eine Zeit für den Krieg und eine Zeit für den Frieden.“ Es gibt eine Zeit zu Leben und es gibt eine Zeit zu sterben.

Zeit zu sterben

Deine Zeit zu sterben ist noch nicht gekommen! Du wirst noch gebraucht auf dieser Erde! Es gibt noch Aufgaben, die auf dich warten. Wenn deine Zeit zu sterben gekommen ist, wirst du es merken. Es wird sich anders anfühlen als jetzt. Wenn dein Leben erfüllt war und du voller Liebe zurückblicken kannst, dann ist die Zeit gekommen, zu sterben. Wenn es soweit ist, wirst du es fühlen, wirst du es wissen. Jetzt ist diese Zeit noch nicht gekommen. Du bist nur erschöpft und brauchst etwas Ruhe. Du brauchst Zuwendung und Pflege, Aufmerksamkeit und Liebe. Jetzt ist die Zeit der Ruhe und des Genesens. Deine Zeit zu sterben kommt erst später.

11. Du hast noch viel zu geben

Auch wenn du dich momentan schwach und kaum leistungsfähig fühlst, das war nicht immer so. Denke einmal zurück an die Zeit, als du für andere Menschen da sein konntest, du ihnen wichtig warst. Denk einmal an die Zeit, als die Menschen gern deine Hilfe in form von Rat und Tat in Anspruch nahmen und dir dankbar dafür waren. Du hast Spuren hinterlassen im Leben vieler Menschen. Du hast Spuren hinterlassen auf diesem Planeten.

Pause ist gut

Es ist gut, von Zeit zu Zeit eine Pause zu machen und jetzt ist eben mal Pause. Aber du hast noch viel zu geben! Die Tage werden kommen und das wissen besonders diejenigen, die auch einmal an einem seelischen Tiefpunkt waren, die Tag werden kommen, da du wieder gebraucht wirst. Das kann womöglich noch ein wenig dauern, das kann aber auch schon bald sein. Die Welt braucht dich und deine Fähigkeiten, denn niemand hat sie in dieser einzigartigen Kombination wie du. Als du geboren wurdest, warst du reich damit beschenkt, auf dass du den Menschen und der Welt etwas zu geben hast. Warum all diesen Reichtum vergeuden? Weshalb wegwerfen, was andere noch gebrauchen können? Es kommt der Tag, da wirst du wieder mit Freude geben und mit Freude empfangen können. Alles was du jetzt brauchst, ist noch ein wenig Ruhe und etwas Geduld.

12. Deine Kinder brauchen dich

Falls du Vater oder Mutter bist, wird dies der stärkste Grund für dich sein, am Leben zu bleiben. Jedenfalls war das für mich so. Anfangs dachte ich, meine Kinder seien schon groß und bräuchten mich nicht mehr. Aber so ist das nicht. Kinder brauchen ihre Eltern ein Leben lang. Sie identifizieren sich mit ihnen und suchen hin und wieder auch Orientierung. Eltern sind wie Wurzeln. Kinder brauchen Wurzeln. Sie wollen sich gemeinsam mit ihren Eltern an ihre Kindheit erinnern. Kinder lieben ihre Eltern. Für Kinder bedeutet es einen großen Verlust, wenn ein Elternteil stirbt. Sie leiden unermesslich, weil ihnen klar wird, dass dieser Verlust unwiederbringbar ist.

Sie haben etwas anderes verdient

Aller Schutz, alles Wohlwollen, alle Liebe erlischt mit einem Mal. Für Kinder ist es, als entzöge man ihnen den Boden unter den Füßen. Sie würden sich selbst die Schuld geben an deinem Tod und sehr darunter leiden. Vielleicht würden sie nun selbst depressiv werden, denn der Verlust eines nahe stehenden Menschen kann dies auslösen. Zumindest würden sie sehr traurig sein und damit hättest du dein Leid an sie weitergereicht. Das willst du nicht wirklich! Möchtest du stattdessen nicht viel lieber Vertrauen, Liebe, Nähe und Sicherheit an sie weitergeben?

13. Dein Partner braucht dich

Auch wenn du das jetzt womöglich nicht fühlen kannst, aber dein Partner braucht dich. Er oder sie liebt dich und vermisst dich gerade in diesen Tagen und Stunden besonders. Wenn dem nicht so wäre, dann hätte er sich bereits aus dem Staub gemacht. Aber er ist noch da und hält zu dir. Es ist dem Partner eines depressiven Menschen leider nicht vergönnt, dorthin zu gehen, wohin Depressive abwandern, in ihre eigene Welt aus Ängsten, Hoffnungslosigkeit und Ohnmacht. Wie gern würden sie ihren geliebten Menschen begleiten, würden begreifen wollen, was ein Außenstehender nicht begreifen kann, würden helfen wollen, würden etwas vom Leid des Partners abnehmen wollen. Doch all dies dürfen sie nicht. Sie sind dazu verdammt, ein Zaungast der Depression zu sein. Sie sind dazu verdammt, mit zu leiden, die Ohnmacht zu spüren, nicht helfen zu können.

Bürde diese Last besser nicht auf

Dein Partner vermisst dich und wünscht sich sehnlichst, du könntest ihm nahe sein. Dein Partner hält all dies aus, weil er sich an die eine Hoffnung klammert: Dass du wieder gesund wirst und emotional zu ihm zurück kehrst. Er glaubt an dich! Wenn du jetzt gehst, wird er sich die Schuld daran geben. Er wird glauben, nicht genug für dich getan zu haben. Er wird glauben, dass dein Leben wegen ihm unaushaltbar für dich war. Sicher weißt du das besser, aber du weist ja auch, wie das funktioniert mit den destruktiven Gedanken. Später wird niemand mehr da sein, der deinem Partner diese Last von den Schultern nehmen kann, denn es gibt nur eine Person, die es besser wissen und ihm glaubhaft versichern kann und das bist du.

14. Gönne deinen Gegnern diesen Triumph nicht

Heute geht es dir schlecht. Vermutlich geht es dir heute sogar noch viel schlechter als sonst. Hättest du dich anderenfalls auf dieser Seite hier verirrt? Ich denke, du fühlst dich so richtig mies. Du denkst über den Tod nach. Eine schwere Last drückt dich nieder. Sie nimmt dir den Atem. Sie beugt dich so sehr, dass du weder Horizont noch Sonne sehen kannst. Welche Lasten trägst du mit dir herum? Wer hat dir all dies aufgebürdet? Nichts passiert ohne Grund. Es gibt immer Ursache und Wirkung. Und auch dafür, dass es dir heute so schlecht geht, gibt es Gründe. Auch wenn dir diese Gründe im Moment vielleicht nicht klar sind, so existieren sie doch.

Alles Gute ist schon in dir

Nicht immer waren Menschen gut zu dir in deinem Leben. Vielleicht gab es sogar welche, die sich deinen Tod wünschten. Sollten sie am Ende doch gewinnen? Sollten die Recht behalten, die dir ein glückliches, zufriedenes Leben missgönnen? Es sind Typen wie diese, die dich immer wieder klein machten und heute ist dein Ego so winzig, dass du dich außerstande siehst, weiter zu machen. Alles was dich krank gemacht hat, trägst du in dir, aber glaube mir, du trägst auch all dies in dir, was nötig ist, wieder gesund zu werden.

Wir bekommen Infektionen, aber wir haben auch Abwehrkräfte, wir fühlen uns ohnmächtig, aber wir haben jede Menge Ressourcen. Gemeinsam mit einem Therapeuten, lassen sich deine Stärken wieder ans Tageslicht bringen und womöglich sind da sogar einige Talente enthalten, von denen du heute noch gar nichts weißt.

Jeder Mensch braucht eine Motivation

Exemplarisch 14 Gründe, nicht sterben zu wollen – bestimmt lassen sich bei genauerem Hinsehen auch noch weitere Gründe finden. Für mich hat damals ein einziger Grund gereicht, mich überleben zu lassen. Ich wollte kein Leid über meine Kinder bringen. Das hat mich hoch gehalten. Ein Grund – mehr war nicht nötig. Ein Grund ließ mich Abstand nehmen vom Sterbenwollen.  Ich erinnere mich noch gut daran, wie sehr ich am Ende war seinerzeit. Nur dieser eine Satz hämmerte damals in meinem Kopf: „Ich kann nicht mehr!„. Dieser Satz wurde Gott sein Dank nicht zu meinem letzten Satz.

Heute bin ich dankbar für jeden Tag, den ich leben und in meinem Sinne gestalten darf. Hier hast du nun 14 weitere Gründe zur Auswahl. Wenn du magst, schreib gern etwas über dich in die Kommentare und erzähle deine Geschichte. Vielleicht magst du jetzt auch mit jemanden über deine Situation reden. Ein verständnisvolles Ohr findest du rund um die Uhr hier: www.telefonseelsorge.de.

Quellen zu „Ich will sterben – Ich kann nicht mehr“
Foto: Christoph Konitzer / pixelio.de
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