Hören Depressionen wieder auf?

Hören Depressionen auf?

Hören Depressionen wieder auf oder besteht so gar keine Hoffnung?

Es ist wohl eine der meist gestellten Fragen im Zusammenhang mit der Depression: Hören Depressionen wieder auf? Gerade Menschen, die sich in einer Depression befinden, haben das Gefühl, ihr hoffnungslos ausgeliefert zu sein. Phasen der Besserung geben heftigen Rückfällen die Hand. Die Situation scheint hoffnungslos. Da drängen sich irgendwann jedem Betroffenen Fragen auf: Sind Depressionen heilbar? Macht das alles überhaupt noch Sinn? Ich halte es für wichtig, dass diese Fragen gestellt werden. Dabei kommt es zunächst gar nicht auf Art der Antwort an. Entscheidend ist vielmehr, dass überhaupt eine Antwort gefunden wird, um etwas von dem großen Druck dieser Krankheit nehmen zu können.


Kann man Depressionen heilen?

Eine Frage, die sich jeder Depressive schon einmal oder auch öfter gestellt hat, ist die Frage nach der Heilbarkeit der Depression. Kann man erfolgreich eine Depression behandeln? Auch ich habe mir diese Frage wieder und wieder gestellt und erst Frieden gefunden, als ich mich darauf einlassen konnte, dass mich die Depressionen wohl auf ewig begleiten würden. Vor etwa einem Jahr schrieb ich deshalb einen Beitrag zu den Heilungschancen der Depression. Vor etwa einem Jahr war dies mein aktueller Stand. Ich glaubte nicht mehr an eine Heilung. Ich war überzeugt davon, nie wieder ohne Depressionen zu sein. Nachdem ich einige Male enttäuscht wurde und nach guten Zeiten immer wieder heftige Rückfälle hinnehmen musste, wollte ich einfach nicht länger der Versuchung erliegen, an eine Heilung zu glauben. Zu groß waren das Entsetzen und die Enttäuschung mit jedem Rückfall. Also freundete ich mich mit dem Gedanken an, auf ewig depressiv zu sein.

Wer heilt hier wen?

Ehrlich gesagt war das auch gar nicht so schlimm, denn ich hatte mich inzwischen an die Depressionen gewöhnt. Rückfälle hatte ich kaum noch, so das alles so „Lala“ lief. Ich hatte mich mit der Krankheit arrangiert oder besser gesagt, ich bin der Stimme der Depression gefolgt. Die Frage „Kann man eine Depression erfolgreich behandeln?“ müsste also umgedreht werden und lauten: „Kann mich eine Depression behandeln?“

Depressionen hören wieder auf – irgendwann

Das war die Meinung eines meiner Therapeuten, als ich ihn fragte: „Hören Depressionen wieder auf?“. Auf meine Frage, wann das denn sein würde, schüttelte er aber den Kopf. Das wisse er nicht, vielleicht mit 70? Er meinte nur, dass die Depression irgendwann überflüssig sei, weil die Betroffenen gezwungen wären, ihr Leben zu ändern. Aus heutiger Sicht kann ich das bestätigen. Ich habe mein Leben massiv verändert. Den Stress habe ich von 100 auf 20 reduziert. Ich habe alle Ehrenämter abgegeben, habe eine mir nicht gut tuende Beziehung beendet, meine Arbeit aufgegeben und vorzeitig die Rente beantragt. Der lauten Stadt kehrte ich den Rücken zu und verzog in eine ruhige, ländliche Gegend. Dort kaufte ich mir ein kleines Haus.

In Ruhe und Frieden

Hier lebe ich nun  in Ruhe und Frieden mit mir und meinen Tieren und merke, wie die Lebensgeister tatsächlich langsam wieder zurückkehren. Möglicherweise ist ja die Depression selbst die eigentliche Heilung?Möglicherweise ist ja die Depression selbst die eigentliche Heilung?

Ruhig angehen lassen

Wann in meinem Fall die depression wieder aufhört, weiß ich natürlich nicht, aber ich bin inzwischen ganz guter Dinge, dass dies irgendwann geschehen kann. Inzwischen konnte ich sogar schon wieder einen Schritt auf die Menschen zu machen und bin in eine Selbsthilfegruppe eingetreten. Als ich damit aufhörte, zwanghaft meiner Genesung nachzujagen, schien sie von ganz allein zu passieren. „Ohne Druck“ heißt das Zauberwort hierbei. Denn jeglicher Druck verstärkt nach meiner Erfahrung nur die Depression. Also lasse ich es nur noch ruhig angehen und glaube daran: Irgendwann hören die Depressionen wieder auf.

Die Depression behandeln oder als Schutz bestehen lassen?

Heute weiß ich auch, warum ich irgendwann nicht mehr an ein Ende der Depression glauben wollte. Übrigens sehen das viele Depressive so. Sie glauben nicht mehr an eine Genesung oder haben noch nie daran geglaubt. Ich brauchte die Depression als Schutz. Ich wollte meine Depression gar nicht hergeben, denn ich hatte begriffen, dass sie mir gut tut. Wäre die Depression nicht gekommen, würde ich mich heute noch völlig sinnlos abstrampeln und an allem festhalten, egal ob es mir gut tut oder nicht. Ich hätte organische Krankheiten entwickeln müssen, um pausieren oder unter der Akzeptanz der Gesellschaft mein Leben ändern zu können. Heute ist klar, dass ich Depressionen habe. Ich mache keinen Hehl daraus. Ich stehe dazu.

Eine neue Welt

Viele sehen mich deshalb in einer Art Schmuddelecke stehen, in guter Gesellschaft mit Faulenzern und Versagern. Als Depressiver kann man kaum Anerkennung in der Gesellschaft erwarten, manchmal Mitleid, manchmal Neid, oft Hilflosigkeit, noch öfter Unverständnis. Aber das hat auch sein Gutes, jedenfalls für mich, der ich stets ein Anerkennungsjunkie war. Da ich ohnehin nicht mehr als vollwertiges Mitglied der Gesellschaft akzeptiert bin, kann es mir inzwischen egal sein, was die Leute über mich denken und reden. Es ist ihre Welt und ich habe meine Welt. Ich bin stolz auf meine Welt. In ihre Welt der Normen und Ansprüche, der Gepflogenheiten, Erwartungen und Zwänge will ich auf keinen Fall zurück. Das ist eine mich krank machende Welt. Die Statistiken belegen das Jahr für Jahr. Nein, ich fühle mich wohl in meiner neuen Welt.

Die Depression erschafft die neue Welt

Wenn du dem Ruf der Depression folgst, wenn du die Botschaft für dich entschlüsselst und dir zu eigen machen kannst, dann hast du gute Chancen auf ein neues, besseres Leben. Du wirst mehr auf dich selbst achten und auf deine Bedürfnisse. Du wirst lernen, zuerst gut zu dir selbst zu sein. Wenn es um die Erfüllung von Bedürfnissen geht, wirst du dich nicht länger wie selbstverständlich hinten anstellen. Du wirst Freude daran haben, zu entdecken, welches in Wirklichkeit deine Wünsche sind, deine ureigensten und nicht die, die dir die Gesellschaft schmackhaft macht durch Vorbild und Werbung. Du wirst lernen, für deine Bedürfnisse einzutreten und sie zu erfüllen, so gut es dir möglich ist. Dass du selbst ein glückliches Leben haben kannst, das wird der Sinn deines Lebens werden und alles drum herum fügt sich dann wie von allein dazu.

Ein selbstzentriertes Leben

Du wirst dich in Zukunft fern halten von den Hamsterrädern der modernen Konsumgesellschaft und deinen ganz eigenen Platz finden auf dieser Erde, wo immer der auch sein mag. Für jeden Menschen gibt es einen solchen Platz. Du wirst ein glückliches und zufriedenes Leben führen, ein selbstzentriertes Leben. Und du wirst eine Frage nicht mehr stellen: Wie soll ich meine Depression behandeln? Dich wird auch nicht mehr interessieren, ob die Depression irgendwann wieder aufhört, denn das hat sie dann vermutlich längst getan.

Wann hat die Depression ein Ende

Wann ist eine Depression eine Krankheit? Ich würde diese Frage folgendermaßen beantworten: Eine Depression ist immer dann eine Krankheit, wenn Leidensdruck besteht, wenn Menschen glück- und freudlos durch ihr Leben gehen oder gar daran denken, es zu beenden. Das bedeutet für mich im Umkehrschluss, dass meine Depression für mich dann ein Ende hat, wenn ich wieder überwiegend glücklich und zufrieden bin. Und wenn dies nur unter den Bedingungen zu erreichen ist, dass ich Antidepressiva einnehme und ein Rentnerleben führe, dann ist es eben so. Entscheidend ist doch, wie ich mich fühle. Und zur Zeit fühle ich mich gut, richtig gut, und das schon viele Monate.

Sich der Depression stellen

Vermutlich ist es tatsächlich so, dass die Depression geht, wenn alles gesagt ist, was zu sagen war. Wenn sie dich nichts mehr lehren kann, dann hat sie ihre Aufgabe erfüllt. Dann macht sie sich vom Acker, genauso leise wie sie gekommen ist. Darum ist es aus meiner Sicht so wichtig, die Depression anzunehmen, sie nicht sofort wegmachen zu wollen, wie unsere Mediziner es berufsgezwungen tun. Du musst durch sie hindurch gehen, wie durch eine Trauer. Es ist ja auch eine Art Trauer. Kann man Trauer einfach so weg machen? Nein! Man kann sich zwar ablenken, aber das löst die Trauer nicht auf. Man kann sich betäuben, aber auch das wirkt bekanntlich nur kurzzeitig. Egal was du auch tust, du wirst nicht umhin kommen, dich deiner Trauer zu stellen und so ähnlich verhält es sich meiner Meinung nach auch mit der Depression.

Ein Nein und ein Ja zur Heilung der Depression

Ich halte es für richtig, die Frage nach der Heilbarkeit der Depression am Anfang und solange die Botschaft der Depression nicht im täglichen Leben umgesetzt wurde, für sich selbst ruhig mit „Nein“ zu beantworten. Ein zu frühes „Ja“ würde womöglich gleich wieder Druck erzeugen und die Depression nur verstärken. Alles braucht seine Zeit, gerade wenn es um die Psyche geht. Wie heißt es doch so schön? „Die Seele geht zu Fuß.“ So hat es einmal eine Therapeutin formuliert. Später ist es gut und richtig, diese Frage mit „Ja“ zu beantworten, denn wenn die Depression ihren Zweck erfüllt hat, warum sollte ich dann noch an ihr festhalten? Festhalten müssen nur diejenigen, die nichts in ihrem Leben ändern wollen oder können, was aber irgendwie doch wieder auf „wollen“ zurück läuft. Das soll keine wertung sein, keine Beurteilung, nur ein Benennen.

Schutz vor Überlastung

Diese Menschen brauchen die Depression zum Schutz vor Überlastung. Diese Menschen arrangieren sich mit ihrer Depression und ich habe den Eindruck, es wäre nicht gut, ihnen eine wohlgemeinte Heilung aufzuschwätzen. Sie brauchen eben noch Zeit oder schaffen den Ausstieg aus der Depression eventuell auch nie. Aber das haben sie tief in sich drinnen dann selbst so entschieden.

Mein Fazit zu „Hören Depressionen wieder auf?“

Nun habe ich zwar nicht viel Neues zum Thema „Sind Depressionen heilbar?“ beisteuern können, seit meiner ersten Auseinandersetzung mit dieser Frage. Die Grundaussage war damals schon eine ähnliche. Dennoch hielt ich es für wichtig, den Fokus einmal auf die Möglichkeiten, Aussichten und Hoffnungen zu richten. Ich hielt es für wichtig, dem Ganzen eine positive Ausrichtung zu geben. Die Aussage, dass Depressionen nicht heilbar seien, bauen ein depressiven Menschen schließlich nicht unbedingt auf. Ich hielt es daher für wichtig, meine Aussage von damals noch einmal neu zu beleuchten, zu erklären und zu ergänzen.

Depressionen hören wieder auf

Vor einem Jahr hatte ich auch noch einen anderen Stand. Was ich schrieb war jedoch ehrlich. Heute ist es zwar anders, aber mein Beitrag vom letzten Jahr hat auch weiterhin seine Berechtigung. Er und alle anderen Beiträge spiegeln meinen Weg durch die Depression wider mit allen Gedanken und Gefühlen die mich begleiteten und deshalb lasse ich auch alles so stehen. Es ist meine Geschichte der Depression. Eine Geschichte, die einen guten Ausgang genommen hat. Heute kann ich sagen: „Ja, Depressionen hören wieder auf – irgendwann! Ja, Depressionen sind heilbar!“ Und genau diese Erfahrung wünsche ich allen, die unmittelbar oder mittelbar von der Depression betroffen sind.

Quellen zu „Hören Depressionen wieder auf“
Foto:  knipseline  / pixelio.de 

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