Gute Zeiten sind immer möglich auch mit Depressionen
Depressive Menschen glauben oft nicht mehr an sie, die guten Zeiten. Zu sehr wurden sie verletzt. Zu groß ist der Schmerz, der alle Wahrnehmung in einen grauen kalten Nebel aus Leid und Hoffnungslosigkeit hüllt. Sie scheinen verschwunden, nie da gewesen, die guten Zeiten. Aber wenn wir ehrlich sind, wenn wir uns Mühe geben, dann erinnern wir uns ihrer. Gute Zeiten sind immer möglich, sogar während einer depressiven Episode. Auch wenn uns immer gut gelaunte Werbegesichter etwas anderes weismachen wollen – selbst gute Zeiten haben ein Ende, eine Unterbrechung. Es ist sogar so, dass wir Menschen den Kontrast dringend brauchen, um das Gute um uns herum und in unserem Leben überhaupt wahrnehmen zu können. Wenn es uns immer nur gut ginge, dann könnten wir dies nicht mehr ausreichend spüren.
In der Depression wohlfühlen
Hier und da kommen mir manchmal so Gedanken. Dann habe ich Zweifel an dem, was ich hier tue. Eigentlich wollte ich mit diesem Blog den Menschen in Krisensituationen zurufen: Haltet durch! Es lohnt sich! Das Leben ist schön, wenn das, was hier gerade passiert, vorbei ist. Vermutlich kann ich das nicht wirklich, weil ich die Welt oft so sehe, wie ich sie sehe. Denn auffallender Weise gerade dann, wenn ich nicht auf Wolke Drei bis Sieben unterwegs bin, zieht es mich an meinen Rechner und ich beginne aufzuschreiben, was in mir ist. Es sind nicht gute Zeiten, die mich veranlassen, aufmunternde oder Hoffnung schenkende Beiträge zu verfassen. Es sind eher jene Zeiten mit der Tendenz zur Schwere.
Wenn ich gute Zeiten habe
Wenn es mir gut geht, ich gute Zeiten habe, kommt deutlich weniger, will deutlich weniger aus mir heraus. Eigentlich wollte ich anderen Menschen Mut machen mit meinem Blog. Menschen, die wie ich unvermittelt in eine Lebensphase gerieten, die alles Bisherige völlig auf den Kopf zu stellen scheint, wollte ich so gut es geht zur Seite stehen. Ich wollte sie erreichen, wenn sie selbst sich nicht mehr erreichen können, wenn sie sich verloren glauben und ohne Hoffnung sind. Aber kann ich das überhaupt, wenn auch ich immer wieder in depressive Phasen hinab gleite? Ist es nicht vielmehr so, dass ich Menschen mit in meine Depression hinein ziehe? Wenn es mir nicht so gut geht, und ich mich unter das Volk mische, dann spüre ich meinen Einfluss auf sie.
Kann ich Menschen helfen?
Hier im Blog bekomme ich zwar viele anerkennende und auch Dank ausdrückende Kommentare, aber helfe ich den Menschen wirklich aus ihrem Leid heraus oder bin ich ihnen nur dabei behilflich, sich in ihrem Leid wohlzufühlen? Vielleicht geht es aber auch genau darum? Vielleicht geht es darum, sich eine Zeit lang in seinem Leid wohl fühlen zu dürfen, es anzunehmen, zu bejahen? Womöglich ist das sogar der einzige Weg, altem Übel entwachsen zu können? Solche und andere Fragen stelle ich mir immer wieder und so wie jetzt, finde ich zumeist keine allgemein gültige Antwort darauf. Dann sind die Fragen einfach nur so einmal gestellt. Auch das finde ich wichtig.
Suche nach Antworten
Manchmal ist es sogar wichtiger, Fragen zu stellen, als nach Antworten zu suchen. Das Stellen einer Frage und sie einfach einmal stehen lassen zu können, scheint mir eine Kunst zu sein, die so langsam verloren geht in heutiger Zeit. In der Schule und auch später im Berufsleben, geht es doch eher immer wieder darum, zielorientiert zu arbeiten, Ergebnisse zu liefern, Antworten zu finden. Im fokussierten Suchen sind wir richtig gut, verlieren aber manchmal unsere Kreativität, verlieren den Blick auf das Ganze und auf das was noch alles möglich wäre. Eine Frage stehen lassen zu können hingegen ermöglicht einen solchen fruchtbaren Prozess der Erkenntnis. Dann reifen die Antworten wie von allein in unserem Unterbewusstsein heran und treten irgendwann unvermittelt ans Licht. Wahre Schätze können auf diese Weise gehoben werden.
Phasen einer Depression
Es gibt immer wieder Momente, manchmal auch Tage und in letzter Zeit auch wochen- und gar monatelange Phasen, da scheint die Sonne in meine Seele. Das ist dann jedes Mal eine Zeit, für die es sich lohnt, zu leben, finde ich. Es ist eine Zeit, zu der ich die Depression fast vergessen kann, aus der ich Kraft, Zuversicht und Lebensfreude schöpfe. Ich genieße solche Erfahrungen und erfreue mich an Ihnen. Durch Psychotherapie habe ich gelernt, dass ich selber für gute Zeiten sorgen kann. Je länger ich mit der Depression lebe, umso besser gelingt es mir auch, zu leben. So habe ich für mich herausgefunden, dass es in erster Linie darum geht, so oft wie möglich in ein Gefühl der Liebe zu kommen.
Depression ist die Abwesenheit von Liebe. Aber nicht die Depression sorgt für diese Abwesenheit. Sie ist eine Folge davon. Sie ist das Symptom und zeigt nur an, was da ist oder eben nicht da ist.
Eigenliebe
In die Liebe zu kommen, egal aus welchem Grund, hilft zu der so essentiellen Eigenliebe zurück zu finden. Ich kann auf alle mögliche Art und Weise dies tun und ja, am Anfang bedarf es womöglich einer gewissen Einübung, zumindest einer wohlwollenden Einlassung. Am einfachsten ist es für mich, in ein Gefühl der Liebe zu kommen, wenn ich mich mit etwas Schönem beschäftige oder umgebe. Das kann die Natur sein, das können liebe Menschen sein. Das kann Musik sein oder andere Kunst.
Als guter Einstieg hat sich auch erwiesen, selbst kreativ zu sein, zu malen oder aus Ton zu formen, ein Gartenbeet anzulegen oder einen Blumenstrauß zu stecken. Gute Zeiten werden immer durch ein gutes Lebensgefühl eingeleitet, nie umgekehrt. Manchmal sorgen andere Menschen oder Ereignisse im Außen für diese guten Gefühle und wir empfinden Glück darüber. Spannend finde ich jedoch, zu erkennen, dass wir darauf keinesfalls angewiesen sind. Wie wir uns fühlen, können wir selbst bestimmen. Wie will ich mich fühlen? Das ist die erste wichtige Frage. Und Frage Nr. 2 lautet: Was tue ich dafür?
Depressionen und heilsame Lebensbedingungen
Anfangs, als ich noch glaubte, ich würde die Depressionen schnell wieder weg bekommen, gab es zahlreiche seelische Abstürze. Das hat sich sehr gebessert inzwischen. Von solchen seelischen Krisen würde ich inzwischen nicht mehr sprechen wollen. Ich konnte mir eine Umgebung schaffen, in der ich gut zurecht komme. Der belastenden und fordernden Arbeitswelt konnte ich entfliehen und bekomme nun Rente. Mein Lebensunterhalt ist also gesichert. Ich konnte zudem der hektischen Welt entfliehen und wohne nun auf dem Land inmitten grüner Wiesen und Felder.
Es ist ein guter Ort für mich. Ich erfreue mich an den Farben, Gerüchen und dem Gezwitscher der Vögel. Gerade ist Frühsommer und überall mischt sich der Duft von frischem Heu in die Luft. Die Sonne scheint und ich bin viel draußen in der Sonne. Es tut mir gut. Ich habe das Gefühl, als könne die Sonne meine Akkus wie bei einer Fotovoltaikanlage einfach und kostenlos wieder aufladen. Ein Phänomen, dass sich auch die so genannte Lichttherapie zu Nutze macht und das bei mir tatsächlich auch funktioniert. Die Sonne ist für mich das Antidepressivum überhaupt. Lassen wir also die Sonne nicht ungenutzt scheinen und laden wir unsere Akkus auf, so oft es nur geht…
Ich wünsche euch allen viele gute Zeiten!
Quellen zu Heilung und gute Zeiten
Foto: Rainer Sturm / pixelio.de