Ich habe alles falsch gemacht

Fehler - alles falsch gemacht

Kann eine Entscheidung wirklich ein Fehler sein?

Selbstkritische Menschen und Menschen mit einem geringen Selbstwertgefühl stellen sich immer wieder dieselbe Frage: War das jetzt ein Fehler? Habe ich alles falsch gemacht? Ich ertappe mich oft dabei, mein Leben, insbesondere meine Vergangenheit, in diesem Sinne zu hinterfragen. Wäre mein Leben anders verlaufen, wenn ich diesen oder jenen „Fehler“ nicht begangen hätte? Wieso habe ich mich so oft „falsch“ verhalten oder „falsch“ entschieden? Weshalb konnte ich es nicht besser machen? Vielleicht wäre ich dann heute noch glücklich verheiratet? Eventuell wäre ich im Beruf erfolgreicher gewesen? Womöglich hätte ich gar nicht erst Depressionen bekommen? Was hätte nicht alles anders, besser laufen können? Oder habe ich einfach nur das falsche Streichholz gezogen? Dieser Beitrag soll sich einmal mit eben diesem, viel zitierten Fehler und der Kunst, ihn zu leben, beschäftigen…


Entscheidungen – Ein Geschenk des Lebens

Ich treffe sie jeden Tag – mehr oder weniger wichtige Entscheidungen, Entscheidungen mit nur geringen oder aber auch großen Auswirkungen auf mein Leben. Die Fähigkeit, entscheiden zu können, scheint mir eine der kostbarsten Fähigkeiten der Menschheit überhaupt zu sein. Welche Möglichkeiten hätte ich, wenn alles im Leben determiniert, also schon vorherbestimmt wäre? Die Fähigkeit, Entscheidungen zu treffen, versetzt mich in die Lage, Verantwortung für mich selbst, mein Leben, aber auch für Andere zu übernehmen. Die Fähigkeit, Entscheidungen zu treffen, verschafft mir die Möglichkeit, mich an veränderte Bedingungen anzupassen, sie hilft mir zu überleben und darüber hinaus macht sie mich zum Gestalter meines Lebens.

Alles falsch gemacht

Ob eine Entscheidung immer die richtige ist, ob es nicht vielleicht eine bessere gegeben hätte, das erfahre ich eigentlich nie. Ich entscheide mich für einen Weg, wenn ich an einer Gabelung stehe. Diesen Weg gehe ich dann bis zur nächsten Gabelung. Ich weiß nicht, wie mein Leben verlaufen wäre, hätte ich den anderen Weg gewählt. Manchmal vermute ich, dass der andere Weg besser gewesen wäre. Aber habe ich deswegen gleich alles falsch gemacht? Selbst wenn ich den anderen Weg gewählt hätte, hätte ich diese Gewissheit nicht erlangen können, weil ich dann ja nicht gewusst hätte, wie es im jetzigen Fall gewesen wäre. Und dennoch hadern wir Menschen sooft mit unseren Entscheidungen, machen uns Vorwürfe und geben uns für etwas die Schuld, die aber gar keine Schuld im eigentlichen Sinne ist. Zumeist ist es nur ein Weg, den wir wählten, ein Streichholz, das wir zogen.

Bis zur nächsten Gabelung

Es gibt viele Wege, die man gehen kann. Ich glaube inzwischen, der beste und richtige Weg ist der Weg, für den ich mich jeweils entscheide. Ich habe meine Gründe hierfür, bewusste und noch mehr unbewusste. Und hätte ich, wann auch immer, besser entscheiden können, hätte ich es mit Sicherheit doch auch getan, oder nicht? Ich entschied mich aber so. Warum muss ich dann nach Jahren solche Entscheidungen immer wieder in Frage stellen? Das ist zu spät. Entscheidungen sollten wir nur in Frage stellen, solange sie noch nicht getroffen sind. Sobald wir einen Weg gehen, gehen wir diesen Weg und das ist gut so. Wenn es sich irgendwann nicht mehr gut anfühlt, können wir uns neu entscheiden, eine neue Gabelung wählen.

Man kann das Leben nicht rückwärts leben

Wir können nicht zurückgehen und wir können unser Leben auch nicht rückwärts leben. Der Weg, der hinter uns liegt, ist nicht mehr begehbar. Wer es versucht, sinkt ein wie in einem Morast, sinkt ein in einen Sumpf aus Schuldgefühlen, Selbstzweifeln, Trauer und Depression. Der Weg hinter uns ist gelebtes Leben. Wir können es nicht ändern und auch nicht besser machen.

Auf die Gegenwart konzentrieren

Besser machen kann ich nur das, was ich gerade tue und nur das. Auch in der Zukunft kann ich nichts tun. Die Zukunft ist ja noch gar nicht da und wer weiß, vielleicht lebe ich dann ja gar nicht mehr? Mit ziemlicher Sicherheit aber wird sie nur sehr selten genau so eintreffen, wie ich sie befürchte oder erhoffe.  Entscheidungen gehören ins Leben und das Leben ist heute. So gesehen gibt es keine Fehler in Lebensentscheidungen. Es gibt nur Erfahrungen, die wir machen und vermutlich sogar machen müssen. Manche Erfahrungen müssen wir sogar immer wieder machen, bevor wir uns anders entscheiden können. Dann sind diese Wiederholungen eben nötig gewesen und keineswegs durch Fehler oder falsche Entscheidungen bedingt. Ich denke, mein ganzes Leben ist eine einzige Entwicklung und alles was passiert, dient ihr auf bestmögliche Weise. Zu denken, ich habe alles falsch gemacht, ist da einfach kontraproduktiv.

Entscheidungen und Realität

Mit jeder Entscheidung erschaffe ich Realität. Die Quantenphysik lehrt, dass Realität allein durch Bewusstsein entsteht. Aus dem Meer aller Möglichkeiten schalte ich durch meine Wahrnehmung jeweils eine dieser Möglichkeiten in die Realität. Es ist dabei unerheblich ob ich diese Entscheidung bewusst oder unbewusst treffe. Wenn die Entscheidung getroffen wurde, ist sie wie ein Fokus auf irgendetwas, wirkt sie wie ein Filter. Das wofür ich mich bewusst oder unbewusst entschied, wird mir nun vermehrt begegnen, wird vermehrt in mein Leben treten. Da wo meine Aufmerksamkeit ist, da ist mein Bewusstsein und wo mein Bewusstsein ist, entsteht meine Realität, vorbereitet durch bereits getroffene Entscheidungen.

Ein ständiger Lernprozess

Gäbe es diese vermeintlichen Fehler nicht, fiele es mir vermutlich oft ungleich schwerer, mich überhaupt entscheiden zu können. Was wäre, wenn es nur gute und verlockende Optionen gäbe? Da wäre eine Entscheidung fast unmöglich, ohne eine Fehlentscheidung zu riskieren. Denn was ist, wenn die zweitbeste Option die bessere gewesen wäre? Erfahrungen helfen mir, Entscheidungen zu treffen, helfen mir, ungünstige Entscheidungen nicht zu wiederholen, helfen mir dabei, dass ich mich entwickeln kann.

Fehler und die Kunst sie zu leben

Wir sind leider schon als Kinder darauf getrimmt worden, keine Fehler zu machen. „0 Fehler/ Telle“ – wenn etwas anderes unter der Klassenarbeit des Erstklässlers Benno Blues stand, war er unzufrieden. Er wollte es so gut als möglich machen. Bloß keinen Fehler! Für Fehler wird man bestraft. Wenn du Fehler machst, hat dich keiner mehr lieb. Wenn du Fehler machst, gehörst du nicht mehr dazu. Also machte ich keine Fehler. Und wenn doch? Dann hasste ich mich dafür. Dieser Perfektionswahn zog sich durch mein Leben und beschwerte es unnütz. Menschen mit Depressionen, Millionen von Menschen mit Depressionen sind alle irgendwann diesem Perfektionswahn erlegen und zahlen einen hohen Preis dafür. Mal ehrlich, wer will schon in einer perfekten Welt leben? Wer will mit einem perfekten Menschen zusammen sein?

Fehler wie einen Freund behandeln

Wir Menschen sind nicht perfekt. Wären wir dies, wäre unser Leben tatsächlich vorherbestimmt. Es wäre immer alles perfekt. Wir hätten dann eigentlich gar nichts mehr zu entscheiden. Wenn ich so darüber nachsinne, bin ich doch ganz froh, dass ich entscheiden durfte, meinen Weg gehen durfte und dies auch heute noch darf. Ich kann nun gelassener zurücksehen auf das was war und Ja dazu sagen. Es war mein Weg. Ich habe es gut gemacht, so gut wie ich es derzeit konnte. Ich habe bestmöglich entschieden. Niemand kann in die Zukunft sehen und darum gibt es keine falschen Entscheidungen aufgrund irgendwelcher Fakten die sich erst später manifestieren, es gibt nur Wahrscheinlichkeiten. Aufgrund sogenannter Fehler können wir uns entwickeln, können etwas das nächste Mal besser machen. Es wäre also gut, Fehler nicht länger zu verdammen, sondern eher wie einen Freund zu behandeln.

Wie sicher kannst du dir sein?

Manchmal ist es so, dass wir mit einer bestimmten Entscheidung so gar keinen Frieden finden können. Hier kann es helfen, unsere Überzeugung, einen Fehler begangen zu haben mit eine besonderen Methode zu hinterfragen. Unter dem Motto „Liebe, was ist!“ hat Byron Katie eine Fragetechnik entwickelt, die uns am Ende eine andere Sichtweise auf den vermeintlichen Fehler gestattet. Anstatt zu sagen:“Ich habe alles falsch gemacht!“, stellt sie Fragen. Das geht in etwas so: Wie sicher kannst du dir sein, dass eine andere Entscheidung ein besseres Ergebnis gebracht hätte? Und wenn hier nicht spontan „100%ig“ zur Antwort kommt, dann ist das keine Sicherheit. Zumeist haben wir die tatsächlich nicht. Es gibt zu viele Faktoren, von denen nie alle vorhersehbar sind.

Fazit zu „Fehler – Ich habe alles falsch gemacht“

Vielleicht gönnen wir sie uns in Zukunft einfach, die Fehler, die doch eigentlich gar keine sind? Können wir uns doch nur aufgrund ihres Vorhandenseins überhaupt weiter entwickeln. Fehler sind nicht schlecht. Sie werden es erst durch unser Siegel, durch unsere Bewertung. Und zum Glück ist das wiederum eine reine Kopfsache und kann willentlich von uns verändert werden. Oder wie es jemand einmal treffend formulierte und es sich in pädagogischen Schriften wiederfinden lässt: FEHLER sind HELFER – nur anders buchstabiert…

Quellen zu „Ich habe alles falsch gemacht“
Foto: pixapay.com

alles falsch