F32.1g – Was bedeutet die Diagnose?

F32.1 und F32.1g Diagnose Depression

F32.1 Diagnose Depression

F32.1 g – diese Diagnosen sind keineswegs das Ende deines Weges, sondern eher als Anfang eines neuen Weges, eines besseren Weges zu sehen. Was aber steckt hinter dieser Diagnose, wie fühlt sich das an und welche Perspektiven ergeben sich? Erst willst du womöglich nichts davon wissen, aber irgendwann bist du froh, dass du endlich eine Diagnose hast, dass du weißt, was mit dir los ist. Was sich zunächst wie eine hölzerne Zahl anfühlt, wird sich bald für dich mit Leben füllen. Du wirst lernen, was es bedeutet, mit dieser Diagnose zu leben und du wirst lernen, welche Möglichkeiten sich daraus für dich ergeben. Du wirst lernen, dieses Leben angenehmer für dich zu machen, als es bisher war. 


F32.1 oder F32.1g

Viele Jahre lebe ich nun schon mit der Diagnose Depression F32.1, genau genommen mit der Diagnose F32.1g. Sie entstammt, wie auch die Codes anderer Krankheiten, dem internationalen Diagnoseklassifikationssystem der WHO, dem ICD-10. Die F3x.x Diagnosen sind hier für den Bereich der affektiven Störungen vorgesehen, zu denen auch meine Diagnose F32.1, die Depression zählt.

F32.1g  Mittelgradige depressive Episode

Für die Diagnose F32.1 g gilt symptomatisch dasselbe wie für die Diagnose F32.1. Der Buchstabe g macht jedoch zusätzlich kenntlich, dass die Diagnose als gesichert anzusehen ist. Die Depression F32.1 g ist eine schwerwiegende Krankheit. Seit vielen Jahren setze ich mich mit dieser Diagnose auseinander. Rezidivierende mittelgradige depressive Episode F32.1 g lautet die exakte Bezeichnung in meinem Fall. Rezidivierend bedeutet wiederkehrend, also chronisch und das „g“ am Ende des Codes steht für eine gesicherte Diagnose.

Ich hätte Hilfe gebraucht

Nach so langer Zeit mit dieser Diagnose möchte ich einmal innehalten und zurückschauen. Was hat sich verändert? Wie war es damals und wie ist es heute? Als ich das erste Mal nicht mehr leben wollte und später wieder bei klarem Verstand war, schwor ich mir, eine Hilfeseite für Betroffene und eben diese Diagnose F32.1 einzurichten. Denn genau diese Hilfe hätte ich damals gebraucht. Nicht die Hilfe eines professionellen Anbieters, denn der hat verständlicherweise eigene Interessen zu verfolgen, sondern die Hilfe eines Erfahrenen im Umgang mit Depressionen. Und nun ist die Zeit gekommen, mich endlich selbst des Themas F32.1 anzunehmen.

Chronische Depression

Eine Depression gilt im Sinne der Krankheitsversorgung als chronisch, wenn sie lange anhaltend auftritt. Man liest in einschlägigen Artikeln von einer Krankheitsdauer von mindestens einem Jahr. Zudem muss die Notwendigkeit gegeben sein, dass der Patient regelmäßig, mindestens einmal pro Quartal den Arzt aufsucht, um eine Verschlechterung zu verhindern. Es muss ein Pflegegrad anerkannt sein oder eine Erwerbsminderung. Obwohl die Depression zumeist in Episoden verläuft, zählt sie zu den chronischen Erkrankungen der Psyche. Oft handelt es sich um langjährige Verläufe. Chronisch heißt aber nicht, dass die Depression unheilbar ist. Chronisch heißt tatsächlich nur lange anhaltend (Chronos = Gott der Zeit).

F32.1 Symptome

Unter den Symptomen von F32.1, der  mittelgradigen Episode nach ICD-10 treten insbesondere eine allgemein gedrückte Stimmung und einer Verminderung von Antrieb und Aktivität hervor. Die Fähigkeit zu Freude ist stark eingeschränkt, ebenso die Fähigkeit zu anderen Affekten (Gefühlen). Interesse und Konzentration sind deutlich beeinträchtigt. Der Schlaf ist meist gestört, was dann natürlich auch eine allgemeine Müdigkeit und Schlappheit zur Folge hat. Der Appetit ist vermindert. Es gibt immer eine Selbstwertproblematik. Schuldgefühle und Gedanken über die eigene Wertlosigkeit können ebenso dazu gehören wie auch eine deutliche psychomotorische Hemmung, (die Betroffen wirken verlangsamt), Agitiertheit (Unruhe, ungerichteter Bewegungsdrang), Apetitverlust, Gewichts- und auch Libidoverlust. Eine mittelgradige depressive Episode nach F32.1 beinhaltet wenigstens vier der genannten Symptome und dauert mindestens zwei Wochen.

Die Depression kam auf leisen Sohlen

Inzwischen bin ich aufgrund meiner Diagnose F32.1 erwerbsunfähig und lebe von einer Frührente, genau genommen von einer Erwerbsminderungsrente. Früher ernährte ich eine sechsköpfige Familie, aber auch die ist Opfer der kranken Seele geworden. Depressive Gedanken, Suizidalität, Angstzustände und die Unfähigkeit, mit Angst umzugehen, haben mich immer tiefer in die Krankheit abrutschen lassen. Vermutlich ging das schon viele Jahre unbemerkt so. Den genauen Anfang kann ich nur vermuten.

Ursachensuche

In der Rückschau meines Lebens war das belastendste Ereignis meine Inhaftierung durch die Staatssicherheit der DDR im Jahr 1988. Ich kam wegen meines Ausreiseantrages in den „Roten Ochsen“ (Stasi-Haftanstalt) nach Halle in Einzelhaft und ich wusste nicht, was mit mir geschehen würde. Man hatte so Geschichten gehört, dass die Stasi unbequeme Mitbürger auch schon mal verschwinden ließ und es dann Unfall nannte. Nun bekamen diese Geschichten plötzlich eine sehr konkrete Bedeutung für mich. Zum Glück überlebte ich, so wie viele andere mit mir diese Zeit der Ungewissheit. Aber es hat Spuren in mein Leben gezeichnet, die noch heute zu sehen sind. Und eben eine Spur hat den Namen: F32.1 obwohl ich damals noch keine Ahnung davon hatte.

F32.1 – Erfahrungen

Seit ich mit der Diagnose F32.1 lebe, sehe ich vieles bewusster und klarer. Ich bin aber auch misstrauischer gegenüber anderen Menschen geworden und zurückhaltender. Ich habe einigermaßen große Schwierigkeiten damit, Menschen zu begegnen. Nach Möglichkeit vermeide ich das, so gut es geht. Ich bin heute zwar wieder verheiratet, aber ich musste Beziehung neu lernen. Und ich lerne immer noch. Es fällt mir schwer, mit Menschen in Kontakt zu treten, besonders wenn meine Stimmung nach unten tendiert.  Leider schaffe ich es nicht, auf Dauer mit meiner Partnerin zusammen zu leben. Aber ich wünsche mir von Herzen, dass dies eines Tages möglich sein wird.

Gereiztheit

Ich bin in kritischen Phasen leicht reiz- und verletzbar und reagiere nicht selten aggressiv, bevor ich in eine Art Apathie verfalle. Das macht das Zusammenleben mit mir so schwierig. Meine Haut ist einfach zu dünn in dieser Zeit und ich bin zu leicht verletzbar. Auf eine gefühlte Verletzung folgt dann meist sofort eine aggressive Reaktion und später der Rückzug. Oder es folgt sofort der Rückzug, was ja im Grunde auch ein aggressiver Akt ist,  je nach Situation, Befinden und wie nahe mir diese Person steht.

F32.1 – Eine Diagnose die alles verändert

Nichts hat mein Leben so sehr verändert, wie die Diagnose Depression F32.1 g. Diese psychische Erkrankung ist manchmal wie Folter. Sie fängt harmlos an und nimmt sich immer mehr, schließlich den ganzen Menschen und dann auch noch die in seinem Umfeld. F32.1 verändert alles. Ich lebe heute zurückgezogen in einem abgelegenen Haus in der Nähe der Nordsee. Ich bekomme keinen Besuch und besuche niemanden. Das ist so, weil ich es so will, weil ich zu mehr durch die Depressionen nicht in der Lage bin.

F32.1 Behandlung

Anfangs glaubte ich, man könne psychische Krankheiten wie meine Depression F32.1 heilen. Wenn es doch eine Krankheit ist, dann müsse man sie auch weg machen können, glaubte ich. Einige Jahre war ich sehr fixiert darauf, diesen Makel, als den ich meine seelische Störung F32.1 empfand, wieder los zu werden. Und es folgten neue, heftige  Abstürze. Es ist eben keine emotionale Verstimmung, die man mit etwas Johanniskraut selbst in den Griff bekommt.

Scham wegen Depression

Ich habe mich geschämt für die Diagnose F32.1, die Depression. Burnout gefiel mir da viel besser, steht es doch eher für Stärke als für Schwäche. Aber beim Burnout Syndrom handelt es sich im Gegensatz zur F32.1 nicht um eine Krankheit. Burnout gilt als ein Problem der Lebensbewältigung und ist gekennzeichnet durch eine körperliche, emotionale und geistige Erschöpfung aufgrund beruflicher Überlastung. Diese wird meist durch Stress ausgelöst, der aufgrund mangelnder Belastbarkeit nicht bewältigt werden kann. Aus Sicht der Experten hat der Burnout nichts mit der Diagnose F32.1 zu tun, wenngleich ich das auch etwas differenzierter sehe.

Depression – Eine schwere Krankheit

Die Depression F32.1 hingegen ist eine Krankheit, die leider immer noch unterschätzt wird. Meine Depression war so stark, dass ich nicht mehr weiter leben wollte. Erst als ich im Verlauf mehrerer Psychotherapien die Depression als etwas begriff, das zu mir gehört, wurde mein Leben stabiler. Heute glaube ich, dass man die F32.1 nicht vollkommen heilen kann, so wie man Alkoholkranke nicht heilen kann. Scheinbar passieren durch die F32.1 Veränderungen im Gehirn, die nicht so einfach rückführbar sind. Jedoch kann man den Leidensdruck infolge von Depressionen deutlich herunter fahren. Man kann seelische Störungen heute recht gut behandeln. Der wichtigste Faktor ist bei Depressionen  allerdings, dass man in der Lage ist, an sich selbst zu arbeiten.

F32.1 Rente

Seit Januar 2007 lebe ich nun wissentlich mit der Diagnose F32.1. Wann es wirklich anfing, kann ich nur vermuten, aber sicherlich schon weitere Jahre vorher. Ich würde sagen, der Tiefpunkt meiner Depressionen fällt mit dem Tag der Diagnosestellung zusammen. Seither geht es im Schneckentempo aufwärts. Ich habe Therapien gemacht, hatte Klinikaufenthalte, probierte verschiedene Psychopharmaka aus und kam irgendwann zu dem Entschluss, mir eine Auszeit zu nehmen. Ich beantragte Erwerbsunfähigkeitsrente wegen Depression. Das war die beste Entscheidung im Umgang mit der F32.1. Denn seither kann ich selbstbestimmt leben. Es gelingt mir zunehmend besser, darauf zu achten, was für mich gut und weniger gut ist.

Endlich wieder Zeit

Ich habe seit langer Zeit in meinem Leben mal wieder ausreichend Schlaf und teile mir meine Zeit so ein, dass es möglichst nicht zu Überforderungssituationen kommt. Meine Leistungsfähigkeit unter der F32.1 ist zwar eingeschränkt, da ich aber keinen Leistungsdruck verspüre, leide ich nicht unter dieser Tatsache, sondern kann es hin und wieder sogar genießen, nicht mehr leistungsfähig sein zu müssen.

Leben mit der Diagnose F32.1

Ich glaube nach dieser langen Zeit der Krankheit F32.1 zwar nicht mehr an eine vollständige Genesung, aber dass muss auch gar nicht sein. Wenn es mir gelingt, mein Leben so weiter zu führen, wie ich es jetzt tue, dann will ich voll und ganz zufrieden sein. Im Großen und Ganzen gelingt es mir heute, mit der Diagnose F32.1 zu leben. Ich lenke und leite heute selbst und es ist bis auf wenige Ausnahmen nicht mehr die Depression, die mich zerrt und schiebt und stößt. Ich sehe mich auf einem guten Weg. Natürlich gibt es auch Rückschläge, aber so lange die grobe Richtung stimmt, bin ich zuversichtlich und sehe eine positive Zukunft für mein Leben, auch mit einer F32.1g am Ärmel.

Quellen zu „F32.1 und F32.1g – Diagnosen nach ICD-10“
Foto: Matthias Preisinger / pixelio.de
f32.1

Das könnte dich auch interessieren …