Die Sache mit der Entschuldigung

Entschuldigung zurückweisen

Ich bitte um Entschuldigung…

Manchmal fällt es uns Menschen schwer, eine Entschuldigung anzunehmen, ein anderes Mal wiederum ungleich leichter. Manchmal sehen wir aber auch gar keinen Grund, dies zu tun. Wir können keine entstandene Schuld erkennen, können sie nicht ausmachen, nicht wahrnehmen. Warum es trotzdem sinnvoll sein kann, eine Entschuldigung erst einmal anzunehmen und wie wichtig der Akt der Entschuldigung für die Beziehung zwischen Menschen ist, diesem Thema versucht sich der nachfolgende Beitrag über Schuld und die dadurch entstehende Distanz zu nähern.


Du musst dich nicht entschuldigen

Dieser Satz tönt mir seit Tagen in den Ohren. Nicht dass jemand dies zu mir sagte in letzter Zeit, vermutlich wäre mir dabei auch nicht einmal etwas aufgefallen. Diesen Satz hörte ich schon so oft in meinem Leben, dass ich nicht mehr genauer hinsehen muss, was er wohl zu bedeuten habe. Jemand versucht sich zu entschuldigen. Er tut dies, weil ihm etwas leid tut. Er fühlt sich in die Schuld gekommen, fühlt sich schuldig und das bedrückt ihn. Jemand spürt eine Dissonanz und möchte die nun gern ausräumen. Jemand fühlt sich auf Distanz gesetzt und wünscht sich wieder Nähe. Schuld ist immer mit einem Gefühl der Distanz verbunden. Sie vergrößert den inneren Abstand zu dem Menschen, an dem ich schuldig geworden bin durch ein Wort, durch eine Tat oder aber auch durch eine Unterlassung, ein Nichtbeachten.

Auslöser versus Verursacher von Schmerz

Nicht immer entsteht dabei wirklich eine Schuld, obschon sie real gefühlt wird. Oftmals bin ich nur Auslöser für ein unschönes Gefühl, aber nicht Verursacher. Die Ursachen liegen möglicherweise schon Jahre zurück, aber ich war es jetzt, der daran rührte, der die wunde Stelle berührte. Wir wissen alle wie das ist, wenn jemand eine Wunde berührt, da zucken wir zusammen. Das sticht. Das brennt. Das tut weh. Denjenigen, der dann zufällig auf solche Weise einen wunden Punkt berührt, trifft eigentlich keine Schuld an dem Schmerz seines Gegenüber. Und doch sieht es nach außen hin so aus und fühlt sich auch nach innen so an. Auf eine Aktion erfolgte eine Reaktion und das Gehirn kann wohl nicht anders, als beides kausal zu verknüpfen. Ich fühle mich schuldig am Schmerz des Anderen.

Diese Schuld lastet dann auf mir, drückt mich möglicherweise sogar nieder. Und wenn mich etwas nieder drückt, macht es mich kleiner. Es erzeugt einen Zustand, in dem ich mich nicht mehr so wohl fühlen kann wie zuvor. Möglicherweise setzt es auch meinen Selbstwert herab und schränkt fortan meine Erlebensfähigkeit ein, nimmt mir ein Stück meiner Freiheit. Ich tue also gut daran, diesem inneren Ungleichgewicht entgegen zu wirken. Ich bitte um Entschuldigung. Menschen tun das so, wenn sie klug sind.

Eine Aussage – viele Auslegungen

Wenn ich den Satz „DU brauchst dich nicht entschuldigen!“ doch aber nirgendwo hörte, wieso konnte er sich dann so sehr in meinem Kopf einnisten? Nun, ich selbst war es, der diese Worte aussprechen wollte. Ich selbst wollte zu jemandem sagen: „Du brauchst dich nicht bei mir entschuldigen.“ Ich sprach diesen Satz aber nicht wirklich aus. Die Worte blieben mir gleichsam im Munde stecken. Irgendetwas hinderte mich daran, sie auszusprechen. Und so kamen meine Gedanken auf dieses Thema. „Du musst dich nicht entschuldigen!“ Und je länger ich darüber nachsann, umso mehr mögliche Deutungen kamen mir Sinn…

1. Ich möchte nicht, dass du dich klein fühlst

Man könnte diese Aussage zum Beispiel so verstehen, dass sich der um Entschuldigung Bittende aus Sicht des um Entschuldigung Gebetenen gar nicht in einer Schuld befindet, dass da Verständnis ist für seine Situation. Vielleicht tut es hier jemandem sogar leid, den vermeintlich schuldig gewordenen so klein zu erleben. Vielleicht möchte er ihm dieses Gefühl mit einem Federstreich nehmen, als wäre es nie dagewesen?

2. Du bist mir egal

Du musst dich nicht entschuldigen, könnte aber auch so verstanden werden, dass ich keinen Wert darauf lege, dass sich hier gerade jemand um Ausgleich bemüht. Es könnte im Sinne von „Du bist mir zu nichts verpflichtet.“ aufgefasst werden. Ich habe nichts mit dir zu tun oder ich will nichts mit dir zu tun haben. Das wäre dann ein glatte Zurückweisung, nicht nur des Schuldeingeständnisses sondern des ganzen Menschen. Es käme einem Wegstoßen gleich. Ich lasse dann den Menschen, der um Ausgleich bemüht ist, mit seinen Schuldgefühlen allein.

3. Ich bin gönnerhaft und herablassend

Der Satz „Du brauchst dich nicht entschuldigen!“ könnte aber auch als eine eher gönnerhafte Geste aufgefasst werden. Der um Entschuldigung Gebetene macht sich auf diese Weise selbst noch größer und den um Entschuldigung Bittenden kleiner. Er nimmt ihm dadurch die Möglichkeit, sich zu entschuldigen, nimmt ihm die Möglichkeit, die entstandene Distanz abzubauen. Im Gegenteil – die Distanz wird nun sogar noch größer, wird gleichsam unüberwindbar.

Ein Akt der Liebe

Ich denke, wenn sich mir jemand in Demut nähert, wird wahre Größe sichtbar, wenn auch ich mich klein machen kann. Wenn ich auf Augenhöhe zu meinem Gegenüber gehen, seine Not sehen kann und ihn zu trösten vermag. Das Annehmen einer Entschuldigung kann nur durch wirkliche Annahme erfolgen. Annahme ist ein Akt der Liebe. Das Zurückweisen einer Entschuldigung hingegen kommt nicht aus diesem Gefühl. Es ist selbstbezogen und ohne Empathie. Möglicherweise verletzt es sogar. Zumindest lässt es den Akt der Entschuldung nicht zustande kommen. Eine Schuld erlischt, indem ich sie zurücknehme. Im Gegenzug händige ich den Schuldschein aus, der dann ins Feuer geworfen werden kann. Eine Entschuldigung ist ein Austausch von Energie. Etwas fließt von A nach B und von B nach A. Man spricht auch davon, eine Schuld zu begleichen, das heißt, etwas wird gleich gemacht, etwas findet einen Ausgleich. Dafür scheint mir Augenhöhe notwendig.

Fazit zu Schuld und Entschuldigung

Ich denke, es ist unerheblich, ob ich die Schuld selbst auch erkennen kann, wenn der um Entschuldigung Bittende sie doch fühlt. Es geht jetzt gerade einmal nicht um mich. Es geht um einen Menschen in Not. Wenn ich diesem Menschen also wirklich etwas Gutes tun will, nehme ich seine Bitte um Entschuldigung an. Im weiteren Verlauf kann ich dann immer noch darlegen, dass ich Verständnis für ihn habe und aus meiner Sicht gar keine Schuld entstand. Aber dann bin ich auch schon in Beziehung zu ihm, bin im Dialog. Dann bereits ist die Distanz aufgebrochen und Nähe wiederhergestellt. Und vor diesem Hintergrund wird es mir dann auch ohne weiteres möglich sein, eventuell letzte Zweifel an der Wirksamkeit der Entschuldigung auszuräumen.

Quellen zu „Schuld und Entschuldigung“

Foto: pixabay.com

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